« KI – ein Reality Check »
Künstliche Intelligenz (KI) prägt die gesellschaftliche sowie wirtschaftliche Transformation inzwischen massiv. «Wir können alle davon profitieren», sind Dalith Steiger und Andy Fitze, Co-Founder von SwissCognitive und KI-Experten, überzeugt. Im Interview mit Management und Qualität sprechen sie über weit fortgeschrittene Lösungen, die auch KMUs in der Schweiz weiterbringen.
Die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte «Schweiz» konnte sich immer wieder durch den Erfindergeist von innovativen Unternehmern und durch Qualitätsmerkmale etablieren. «Unsere Hochschulen, Start-ups, Corporate AI Labs und KMU bilden ein relevantes KI-Ökosystem», sind auch die zwei Managing-Partner und Mitbegründer des mehrfach ausgezeichneten Start- ups «SwissCognitive – The Global AI Hub» überzeugt.
Dalith Steiger und Andy Fitze (siehe Textende S. 6) teilen nicht nur die Leidenschaft für kognitive Technologien, sie setzen sich als Entrepreneure für einen kompetitiven Werkplatz Schweiz und die «jungen Generationen» ein. Hierzu haben die beiden 2019 etwa das Movement CognitiveValley – «One AI Voice for Switzerland» – ins Leben gerufen.
Am «Tag der Schweizer Qualität 2020» zeigen die Unternehmer auf, wieweit die Tech- Giganten fortgeschritten sind, was die intelligente Nutzung von Daten anbelangt.
Was bedeutet das für die Schweizer KMUs? Was ist positiv? Wo liegen die Stolpersteine? Was hat sich aufgrund von Covid-19 verändert? Schliesslich geht es um die Kernfragen: Steigert KI die Qualität unserer Dienstleistungen und Produkte? Und was bedeutet das für die Arbeitnehmenden?
Forschende, Unternehmer, einzelne Spezialisten – wer profitiert von Ihrem Netzwerk?
Dalith Steiger: SwissCognitive «The Global AI Hub» ist eine Kompetenz-Netzwerkplattform zur künstlichen Intelligenz, KI, und steht insbesondere für einen starken Schweizer Werkplatz.
Profitieren können alle Parteien des Ökosystems, unabhängig von deren Maturität im Thema KI. Am meisten profitieren jedoch diejenigen, welche sich aktiv an der Zukunft beteiligen.
Aufklärung über die effektiven Möglichkeiten und die Thematik auf eine fassbare Ebene zu bringen ist unser Ziel.
Andy Fitze: Wir schlagen die Brücken zwischen Wirtschaft, Akademie und Spezialisten. Die breite Diskussion über ethische Herausforderungen und Implikationen auf die Gesellschaft sind uns ebenso wichtig wie das Aufzeigen von realen Chancen für neue Geschäftsfelder. Wir besuchen die Firmen, halten Vorträge und organisieren Workshops für die Unternehmensleitungen, Verwaltungsräte, sowohl für deren Kunden und Mitarbeitende.
Wie geht SwissCognitive vor, um für Unternehmen aller Grössenordnungen den Austausch über KI zu ermöglichen?
Andy Fitze: Unser Credo heisst «Why Wait? Act Now! And Share for Success!». Das sind nicht nur Worte, wir bewegen und ermutigen unsere Kunden, sich mit allen über KI auszutauschen. Und zwar nicht nur über «Best Practice», sondern auch eben über die «Worst Failures», in unseren Workshops geht es also auch darum, wie man Hürden der Digitalisierung überwinden kann. Dalith Steiger: Wir binden unsere Partner aktiv in unser Netzwerk ein, um das Ökosystem rund um KI in der Schweiz zu stärken und zu fördern. Wir sind eine absolut inhaltgetriebene, praktisch orientierte Austauschplattform. Der Austausch findet in unseren eigenen und externen Formaten statt. Am Tag der Schweizer Qualität, am 13. Mai 2020, findet man uns ja am SAQ-Kongress, wo wir auch virtuell als Programmpartner auftreten.
Die Schweiz ist ein Land von KMU und das ist die Stärke unseres Landes. Darum ist es wichtig, dass alle den Zugang zu den kognitiven und smarten Technologien finden. Die Digitalisierung dient den KMU dazu, herkömmliche Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und diese auch intelligenter zu gestalten.
Welche Erfahrungen haben Sie bereits mit KI vor Covid-19 gemacht und wie sind Schweizer Unternehmen seit März 2020 gegenüber KI eingestellt? Dalith Steiger: Innovative Firmen und Experten, die es sich leisten konnten, haben schon vor der Krise teilweise in kognitive Technologien investiert. Nun wurden wir heftig aus unserer Komfortzone herauskatapultiert. Die Bereitschaft für den Einsatz neuer Technologien und innovative Ansätze hat sich erhöht. Firmen, welche sich vorher kaum bis gar nicht mit dem Potenzial der Digitalisierung auseinandergesetzt haben, machen erste Schritte. Wir sehen ein breiteres Einsatzgebiet rund um die Digitalisierung.
Kennen Sie Unternehmen, die von neuen digitalen Hilfsmitteln während der Corona-Krise profitieren konnten?
Dalith Steiger: Ja. Grundsätzlich sind es alle, die mit KI die immens wachsende Menge an Daten zugunsten ihres Geschäfts nutzen. Andy Fitze: Viele Firmen, welche sich bislang kaum um ihr Potenzial mit der Digitalisierung kümmerten, suchen nach neuen Chancen. Da muss bei Weitem noch nicht mal KI darin stecken. Viele Unternehmen mussten jetzt z.B. aus Zwang online gehen, Schulen und Lehrer mussten sich mit den Online-Möglichkeiten auseinandersetzen und diese ohne Testphase einsetzen. Der Pragmatismus des einzelnen Individuums ist gestiegen.
Sehen Sie noch Unterschiede bei der Entwicklung der KI in den einzelnen Regionen der Schweiz?
Dalith Steiger: Wir schauen gerne die Schweiz als Ganzes an. Unsere Kleinräumigkeit ist ein grosser Vorteil. Wir sind ähnlich gross wie das Silicon Valley. Die Wege sind kurz und das Netzwerk stark. Wir können eher von KI-Hotspots sprechen. Wir Schweizer können stolz sein auf die global anerkannten KI-Kompetenzen der ETH/EPFL, der Universität Zürich und Basel, der Hochschule Luzern und Rapperswil, des IDEAP im Welschland und Dalle Molle im Tessin, um nur einige zu nennen. Dazu kommen die diversen Corporate AI Labs.
Andy Fitze: Wir sind überzeugt davon, dass die Schweiz ein führendes Kompetenzzentrum für künstliche Intelligenz werden kann. In Forschung und Entwicklung, in globalen Unternehmen, KMU und Start-ups ist die KI bereits ein wichtiger und anerkannter Faktor in der Schweizer Wirtschaft. Jetzt ist es an der Zeit, dass wir den internationalen Dialog mitbestimmen.
Wir haben 2019 an der EPFL Lausanne das Label CognitiveValley für eine globale AIBewegung initiiert. Die Schweiz und insbesondere Schweizer Fachhochschulen verzeichnen eine wichtige Stimme auf dem globalen KI-Parkett.
Gibt es auch Regeln oder Standards, die sich besonders in der Schweiz bezüglich dem Umgang mit KI-Technologien eröffnen?
Dalith Steiger: Zur Bewältigung der Herausforderungen der KI kommen den Kompetenzen in Bildung und Forschung eine wichtige Rolle zu. Inzwischen gibt es in der Schweiz eine interdepartementale Arbeitsgruppe, welche die Schweizer und Schweizerinnen auf Herausforderungen im Kontext von KI vorbereitet. Im Weiteren ist die Schweiz prädestiniert dazu, der Ort auf der Welt zu werden, an dem über ethische Fragestellungen, Regeln und «Code of Conduct» in Bezug auf die KI, zum Beispiel mit der UNO am Hauptsitz in Genf, debattiert und entschieden wird. Wir geniessen global das Ansehen, neutral und vertrauenswürdig zu sein. Wir können die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, um eine Art «Center of Gravity » in den Diskussionen rund um ethische und moralische Fragestellungen zu werden.
Wie sehen für Sie Zukunfts-Szenarien für die Entwicklung von KI in der Schweiz aus – was die Schweizer Wirtschaft im Allgemeinen betrifft?
Andy Fitze: Wir verfügen schon über gute industrielle Anwendungen der KI, jetzt ist die richtige Zeit, um auf den Zug aufzuspringen, unsere Produkte und Dienstleistungen smart zu machen. Neben dem Optimierungspotenzial und der Effizienzsteigerung öffnen uns die neuen Technologien die Möglichkeit zu neuen Industrien mit hohem Exportanteil. Dies wiederum wird unser BIP steigern können und unseren Werkplatz für die nächsten Generationen nachhaltig stärken.
Die Geschwindigkeit in anderen Ländern wird erhöht, und unsere KMU können die Chance jetzt packen. Zum Beispiel können die Verbände die KMU in diesem Bereich fördern. Wichtig dabei ist auch herauszufinden, was die sinnvollen ersten Schritte sein können.
Hat KI noch einen schwierigen Stand bei der Schweizer Bevölkerung – zum Beispiel was das Vertrauen in die neue Technologie oder mögliche Sicherheitslücken angeht?
Andy Fitze: Vertrauen in Technologien und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft sind sehr wichtige Voraussetzungen für dessen Entwicklung und Implementation. Die Schweizer Bevölkerung möchte die Dinge verstehen und technologische Debatten austragen. Wie es sich zum Beispiel in Themen wie der Frequenzauswirkung bei G5 zeigt. Die Bevölkerung kümmert und interessiert sich dafür. Die Maturitätsentwicklung braucht jedoch viel Zeit und intensive Aufklärung.
Dalith Steiger: Wenn wir global kompetitiv sein und hiesige Industriezweige mit kognitiven Technologien aufbauen möchten, müssen wir den Prozess beschleunigen. Die Bereitschaft neue Technologien einzusetzen, ist Voraussetzung hierfür. Die Corona-Zeit bringt uns zusätzlich unter Druck. Wir sind gezwungen, wirtschaftlich zu handeln und Vorschussvertrauen zu gewähren. Jetzt heisst es handeln. Wo vorher viel Unwissenheit und Skepsis war, finden wir heute Offenheit und erhöhte Innovationsbereitschaft.
Nun ist es die Aufgabe von jedem von uns, unsere und die Zukunft unserer Wirtschaft intelligent mitzugestalten.