Konsequentes Working Capital Management

Ein konsequentes Working Capital Management (WCM) ist Grundvoraussetzung für ein Unternehmen, um unnötig gebundenes Kapital freizusetzen und eine zu grosse Abhängigkeit von Banken zu vermeiden. Im Gegensatz zu börsennotierten Unternehmen, die durch Rating-Agenturen und Shareholder unter Druck geraten, wird das Thema bei inhabergeführten Unternehmen − und insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) − oftmals vernachlässigt.

Konsequentes Working Capital Management

 

 

Gerade in wirtschaftlich schweren Zeiten, wie beispielsweise während der Wirtschaftskrise 2008/2009, geraten KMUs durch fehlendes Working Capital Management in Turbulenzen. Nach Aufhebung des Franken-Mindestkurses im Januar besteht ganz aktuell das Risiko eines ähnlichen Szenarios für Schweizer Unternehmen. Umso entscheidender für den unternehmerischen Erfolg ist es, sich frühzeitig mit dem Management des Netto-Umlaufvermögens zu befassen. Das gilt auch in Zeiten niedriger Zinsen. Denn häufig verstecken sich hinter dem gebundenen Kapital ineffektive und ineffiziente Prozesse, die Kosten unnötigerweise in die Höhe treiben.

Studie zeigt: Verbesserungspotenzial im WCM

 

Oftmals fehlt es jedoch an konkreten Handlungsempfehlungen für KMUs im WCM. Bestehende Studien zum Thema fokussieren sich häufig auf einen Kennzahlen- Vergleich, insbesondere entlang des Cash-to-Cash Cycles (Geldumschlags). Viel wichtiger für Unternehmen ist jedoch die Frage, was «erfolgreiches» WCM auszeichnet und welche Methoden, Prozesse sowie Zielsetzungen Best-Practice-Unternehmen auszeichnen. Eine 2014 vom Supply Chain Finance-Lab (SCFLab) der Universität St.Gallen durchgeführte Studie zu Performance Excellence im WCM befasst sich genau mit dieser Fragestellung. In einer umfassenden Befragung von mehr als 60 Schweizer Unternehmen wurden auch für KMUs wertvolle Handlungsempfehlungen zur Leistungsverbesserung im WCM identifiziert. «Die Studienergebnisse zeigen, dass vor allem bei KMUs noch erhebliches Verbesserungspotenzial im WCM besteht, und liefern wichtige Impulse, um von Best-Practice-Unternehmen zu lernen», sagt Adrian Brönnimann, Leiter Individualkunden bei der PostFinance und Sponsor des SCF-Labs.

Was ist Working Capital Management?

 

Das WCM befasst sich mit der Steuerung des Netto-Umlaufvermögens als Differenz zwischen Umlaufvermögen und kurzfristigem Fremdkapital. Zentrale Bestandteile sind Forderungen aus Lieferungen und Leistung, Bestände sowie Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistung. Mit steigendem Netto-Umlaufvermögen sinkt die Selbstfinanzierungskraft bei steigenden Kapitalbindungskosten. Durch die Freisetzung von Liquidität wirkt sich das WCM direkt positiv auf den Unternehmenserfolg aus. Gleichzeitig zeigen sich auch indirekte Auswirkungen eines erfolgreichen WCMs über Veränderungen im Anlagevermögen sowie im Gewinn. Einerseits verringert eine spürbare Bestandsreduktion i.d.R. den Bedarf an Lagerflächen und kann somit zu einem Rückgang des Anlagevermögens führen. Andererseits entstehen über Effizienzsteigerungen reduzierte Herstellungskosten (z.B. durch beschleunigte Durchlaufzeiten). Umso wichtiger ist die Operationalisierung des WCMs anhand konkreter Handlungsfelder. Der Cash-to- Cash Cycle als ganzheitlicher Betriebsmittelzyklus ermöglicht eine integrierte Betrachtung anhand von vier Handlungsfeldern (siehe Abbildung). Erschwert wird das Management des Netto- Umlaufvermögens durch die Vielzahl an involvierten Funktionen im Unternehmen und deren oftmals gegensätzlichen Zielsetzungen. So fordert der Vertrieb meist höhere Bestände und längere Zahlungsziele, um die Kundenzufriedenheit nicht zu gefährden, während Logistik und Finanzabteilung versuchen, die Lagerhaltungskosten und Zahlungsziele zu reduzieren. Ähnliche Zielkonflikte ergeben sich auch im Zusammenspiel mit Produktion und Einkauf.

 

KMUs stehen zusätzlich vor der Herausforderung, dass sie meist nicht über die gleiche Marktmacht wie Grosskonzerne verfügen. So verkürzen Letztere ihre Kapitalbindungsdauer oftmals zulasten der vor- und nachgelagerten Partner in der Supply Chain, z.B. indem Zahlungsfristen gegenüber Lieferanten verlängert werden. Die Studienergebnisse zu Performance Excellence im WCM zeigen eine Vielzahl an alternativen Handlungsoptionen auf, die sich unabhängig von den vorgegebenen Zahlungszielen umsetzen lassen.

WCM-Strategie und -Ziele definieren

 

Das Management des Netto-Umlaufvermögens tangiert, wie bereits beschrieben, eine Vielzahl an Funktionen mit oft gegensätzli-chen Zielsetzungen. Um Zielkonflikte zu vermeiden, ist deshalb eine gemeinsame WCM-Strategie mit klaren Vorgaben zu den einzelnen Bereichen des WCMs auch für KMUs unabdingbar.

 

Im Gegensatz zu Grosskonzernen zeichnen sich KMUs durch wesentlich kürzere Wege aus und erleichtern damit die Abstimmung zwischen den einzelnen Funktionen. Eine zusätzliche Organisationseinheit bei KMUs erhöht deshalb meist unnötigerweise die Komplexität. Allerdings erfolgt eine ausgewogene Zielsetzung trotz kürzerer Wege nicht von selbst. Gemeinsame Workshops zur WCM-Strategiefindung helfen dabei eine gemeinsame Sprache und abgestimmte Zielsetzungen zu etablieren.

Auf relevante WCM-Bereiche fokussieren

 

Da das WCM vielfältige Prozesse von der Beschaffung bis zur Distribution umfasst, besteht die Gefahr, sich bei den Verbesserungsbemühungen im Detail zu verlieren. Zudem sind die personellen Ressourcen bei KMUs begrenzt. Entsprechend wichtig ist eine Konzentration auf relevante WCM-Aufgaben und -Prozesse. Nicht immer bieten alle in der Abbildung aufgelisteten Teilbereiche des WCMs das gleiche Potenzial. Umso wichtiger ist eine erste Analyse zur Identifikation von Schwachstellen. Vor allem bei KMUs fehlen hierfür aber häufig explizit definierte Kennzahlen, anhand derer die Leistung im WCM gemessen und die Umsetzung entsprechender Massnahmen eingeleitet wird. Derartige Kennzahlen gehen über die einzelnen Elemente der Kapitalbindungsdauer hinaus. So können Durchlaufzeiten für einzelne Prozessschritte helfen, Fehlerquellen oder umständliche Prozesse zu identifizieren und zu beheben.

 

Konzentration kann aber auch bedeuten, dass Teilprozesse an externe Dienstleister ausgelagert werden, um sich auf die eigenen Kernkompetenzen zu fokussieren. Ein mögliches Beispiel stellt eine Payment Factory durch externe Dienstleister dar. Bis zur Überweisung der fälligen Rechnung an das Unternehmen, werden alle gängigen Prozessschritte vom Dienstleister übernommen (z.B. Rechnungsstellung, Rechnungsversand und Mahnwesen). Insbesondere für Mittelständler geht damit häufig eine Professionalisierung der Prozesse einher, da der externe Dienstleister zusätzliche Fachkompetenzen einbringt.

Innovative Methoden einsetzen

 

Zudem zeigt sich, dass KMUs oftmals auf traditionelle Ansätze im WCM setzen und innovative Methoden, wie z.B. Debitoren- oder Kreditorenplattformen sowie Dynamic Discounting, keine Anwendung finden. Neben Banken gibt es zunehmend neue Dienstleister, die alternative Lösungen zu bisherigen Finanzierungsansätzen anbieten. Dynamic Discounting ersetzt beispielsweise die klassische Staffelung der Skontosätze. Je früher der Kunde bezahlt, desto höher fällt der Skonto-Satz aus. Dadurch kann sich eine frühere Zahlung für den Kunden jederzeit lohnen und nicht erst zum Ablauf des Zeitraums einer Skontostufe. Unterstützt wird dieser Ansatz durch Online-Plattformen, auf denen offene Rechnungen einsehbar sind und wodurch die Transparenz für beide Seiten deutlich erhöht wird.

 

Gemeinsam ist den meisten dieser innovativen Methoden ein hoher Grad an Automatisierung. Dabei bieten standardisierte Automatisierungsangebote, die sich gezielt an KMUs richten, den Vorteil, dass sie mit deutlich geringeren Investitionskosten verbunden sind und sich bereits bei kleineren Volumina rechnen. Ein weiteres Beispiel hierfür ist die Einführung der E-Rechnung, die die Rechnungsstellungskosten erheblich senken kann, aber noch vergleichsweise selten durch KMUs genutzt wird.

Mitarbeiter motivieren und befähigen

 

Nicht zuletzt ist auch die Motivation für das Thema WCM ein entscheidender Erfolgsfaktor. Dabei geht es zum einen um den Aufbau und die Erweiterung einer entsprechenden Know-how-Basis zur Verbesserung der Methodenkenntnisse, z.B. über Schulungen. Dadurch erhalten Mitarbeiter funktionsübergreifendes Wissen, das für eine hohe Leistungsfähigkeit im WCM entscheidend ist.

 

Zudem wird die Motivation durch die Einführung einer zielgerichteten und leistungsorientierten Incentivierung der Mitarbeiter hinsichtlich der WCM-Zielsetzungen gefördert. Werden beispielsweise im Einkauf Mengenrabatte positiv honoriert, resultiert dies in steigenden Beständen und erhöhter Kapitalbindung. Die Berücksichtigung verschiedener Zielsetzungen in der Strategie muss sich folglich auch in der Honorierung und den Zielvereinbarungen für die einzelnen Mitarbeiter widerspiegeln.

 

 

 

 

 

(Visited 347 times, 1 visits today)

Weitere Artikel zum Thema