Internationale Gültigkeit von Zertifikaten

International tätige Unternehmen sind auf eine zweifelsfreie Anerkennung ihrer Zertifikate im Ausland angewiesen. Eine internationale Zertifizierung aus einer Hand erleichtert das wesentlich. Welche Kriterien sind für die Anerkennung wegleitend, und welche Mechanismen wirken hier ein? Zwei global erfahrene Exponenten geben Auskunft.

Internationale Gültigkeit von Zertifikaten

 

 

 

Was braucht es für die Anerkennung von Zertifikaten auf internationaler Ebene?
Im Wesentlichen braucht es dazu drei Grundvoraussetzungen, nämlich: die gute Reputation der Zertifizierungsstelle, ihr Geschäftsmodell mit geeigneter internationaler Vernetzung und die verlässliche Einrichtung und Aufrechterhaltung der international anerkannten Akkreditierung. Es ist also eine Kombination von Fähigkeiten aus dem Geschäftsmodell, den Auditkompetenzen und der Umsetzung regulatorischer und normativer Kriterien. Die Fähigkeiten basieren auf festgelegten und gelebten Unternehmenswerten, so dass die Dienstleistungen der Zertifizierungsstelle Kundenbedürfnisse optimal treffen und sie für Kunden immer wieder erlebbar machen.

 

Welche Stellen – Behörden, Organisationen, Verbände – sind eigentlich am Entscheid über die Gültigkeit beteiligt?
Die Gültigkeit eines Zertifikats liegt im Verantwortungsbereich der Zertifizierungsstelle. Damit gültige Zertifikate mit einer breiten Anerkennung ausgestellt werden können, braucht es aber eine ganze Reihe technischer Voraussetzungen, auf die wir kurz eingehen: Zertifizierungstätigkeiten sind durch Normen und zusätzliche Vorgaben von Akkreditierungsinstitutionen stark reguliert. Dies unabhängig davon, ob es sich um freiwillige oder um gesetzlich geforderte Zertifizierungen handelt (zum Beispiel Marktzulassung von Produkten anhand von EU-Richtlinien und Verordnungen im europäischen Binnenmarkt).

 

Die Entscheidungskette über die Gültigkeit der Zertifikate entspricht quasi einer Kaskade, basierend auf Normen der ISO, internationalen Akkreditierungsvorgaben, nationalen Akkreditierungsausführungsbestimmungen und allenfalls zusätzlichen marktspezifischen Regulierungen. Den letzten Entscheid über die wahrgenommene Gültigkeit respektive Anerkennung eines Zertifikats fällen aber schliesslich die Marktteilnehmer, nach eigenen Überzeugungen und Präferenzen.

 

Welche wichtigsten Mechanismen spielen in diesem Entscheidungsprozess eine Rolle?

 

ISO-Normen aus der Normenreihe ISO 17000 beinhalten die grundlegenden Vorgaben an die Organisation und an die Prozesse einer Zertifizierungsstelle. Diese Normen werden auch als kompetenzbasierte Normen bezeichnet. Sie dienen Akkreditierungsstellen weltweit dazu, den erfolgreich begutachteten Zertifizierungsstellen die «erforderliche Kompetenz» mittels Akkreditierung zu bestätigen. Die SQS ist seit jeher in die Erstellung dieser Normen aktiv involviert.

 

Akkreditierungsstellen sind international und teilweise auch regional zusammengeschlossen. Aufbauend auf den ISO-17000er-Normen erlassen sie ihre eigenen detaillierten Ausführungsbestimmungen und Richtlinien zur harmonisierten Durchführung von Akkreditierungen. Bekannt sind diese Vorgaben zum Beispiel beim International Accreditation Forum als IAF-Mandatory-Dokumente oder bei der European-Accreditation als verpflichtende EA-Dokumente. Diese Vorgaben dienen also bei Akkreditierungen als zusätzliche Begutachtungsbasis.

 

Die anerkannten oder die um Anerkennung bemühten Akkreditierungsstellen sind in der Regel Mitglied beim International Accreditation Forum (IAF) und oder bei einem regionalen Akkreditierer-Verbund wie der European Accreditation (EA). Oder sie verfügen über eine vertragliche Zusammenarbeit mit einer dieser IAF / EA-involvierten Akkreditierungsstellen mit dem Ziel, durch gleichwertige Akkreditierungspraxis den Anerkennungslevel im Markt zu ermöglichen. Umfassendste weltweite Anerkennung hat eine Akkreditierungsstelle insbesondere dann eingerichtet, wenn sie innerhalb der IAF nicht nur Mitglied ist, sondern für die bestehenden Zertifizierungsschemen ein IAF-Peer-Evaluationsverfahren erfolgreich durchlaufen hat und die entsprechenden Multilateral-Agreements besitzt. Alternativ kann die Akkreditierungsstelle mit einer IAF / EAAkkreditierungsstelle entsprechend kooperieren. Diese Agreements machen die Anerkennung sichtbar und beinhalten nach IAF-Regeln die gegenseitige Anerkennung von Akkreditierungen durch IAFMitgliederorganisationen. Daraus lässt sich ableiten, dass der Markt die Anerkennung von Zertifikaten, welche nicht diesen Regeln unterliegen, tiefer gewichtet oder sogar negieren kann. Die European Accreditation hat ein äquivalentes Verfahren eingerichtet.

 

Auf der letzten Stufe – auf der Regulierungsstufe – steht die nationale Akkreditierungsstelle (in der Schweiz die SAS, in Liechtenstein die LAS). Sie führt Begutachtungen nach obigen Regeln bei ihren Zertifizierungsstellen durch und basiert dabei nicht selten auf einer Reihe von zusätzlichen nationalen Ausführungsbestimmungen und Detailvorgaben. In der Schweiz fusst diese Aktivität auf der Akkreditierungs- und Bezeichnungsverordnung, AkkBV vom 17. Juni 1996 (Stand am 20. April 2016).

 

Bei der nationalen Umsetzung internationaler Akkreditierungsregeln haben Verbände oder interessierte Parteien die Möglichkeit, angehört zu werden. Dieser Mechanismus ist allerdings trotz dem Bestehen eines SAS-Zertifizierungskomitees in der Schweiz noch schwach ausgeprägt. Er wird von der Akkreditierungsstelle derzeit noch zu wenig gefördert. Zudem ist die Materie der Akkreditierung für viele Akteure abstrakt, wenig geläufig und stösst deshalb nicht immer auf grosses Interesse. Das wäre allerdings wünschbar, weil in der ganzen Regulierungskaskade ein latentes Risiko besteht, dass Vorgaben aus ausländischen Interpretationen einfach übernommen werden, ohne die negativen Konsequenzen für die eigenen Wirtschaftsakteure genügend auszuklammern oder zu verhindern (zum Beispiel Formalismus, überbordende Kontrollen, Regulierungen aus unzureichenden Konsensmechanismen). Das erhöht die Gefahr künstlich aufgeblähter Akkreditierungsstrukturen und teurer Verfahren unter dem Vorwand internationaler Verpflichtungen.

 

Welche SQS-Zertifikate haben nicht nur nationale, sondern auch internationale Ausrichtung und Gültigkeit?
Grundsätzlich ergibt sich die Ausrichtung nach der Herkunft und dem Anwendungsbereich der zugrundeliegenden Norm respektive dem jeweils eingesetzten Zertifizierungsschema. Dazu kommen eigene Marktpräferenzen der Zertifizierungsgesellschaft aufgrund der erwarteten Marktnachfrage.

 

Es gibt nationale Zertifizierungsschemen und entsprechende Spezifikationen, die eindeutig auf ein bestimmtes Land beschränkt sind. Dazu zählen zum Beispiel in der Schweiz VDSZ-Datenschutzzertifizierungen (VDSZ) nach aktualisierter Verordnung vom 1. November 2016. Eine Übersicht über eher national ausgerichtete Schemen findet sich auf www.sqs.ch (unter Leistungsangebot und Rubrik Nationale Schemen oder Labels). Die zertifizierten Managementsysteme nach internationalen ISO-Normen haben in der Regel eine grössere internationale oder globale Reichweite. Insbesondere zertifizierte Systeme zu Qualitäts- und Umweltmanagement, Energiemanagement, Arbeitssicherheit- und Gesundheitsschutz haben eine klare internationale, ja gar globale Ausrichtung. Dazu können auch industriespezifische Qualitätsmanagementsysteme gezählt werden (zum Beispiel Automobil IATF 16949 oder Luft- und Raumfahrt EN 9100).

 

 

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