Lean Management als Strategie für eine erfolgreiche Zukunft
Am 28. November 2018 fand in Luzern zum zweiten Mal der Swiss Lean Congress, veranstaltet durch Leancom GmbH, statt. Sowohl im Plenum wie auch in verschiedenen Sessions teilten renommierte Referenten und Lean-Experten ihr Wissen und ihre praktischen Erfahrungen. Den Teilnehmenden präsentierte sich eine reichhaltige Themenwelt aus dem Bereich des Lean Managements.
Über 300 Anwesende konnte Daniel Odermatt, CEO von Leancom GmbH, zusammen mit Moderator Reto Lipp, bekannt als Wirtschaftsjournalist beim Schweizer Fernsehen, begrüssen. Eine beachtliche Teilnehmerzahl, die darauf hindeutet, dass Lean Management in immer mehr Betrieben zu einem ernst zu nehmenden Thema geworden ist. Denn es geht um viel: Der Industriestandort Schweiz steht unter Dauerdruck. Die sprichwörtlich hohe Schweizer Produktionsqualität allein reicht heute nicht mehr, um sich im Wettbewerb langfristig zu behaupten. Gefragt ist also ein Umdenken bei Prozessen und Agilität im Wettbewerbsumfeld – und dies selbstverständlich begleitet durch kontinuierliche Verbesserungen bei der Qualität in Produktion und Service. Wie diese «Quadratur des Kreises» bewerkstelligt werden kann, war Gegenstand der verschiedenen Referate, die sowohl im Plenum wie auch in kleineren Sessions diskutiert wurden.
Lean-Koryphäe aus Japan
Mit Hitoshi Takeda sprach eine weltweit als «Lean-Ikone» bekannte Persönlichkeit am Swiss Lean Congress. Als studierter Ingenieur hat er etwa bei Toyota diverse Verbesserungen mit eingeführt und über 100 Industriepartner dieses Automobilbauers beraten. Heute leitet er die Firma SPS Consulting und berät Kunden bei der Schaffung von Fertigungszellen. Hitoshi Takeda sprach über die Möglichkeiten des Synchronen Produktionssystems (SPS) für KMU. Beim SPS handelt es sich um ein integriertes Managementsystem, mit dem alle Prozesse (von Einkauf über Produktion bis hin zur Auslieferung) synchronisiert werden. Dabei wird die Absicht verfolgt, jegliche Verschwendung (jap. «Muda») gründlich zu beseitigen. Ziel ist, das Unternehmen so in seinem Wesen zu verändern, dass es angemessen auf die fortschreitende Marktdiversifizierung reagieren kann – und das mit hoher Angebotsqualität bei niedrigeren Herstellkosten. So kann das Unternehmen im wechselhaften harten internationalen Wettbewerb bestehen und ist gegen Rezessionen gewappnet. Vier Kennzahlen sollte das Management eines Unternehmens im Auge behalten, so Hitoshi Takeda: Durchlaufzeit (diese sollte möglichst tief gehalten werden bzw. insbesondere in Verwaltungsprozessen verkürzt werden), Qualität (etwa durch Definition einer Fehlerrate von 10 PPM, d.h. weniger als 1 fehlerhaftes Stück pro Jahr, erreicht durch konsequente Prozessüberwachungen), Produktivität (Verbesserung durch Organisation mittels autonomer Teams) und Kompetenzförderungsmanagement (d.h. kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeitenden). Der Referent beschönigte dabei aber nicht, dass die Einführung des Lean-Gedankenguts in Unternehmen mit der Überwindung von Hürden einhergehe. Die grösste Hürde sei das Bewusstsein einzelner Mitarbeitender, sagte er. Es müsse deshalb darum gehen, Menschen und ihre Kultur zu verändern. «Investieren Sie fünf Prozent Ihrer Zeit in die Entwicklung von Mitarbeitenden. Stärken Sie das Team und den Gemeinschaftsgeist, geben Sie aber auch klar den Takt vor», gab Hitoshi Takeda den Anwesenden auf den Weg.
«Lean Healthcare» und Kaizen
Im weiteren Verlauf des Vormittags ging es dann um Best Practice, zunächst im Gesundheitswesen (Lean Healthcare). Jürg Aebi, CEO des Kantonsspitals Baselland, überschrieb sein Referat mit «Kommunizieren Sie geregelt oder haben Sie noch Meetings?». Gute Kommunikation bedinge klare FührungsstruktuDoyen des Lean Management: Hitoshi Takeda sprach am 2. Swiss Lean Congress. ren, Transparenz, gute Planung und Disziplin, schickte er voraus. «Mit klarem Tischmanagement, kurzen Huddle-Meetings und Gemba-Walks ersetzen wir im Kantonsspital Baselland die bisher langfädigen, überladenen und zeitfressenden Meetings», verriet Aebi schliesslich das Erfolgsrezept. Auf diese Weise konnten anhand eines Lean-Pilotprojekts etwa die «Time-to-Doctor» sowie die Anzahl Telefonate deutlich reduziert werden. Ferner wurden Prozesse standardisiert und besser strukturiert. Entsprechend erhöhte sich in der Folge die Patientenzufriedenheit.
Anschliessend stellte Leancom-Gründer Oliver Mattmann Kaizen in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. «Jede achte Stunde steht die Firma still! Ist das wahnsinnig oder clever?» – so lautete die rhetorische Frage, mit der Mattmann sein Referat betitelte. Dahinter steht die Feststellung, dass in vielen Unternehmen genügend Ideen für Verbesserungen vorhanden wären. Diese würden aber kaum umgesetzt, weil zu viel Zeit ins Sprechen und in Meetings investiert würden anstatt ins Tun. Aber gleichwohl muss regelmässige und definierte Verbesserungszeit eingeplant und ohne Ausnahmen eingehalten werden, so eine zentrale Anforderung an angehende «Lean Enterprises». Zeit für Verbesserungen zu nehmen sei deshalb nicht Wahnsinn, sondern clever.
Transformation zu Lean Management als Herausforderung
Nach dem Mittagessen versammelte sich das gespannte Publikum erneut, denn Niklas Modig, Autor des viel gelesenen Klassikers «Das ist Lean», betrat die Bühne. Ein Highlight, denn seine Besuche in der Schweiz sind an einer Hand abzuzählen. Mit eindrücklichen Fallbeispielen erklärte er die Möglichkeiten von Lean Thinking im und ausserhalb des Gesundheitswesens.
Nochmals ums Gesundheitswesen ging es in der Präsentation von Prof. Dr. oec. HSG Alfred Angerer, Leiter der Fachstelle Management im Gesundheitswesen an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW. «Wie tötet man die sieben Drachen auf dem Weg zu Lean im Gesundheitswesen? » fragte er. Und diese sieben Drachen haben es in sich: Da ist einmal der «Alles-in-Butter- Drache», der besagt, dass in der eigenen Organisation gar kein Problem besteht. Der jammernde Drache beklagt sich – im Gesundheitswesen – über den hohen Druck, der ertrinkende Drache hat keine Zeit für Prozess Prozessoptimierung und der Schwarzmaler-Drache ist der Überzeugung, dass dies «bei uns nicht funktionieren wird». Dann kommt der Euphorie- Drache, der sagt «Lean hilft immer! », während der Handwerker-Drache nach mehr Lean-Tools ruft. Und der kopflose Drache fragt sich: «Was stellen wir mit Digital Health an?» Also eine Fülle von Herausforderungen, von denen viele Gesundheitsorganisationen ein Lied singen können.
Digitalisierung als «Freund» von Lean?
Und da ist natürlich auch noch das Thema «Digitalisierung», das auch die «Lean»-Gemeinde umtreibt. René Brugger, Präsident des Swiss Technology Networks, sprach über die «Freundschaft» von Lean und Digitalisierung und zeigte anhand diverser Beispiele, wohin die Reise in Zukunft gehen könnte. Vor allem wird es in der Industrie verstärkt um die Losgrösse 1 gehen. «Konsequente Digitalisierung, standardisierte Varianz und schlanke Prozesse bringen Flexibilität, schnelle Lieferbereitschaft und konkurrenzfähige Preisgestaltung », heisst es dazu etwa bei Baumer, einem Hersteller von Sensoren. Und der Ventil- Hersteller Seitz will «Auslieferung innert weniger Wochen (vom Verkauf direkt in die Maschine)» garantieren. Dies alles kann nur gelingen, wenn die Kompetenzen der Mitarbeitenden in der Produktion entsprechend gefördert werden.
Zeigen, wie «Lean» geht – und dass es geht
Weitere Best-Practice-Beispiele zeigten am Nachmittag etwa Franz Bollhalder, Head of Production bei der Andermatt Biocontrol AG, oder Fabian Furrer von Bystronic Laser AG. Ersterer erläuterte dem Publikum, wie Lean Transformation in seinem Unternehmen gelingen konnte und welche Hürden – etwa der Wandel von Führungskräften weg von Fachkräften resp. Managern zu Coaches – es dabei zu überwinden galt. Dies resultierte beispielsweise in der positiven Erfahrung, dass sich die Kreativität in Teams erhöht und sich die Feedback- Kultur verbessert hat. Fabian Furrer wiederum zeigte das Konzept «Lean Logistics», das durch gezielte Massnahmen neben signifikanten Benefits auch einige «Learnings» («Wunder dauern etwas länger») aufwies. Axel Maltzen vom Medizinalprodukte-Hersteller Medartis schliesslich erläuterte, wie sein Unternehmen als Folge des «Frankenschocks» von 2015 ein eigenes Produktionssystem aufgebaut hat in Anlehnung an den Toyota-Nordstern. Und Reto Frei von Leancom zeigte in seiner Präsentation einige «praktische Winke», wie sich der administrative Alltag schlanker gestalten lässt, etwa, indem mit der Nutzung eines Office Floor Boards die «Aufschieberitis» vermieden werden kann.
Die Tagung, welche neben den erwähnten Referaten auch Diskussionsrunden, Workshops und einen VIP-Round-Table bot, schloss dann Astronaut Claude Nicollier mit seinen Ausführungen zum Thema «Misserfolg ist keine Option». Er nahm das Publikum mit auf eine Reise durch die Geschichte der Weltraumforschung und gab anhand von eindrücklichen Bildern Einblicke in seine eigenen Missionen im All. «If you really want it, you can do it», so sein Fazit – etwas, was sicher auch für die Umsetzung von Lean Management im eigenen Unternehmen gelten kann.