Künftige Rollen, Methoden und Steue-rungsinstrumente
Werden agile Ansätze nun Lean Management ablösen, ergänzen und welcher Ansatz ist besser? Dies sind nicht «Glaubensfragen», sondern nur eine Frage der Methoden-wahl und abhängig davon, «womit sich das Ziel eines Change-Projektes am besten erreichen lässt». Auch die Antwort, ob die Norm 9001:2015 die agilen Ansätze für «angemessen» und «zweckmässig» genug hält, ist einfach zu beantworten, wenn die Frage nach «Kontext der Organisation» verstanden wird.
Einleitend sei daran erinnert, dass die Norm lediglich die Anforderung stellt und damit das «was» bestimmt. Der Frage nach der Methode bzw. dem «wie» ist freie Wahl gelassen. Die Be-dingung, die daran geknüpft ist, bezieht sich lediglich auf Angemessenheit, Zweckmässig-keit, die Unternehmungsgrösse, -ziele etc. Und so handeln auch Unternehmen mit agilen An-sätzen ganz im Sinne der Normanforderung und Qualitätsmanagementprinzipien, solange Systematik zur Zielerreichung vorliegt.
Interessant zu beobachten sind dabei zwei Punkte. Einerseits, dass altbewährte Me-thoden derzeit einen förmlichen Hype erle-ben. Dies deshalb, weil Instrumente wie Kan-ban – ein vom Lean Management (Fertigungs-prozess) bekannt gewordenes Instrument – oder weitere ähnliche Lean-Hilfsmittel im-Interessant zu beobachten sind dabei zwei Punkte. Einerseits, dass altbewährte Me-thoden derzeit einen förmlichen Hype erle-ben. Dies deshalb, weil Instrumente wie Kan-ban – ein vom Lean Management (Fertigungs-prozess) bekannt gewordenes Instrument – oder weitere ähnliche Lean-Hilfsmittel im-industrie entsprungen und näher ist als die der Software-Entwicklungs-Welt. Die agilen Methoden sind demnach lediglich eine weite-re (ergänzende) Alternative für Prozess- und Produktentwicklungen inkl. Tools. So gese-hen, sollte die Frage nicht das «Welches ist besser», sondern die Methodenwahl «Womit ist das Ziel eines Change-Projektes am besten zu erreichen», beantworten.
Strategieentwicklungsprozess
Ist Agilität einmal verstanden, folgt auf Füh-rungsstufe bald der Wunsch «Wir müssen eine agile Organisation werden» – doch wo fängt man an? Erfahrungsgemäss mit einer drei- bis fünfjährigen Strategieplanung. Eine Herausforderung in der Zukunft; denn wie schon zuvor erläutert, ist die Arbeitswelt «VUCA» geworden.
Wenn Agilität die Fähigkeit bedeutet, als Organisation schnell und kontinuierlich sich ändernden Rahmenbedingungen anzu-passen, versteht sich von allein, dass eine über mehrere Jahre hinaus starr geplante Un-ternehmungsstrategie weder eine agile Orga-nisation widerspiegelt noch Ziele verfügt, die diese Dynamik berücksichtigen und deshalb realistischer sind. Agile Strategien tragen die-sen sich verändernden Rahmenbedingungen kontinuierlich Rechnung. Der wesentliche Unterschied im agilen Vorgehen wie mit dem Framework agilestrats™ besteht darin, dass die Entwicklung der Strategie gerade in so kurzen Zyklen geplant wird, wie sie der Wan-del erlaubt. Ein Vorgehen sowie eine Wir- kung, welches im Qualitätsmanagement auch als ein beherrschter Prozess bezeichnet wird.
Der Vorteil liegt auf der Hand. Die Fä- higkeit, auf Veränderungen schnell reagieren und dadurch erfolgreich mit Unsicherheiten und Risiken umgehen zu können, ist der ent- scheidende Unterschied und Erfolgsfaktor auf dem Weg zu einem agilen Management- system bzw. zur erfolgreichen Erreichung der Unternehmungsziele.
Qualitätskontrollen/-prüfungen
In der Industrie alltägliche Tätigkeiten sind Qualitätskontrollen/-prüfungen im Ferti- gungsprozess. Diese bezwecken, dass das Pro- dukt stichprobeweise auf die Erfüllung seiner Prüfkriterien (Qualitätsanforderungen) ent- spricht. Kann man künftig aufgrund der Pro- zessdaten mit grösster Wahrscheinlichkeit sagen, dass der Prozess korrekt verlaufen ist, wird das Produkt den Anforderungen ent- sprechen und diese durch Personen durchge- führte Prüfungstätigkeit automatisiert.
Wurden bisher Daten im Unternehmen mehr oder weniger systematisch als Steue- rungsinstrument für die Zielerreichung oder KVP verwendet, weil zu wenig strukturiert und qualitativ belastbar, so wird Business In- telligence (BI) Unternehmen künftig zu einer einfacheren Gesamtsicht bezüglich Quali- tätszielen (verbesserte Abläufe, Kostensen- kung, Risikoreduzierung, Fehlerquote/Feh- lerschwerpunkte, Erhöhung Wertschöpfung und letztlich höhere Kundenzufriedenheit) verhelfen. Der Unterschied besteht darin, dass das Gesamtbild und der Handlungsbe- darf zusammenhängender verstanden wird.
Durch diese Transparenz dürfte das gesamte Managementsystem deutlich einfacher und insbesondere integrierter gesteuert werden. Optimierungsansätze werden durch eine agi- lere Vorgehensweise aus verschiedenen Pers- pektiven verstanden und ganzheitlicher um- gesetzt werden können.
Künftige Rollen, Aufgaben des Qualitätsmanagers/-sicherers/ Prozessteams
Je nach Branche wird die Unterscheidung der Rollen Qualitätsmanager und Qualitätssiche- rer wieder stärker an Bedeutung gewinnen. Wie in den vorherigen Kapiteln (Teile 1 bis 3) zu lesen war, wird die Sicherung von Pro- dukt- und Leistungsqualität viel stärker da- tengetrieben sein. Die dafür erforderliche Da- tenqualität zu sichern schliesst nicht aus, dass der Qualitätssicherer künftig über mehr IT- Kenntnisse verfügt. Oder es entwickeln sich fachliche Ausrichtungen innerhalb des Quali- tätsmanagements, wobei die der Qualitäts sicherung dem Produktmanagement inkl. Controlling-Aufgaben näher kommt oder im Fertigungsingenieur aufgeht.
Es ist auch vorstellbar, dass der Quali- tätsmanager als Systemverantwortlicher agie- ren und die Organisation weiterhin beraten und weiterentwickeln wird. Von ihm werden noch mehr unternehmerisches und betriebs- wirtschaftliches Verständnis gefordert wer- den. Starre Qualitätsmethoden werden sich verändern, wegfallen oder flexiblere dazu- kommen. Für beide Rollen werden Fähigkei- ten wie Daten zu analysieren und interpretie- ren sowie die Fähigkeit, moderierend in inter- disziplinären Teams zu agieren, eine Voraus-setzung werden dürfen. Auch in sprachlicher Hinsicht wird die heute stark von der Industrie geprägte sich in eine neue wandeln.
Was die Prozessteams betrifft, so müs-sen diese in ihren Aufgaben/Kompetenzen/ Verantwortungen zwingend ermächtigt wer-den, wofür es ein prozessorientiertes Rollen-konzept braucht. In einer voll implementier-ten Prozessorganisation verantwortet das Prozessteam Aufgaben wie die Gestaltung und -modellierung, das Controlling, die Op-timierungen und auch die Führung von Pro-zessen. Dem geht aber die viel wichtigere Fra-ge voraus, in welchem Grad eine Organisation gewillt und bereit ist, diese Aufgaben dem Team zu überlassen oder sie mit der funktio-nalen Führung zu teilen.
Ressourcen zur Überwachung und Messung
Unter 7.1.5. im Kapitel Unterstützung fordert die Qualitätsmanagementnorm, dass für die Kontrolle, betreffend die Übereinstimmung der Produkte und Dienstleistungen mit den Kundenerwartungen, die Organisation die not-wendigen Ressourcen ermittelt und ein ver-lässliches Überwachen und Messen sicherstellt. Dabei liegt der Fokus der Anforderung einer-seits auf der Eignung (auf die spezifische An-wendung bezogen) und andererseits auf der nachweislichen Wartung, dem Unterhalt der betreffenden Ressource. Diese Anforderung be-schränkte sich bis zur Normrevision auf Prüf-und Messmittel und dürfte sich durch die Be-zeichnung «Ressource» um IT-Instrumente er-weitern. Überträgt man diese Anforderung auf die Ressource IT, ist künftig nicht auszuschlies sen, dass auch die Eignung für beispielsweise
Business-Intelligence-Quellen dieser Norman-forderung noch gezielter unterworfen werden. Spannend dürfte dabei werden, wie die Eig-nung nicht nur auf das Verfahren, sondern auch auf die Qualifikation des Users relevant wird, der dieses Tool anwendet. Das diesbezügliche Audit zur Überprüfung der Normeinhaltung sowie Wirksamkeit dürfte künftig ein hohes Mass an IT-Sachverständnis erfordern.
Bewertung der Leistung
Messgrössen/-kriterien
Die Anforderung aus ISO 9001:2015 lautet: «Die Organisation muss die entsprechenden Daten und Informationen, die sich aus der Überwachung, Messung ergeben, analysieren und beurteilen.» Im Umgang mit der Unter-nehmungssteuerung und Leistungsbewer-tung wird ausserdem ein systematisches Vor-gehen verlangt, was den Plan-Do-Check-Act-Regelkreis zum Selbstverständnis der Organisationen gemacht hat.
Überträgt man diese Normanforderung auf agile Prozesse, so dürfte deren Erfüllung anspruchsvoller für Unternehmen werden. Denn ohne konkrete Messbarkeit der Agilität lässt sich der Erfolg agiler Prozesse erst gar nicht herbeiführen. Vergleichbar ist das mit einem Sportler und seiner Fitness. Um Rück-schlüsse auf die Leistungsfähigkeit ziehen zu können, kann man messen, wie schnell oder ausdauernd der Sportler laufen kann (Teilleis-tung/Output). Und man kann messen, wie viel der Sportler für seine Fitness trainiert (Input). Daraus sind dann wiederum Rückschlüsse auf das Mass seiner Sportlichkeit ziehbar.
Ähnlich verhält es sich mit der Agilität ei-ner Organisation. Man kann messen, welche Organisations- und Führungsprinzipien einem Unternehmen ermöglichen, flexibel auf Verän-derungen und neue Kundenbedürfnisse (Inno-vationskraft) zu reagieren. Man kann Agilität an einem Output in Form von Anpassungsfä-higkeit und Innovationskraft in einer «VUCA-Zeit» (äussere Agilität) und/oder auch Agilität an einem Input festmachen, an Organisations-und Planungsprinzipien, die in einem Unter-nehmen praktiziert werden (innere Agilität).
Die Messkriterien erinnern an den An-satz des EFQM-Modells. Auch in diesem Mo-dell wird davon ausgegangen, dass sogenann-te Befähiger die Treiber von Ergebnissen sind – wie innere Agilität also äussere Agilität för-dern kann. Dies dürfte ein weiterer mögli-cher Grund dafür sein, warum gegenwärtig so viel Aufmerksamkeit auf die Stärkung der in-neren Agilität gerichtet wird.
Balanced Scorecard
Ist bei so viel Fokus auf Führung, Team, Ma-nifeste und so weiter die altbewährte Balan-ced Scorecard zur Leistungsüberwachung und -steuerung dennoch anwendbar? Hier fällt die Antwort leichter. Solange das obers-te Ziel eines Unternehmens Wirtschaftlich-keit (Gewinn oder Kostendeckung) bleibt, lautet die Antwort auf die Anwendbarkeit der Balanced Scorecard (BSC) Ja. Um auf dem Markt erfolgreich zu bestehen, müssen Unternehmen bereits heute Veränderungs-fähigkeit entwickeln, erhalten und, wie der-zeit im Gange, ausbauen. Dazu dient bereits heute die BSC als Führungsinstrument. Ein Ziel- und Messzahlensystem zur Planung und Umsetzung der Strategie, wozu nebst den finanziellen auch die Kunden-, Prozess-sowie unternehmerische Potenzialperspek-tiven überwacht und gesteuert werden. Die BSC bietet durch ihre unterschiedlichen Perspektiven eine ganzheitliche Betrach-tungsweise, um auch qualitative Ziele wie beispielsweise die Wirksamkeit eines agilen Projektes oder -teams zu messen. Die Durchgängigkeit auf operativer Ebene wird ausserdem damit sichergestellt, dass zu je-dem Ziel spezifische Massnahmen definiert und in der operativen Umsetzung über-wacht werden.
Interne Audits
Zur Überprüfung, ob Änderungen wirksam sind und Vorgaben eingehalten werden, be-dient sich das QM der sogenannten internen Audits. Anlässlich eines Audits werden von unabhängigen, meist internen Auditoren ge-prüft, wie wirksam eine Massnahme wie Än-derung, Prozess oder die Einhaltung von Vor-gaben sind. Zu diesem Zweck bereitet der in-terne Auditor das Auditziel vor, führt das Auditgespräch meist mittels Papier-Checklis-ten durch, überprüft Nachweise und beurteilt das Ergebnis in einem ebenfalls meist manu-ell erfassten Auditbericht.
Der Auditprozess wird auch künftig und unabhängig von agilen Prozessen erforderlich sein. Interessant dürfte allerdings die Frage werden, wie diese durchgeführt werden. Mit den Automatismen und künstlichen Intelli-genzen, die Einzug in Unternehmen halten werden, ist ein softwarebasiertes Prüfverfah-ren absehbar. Diese automatisierte Form, die sich als sogenanntes «Audittrail» in der Com-putersicherheit längst etabliert hat, auditiert vom Ursprung zum Ergebnis (Wirkung) und von der Wirkung zurück zum Ausgangspunkt in chronologischer Abfolge Handlungen, Sys-temzustände, Spuren und Belege zurück. Durch die zeitgleiche Automatisierung von Prozessen ist ausserdem absehbar, dass die Auswertbarkeit und entsprechend auch Ab-weichungen leichter transparent gemacht werden können.
Verbesserung
Ob in den Qualitätsmanagement-Prinzipien (5) oder in Kapitel 10 Verbesserung: Die An-forderung verlangt, Möglichkeiten zu ermit-teln und auszuwählen, um die Kundenanfor-derungen zu erfüllen und die Kundenzufrie-denheit zu erhöhen. Diese beziehen sich nicht nur auf die Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen, sondern auch auf Prozesse, um unerwünschte Effekte zu vermeiden so-wie die Effektivität und Effizienz des Manage-mentsystems zu erhöhen. Zu diesem Zweck gehören nebst Korrekturmassnahmen auch die kontinuierliche Verbesserung. Diesen An-forderungen kommen agile Ansätze vollum-fänglich nach. Und obwohl der KVP auch auf verschiedenen Ebenen (strategisch, operativ sowie auf Stufe Einzeltätigkeit) durchgeführt werden kann, wirkt er in agilen Ansätzen in-tegrierter und scheint stärker im «Do» veran-kert zu sein.
Auch die Normanforderung nach einer Chancenbetrachtung wird in agilen Ansätzen noch während der Umsetzung von Projekt-phasen mit einem zukunftsgerichteten Blick aus jüngerer Vergangenheit zeitnah gelernt. Dafür werden beispielsweise in der Scrum-Methode pro Iteration Kontrollpunkte vorge-sehen, um die Gelegenheit einzuplanen, inne-zuhalten, zu reflektieren und für die nächst-folgende Phase bereits Verbesserungen abzu-leiten. Damit kommt sie der Anforderung zu Effektivität und Effizienz im Managementsys-tem besonders nach. Denn dieses phasen weise Lernen ermöglicht eine kontinuierlich genauere Planung, Kosteneinschätzung sowie -gestaltung.
Durch den stetigen Erkenntnisgewinn, der im agilen Prozess erzielt wird, und durch die dadurch möglichen Verbesserungen hat das ausgelieferte Produkt oder die erbrachte Leistung die höchste Qualität, erfüllt seinen Konformitätsanspruch, Zweck und trägt all den Änderungen Rechnung, die sich während des Projektes ergeben haben.