Ist Donald Trump ein Risiko?
Das diesjährige Alpensymposium in Interlaken stand unter dem Motto „Think big. Create the future“. Doch vor allem am ersten Vormittag der zweitägigen Veranstaltung standen ganz andere Themen im Zentrum.
Das Panel der Referenten des Vormittags vom 10. Januar 2017 hatte es in sich. Zunächst zeichnete Guy Verhofstadt, ehemaliger belgische Premierminister und Kandidat für das Präsidium des EU-Parlaments, ein eher düsteres Bild der EU. Er blickte zurück auf 2016, das gleichsam als „annus horribilis“ für die Union in die Geschichte eingehen könnte: Brexit, Flüchtlingskrise, die immer noch nicht bewältigte Finanzkrise, wachsender Populismus etc. Er wies auf einige institutionelle Probleme der EU hin und verwies darauf, wie es etwa die USA geschafft haben, die Finanzkrise zu bewältigen: Innert neun Monaten hätten sie den Finanzsektor aufgeräumt und sogar wieder eine Investitionsphase starten können. Europa hingegen diskutiere immer noch. „Wir sind nicht einmal in der Lage, einen Rettungsfonds zu schaffen“, so Verhofstadt vor dem Alpensymposium-Publikum. Und weiter: „Unsere Institutionen in Europa sind nicht geschaffen für Krisensituationen!“ Das Problem: Kleine Parteien sind in der Lage, ganze Prozesse zu blockieren, wie etwa das Beispiel CETA gezeigt hat, als in Belgien die Wallonen es fast geschafft haben, dieses Vertragswerk für den Freihandel mit Kanada zu verhindern.
Fasst man die Ausführung von Guy Verhofstadt zusammen, ist eigentlich die Handlungsunfähigkeit der EU das grösste Risiko für die Zukunft Europas. Es fehle etwa eine gemeinsame Aussen- und Verteidigungspolitik, zumal die Signale aus Washington darauf hindeuten, dass inskünftig auf amerikanische Unterstützung nicht mehr gezählt werden könne. Es müssten endlich mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um etwa die gemeinsamen Schengen-Aussengrenzen besser sichern zu können. Nur „bessere Koordination“ unter den Staaten reiche da nicht aus, so Verhofstadt bitter. Nahost-Experte Ulrich Tilgner – der zweite Referent an diesem Dienstag-Vormittag – wies etwa auf den Umstand hin, dass vor allem Tunesien ein grosses Problem mit rückkehrenden IS-Kämpfern hätte. Was, wenn diese weiter nach Europa durchsickern? Allerdings schliesst er – gerade für die Schweiz – eine massive Anschlagswelle aus. Er sieht das Bedrohungspotenzial bei vielleicht „2 bis 3 Anschlägen“, die mittelfristig auch in der Schweiz durchgeführt werden könnten. Deutschland oder Frankreich müssten hingegen mit einigen Terrorakten mehr rechnen.
Und Donald Trump? Über den frisch gewählten US-Präsidenten trug „10vor10“-Moderator und langjähriger USA-Korrespondent des Schweizer Fernsehens Arthur H. Honegger ein paar Fakten zusammen. Trump sei einer, der sich mit allen anlege, so wie er es schon während des Wahlkampfs getan hat. In diesem Sinne könne man nicht von einer neuen Normalität in Washington ausgehen, „there is no normal“, es soll (und wird wohl) „krachen“, wie Honegger ausführte. Amerikas Gesellschaft sei tief gespalten. Auch die Welt von Donald Trump zähle nur entweder Gewinner oder Verlierer. Politisch – so konstatiert Honegger – ist auch nicht mehr von „links“ und „rechts“ die Rede, sondern von „oben“ und „unten“. Gemeint sind dabei aber nicht ökonomische Eliten: „Unten“ stehe bei vielen Populisten derzeit insbesondere die Gesinnungs-Elite, jene Kreise also, die demokratische Werte, Menschenrechte etc. vertreten. Und die Bevölkerung glaube einfach jenen, die man selbst unterstützt – unabhängig davon, ob Fakten auch mal einfach erfunden sind. Arthur H. Honegger zog denn auch ein düsteres Fazit: „Ich bin nicht sonderlich optimistisch, was die nächsten vier Jahre angeht“.
Auf der anderen Seite muss gerade Europa nun die Gelegenheit wahrnehmen, „das eigene Haus in Ordnung zu bringen“, wie Guy Verhofstadt es ausdrückte. Denn es sei ja nicht die europäische Idee, die unpopulär ist in den Bevölkerungen, sondern die Art und Weise, wie die EU arbeitet. So gesehen kann die Präsidentschaft Donald Trumps oder der Brexit auch als Chance gesehen werden, nicht nur als ein Risiko.