Internal Innovation Scouting

In Zeiten zunehmender Marktdynamik und kürzer werdender Innovationszyklen fragen sich viele Unternehmen: Wie können wir das kreative Potenzial unserer eigenen Mitarbeiter besser nutzen? Denn es gibt sie in jeder Organisation: Leute, die das radikal Neue nicht nur denken, sondern auch umsetzen wollen.

Internal Innovation Scouting

 

 

 

 

Um das kreative Potenzial der Mitarbeiter im Unternehmen zu nutzen, wird von Unternehmen gerne das Betriebliche Vorschlagswesen (BVW) genutzt. Generell ist das BVW ein eher reaktives Instrument, das Ideen im Unternehmen aufzuspüren versucht und dabei auf extrinsische Motivation, also auf äussere Anreize wie zum Beispiel Belohnungen, setzt. Es ist im Wesentlichen für das Aufspüren inkrementeller, also kleinschrittiger Verbesserungen geeignet und daher eher im Bereich von Produktion und Qualitätsmanagement als im Bereich Forschung und Entwicklung angesiedelt. Das betriebliche Vorschlagswesen wird aber auch schnell zum «Vorschlagsverhinderungswesen », wenn beispielsweise die Bearbeitungszeiten zu lang sind oder die Vergütung unklar ist.

Intern auf die Suche gehen

 

Für das Aufspüren radikaler Neuerungen bedarf es eines anderen Ansatzes, der in diesem Artikel als «Internal Innovation Scouting» bezeichnet wird. Der Scouting-Ansatz setzt im Gegensatz zum BVW auf das Aufspüren von sogenannten Intrapreneuren, die aus intrinsischer Motivation oder aus inne-

 

Wie bei einem guten Eintopf

 

rem Antrieb heraus an einem Thema arbeiten. Dieser aktive Ansatz versucht, über Vernetzung und Förderung dieser Intrapreneure radikalere Ideen für das Unternehmen aufzuspüren. Er ist komplementär zum externen Innovation Scouting zu verstehen, das auf Basis von Trends nach neuen Innovationsstossrichtungen oder im Rahmen von Open Innovation nach neuen Technologien und Innovationen ausserhalb des Unternehmens sucht.

Intrapreneure aufspüren

 

Die amerikanische Kreativitäts- Forscherin Teresa M. Amabile sagt: «Kreativ sein ist wie Eintopf kochen. » Wie bei einem wohlschmeckenden Eintopf brauche man bei der Kreativität drei Zutaten:

 

  • Die Grundzutat, das Fleisch oder Gemüse beim Eintopf, ist das Fachwissen: Wer auf einem bestimmten Gebiet nichts weiss, kann auch nichts Kreatives leisten. 
  • Die Gewürze oder Kräuter, die den Geschmack der Grundzutat erst so richtig zur Geltung bringen, sind die kreativen Denkfertigkeiten, durch die aus dem vorhandenen Fachwissen neue Ideen erzeugt werden: Ohne die nötige geistige Flexibilität bleibt alles bei der alten Routine und es entsteht nichts Neues.
  • Das Feuer unter dem Suppentopf schliesslich ist die Leidenschaft bzw. intrinsische Motivation für eine Sache: Man kann nicht kreativ sein, wenn man eine Sache nicht gerne tut.

 

Diese Erkenntnisse mögen nicht besonders neu sein. Erstaunlich ist aber, was Teresa M. Amabile in ihrer wissenschaftlichen Forschung herausgefunden hat: Leidenschaft kann bis zu einem gewissen Grade den Mangel an Wissen und Kreativität wettmachen. Beim Innovation Scouting kommt es daher darauf an, genau die Mitarbeiter, die sprichwörtlich für eine Sache brennen, zu identifizieren und aktiv in den Innovationsprozess einzubinden: die sogenannten Intrapreneure.

Schlummerndes Potenzial

 

Der Begriff «Intrapreneur» wurde bereits in den 80er-Jahren von Gifford Pinchot ersonnen (siehe Kasten). Er beschreibt damit Mitarbei-

 

Der Motor Leidenschaft

 

ter eines Unternehmens, die sich im Unternehmen wie Entrepreneure verhalten, also unternehmerisch agieren, anstatt auf Anweisungen zu warten. Auf eine kurze Formel gebracht, sind Intrapreneure «Dreamers who do». Der Begriff «Dreamers» betont dabei, dass sie die Vision von einer besseren Zukunft in sich tragen. Intrapreneure sind daher lösungsorientiert, in Sachfragen wenig kompromissbereit und offen und direkt in der Ansprache von Problemen. Heute würde man solch unbequeme Zeitgenossen vielleicht mit dem Begriff «Querdenker» bezeichnen. Dies allein ist aber nicht ausreichend, da ihre Leistung ansons-ten nicht über Tagträume und Luftschlösser oder im schlimmsten Fall über destruktives Genörgel hinausginge. Durch das Verb «to do» im angeschlossenen Nebensatz wird angedeutet, dass sich Intrapreneure darüber hinaus auch durch Aktion hervortun: Intrapreneure handeln oft ohne Erlaubnis, überschreiten dabei fachliche und funktionale Grenzen und bekommen daher Ärger wegen ihres Tuns, nicht wegen ihres Nichtstuns. Sie sind also Menschen, die lieber um Verzeihung bitten als um Erlaubnis. Dadurch grenzen sie sich von Mitarbeitern ab, die einfach nur «faul» sind, da diese den Ärger wegen ihres Nichtstuns bekommen. (Grafik 1)

Akteure gezielt fördern

 

Die beschriebenen Eigenschaften helfen beim Aufspüren von Intrapreneuren. Und die im Unternehmen aufgespürten Intrapreneure sollten anschliessend gefördert werden. Dies kann zum einen durch gezielte persönliche Weiterentwicklung geschehen, etwa Coaching und Feedback für ihre Ideen oder Training in Workshops und Seminaren, um ihnen weiteres Rüstzeug, zum Beispiel «Wie erstelle ich einen Business-Plan?», für ihre Intrapreneurs-Tätigkeit zu vermitteln. Zum anderen kann man Intrapreneure durch Vernetzung und Erfahrungsaustausch fördern. Denkbar ist hier, den Kontakt zu internen Sponsoren und externen Facilitators aufzubauen oder eine Community of Practice für Intrapreneure zu gründen. Ausserdem sollte man Intrapreneuren Anerkennung zollen, um eine entsprechende Innovationskultur im

 

Anerkennungzollen

 

Unternehmen zu etablieren. Dies sollte nicht nur Anerkennung für erfolgreiche Vorhaben beinhalten, sondern ebenfalls Anerkennung für mutige, aber misslungene Versuche, etwa einen «Dared to try»- Award. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Mitarbeiter auf Nummer sicher gehen und sich keinen grossen Herausforderungen mehr stellen.

Führung in kreativen Unternehmen

 

In ihrem Artikel «The Bias Against Creativity: Why People Desire But Reject Creative Ideas» zeigen die amerikanischen Forscher Jennifer S. Mueller, Shimul Melwani und Jack A. Goncalo in zwei Experimenten, dass Menschen eine implizite Abneigung gegen Kreativität haben, obwohl sie sich explizit dazu bekennen. Sie führen diese Abneigung auf die der kreativen Idee zugrundeliegende Unsicherheit zurück.

 

Die Forscher ziehen aus diesem Ergebnis folgendes Fazit: Wenn Individuen eine implizite Abneigung gegen Kreativität haben, dann kann man davon ausgehen, dass Organisationen diese auch aufweisen, auch wenn sie explizit anderes kommunizieren. Ausserdem sollte das Ergebnis ein Anstoss für den Umgang mit Kreativität sein. Der Fokus sollte von der Frage, wie man möglichst viele neue Ideen erzeugen kann, übergehen zur Frage, wie man Organisationen helfen kann, Kreativität zu erkennen und zu akzeptieren.

 

Diese Erkenntnis bringt uns zum zweiten Faktor des internen Innovation Scouting – neben dem Aufspüren und Fördern von Intrapreneuren –, den neuen Führungsprinzipien, die für ein kreatives Unternehmen wichtig sind. Die amerikanischen Wissenschaftler Alan G. Robinson und Sam Stern bezeichnen in ihrem Buch «Corporate Creativity» ein Unternehmen als kreativ, wenn die Mitarbeiter des Unternehmens etwas Neues und potenziell Nützliches ausprobieren, ohne dass sie direkt dazu angewiesen wurden. In Anlehnung an die beiden Autoren kann man folgende Führungsprinzipien herausstellen, mit denen ein Unternehmen kreativer werden kann.

 

  • Stringente Ausrichtung Jedem Mitarbeiter müssen Unternehmensvision und Innovationsziele klar sein. Dies bedingt eine klare Kommunikation der Innovationsziele, ein Bekenntnis der Führung zu Initiativen, die die Innovationsziele fördern, und Rechenschaft für Handlungen, die sich auf die Innovationsziele auswirken. Und natürlich bedingt es auch, dass man überhaupt Innovationsziele hat.
  • Fördernde Anregung Viele Innovationen verdanken ihre Entdeckung einem glücklichen Zufall. Doch dies ist nur die eine Seite der Gleichung. Bereits Louis Pasteur sagte: «Chance favors only the prepared mind.» Um den glücklichen Zufall für eine Innovation zu nutzen, bedarf es der Urteilskraft durch die Mitarbeiter des Unternehmens. Für die Kombination aus glücklichem Zufall und Urteilskraft prägte Horace Walpole 1754 den Begriff «Serendipity» (nach dem persischen Märchen «The Three Princes of Serendip»). Ein Unternehmen kann sich das Serendipity- Prinzip zunutze machen, indem es seinen Mitarbeitern neue Anregungen verschafft und sie dann zu ungehinderter Eigeninitiative anregt.
  • Ungehinderte Eigeninitiative Kreative Freiräume ermöglichen selbstinitiierte und inoffizielle Experimente. Wie bereits oben erwähnt, ist Leidenschaft immens wichtig für Kreativität. Selbstinitiierte Experimente bedeuten, dass die Mitarbeiter Dinge ausprobieren, für die sie eine Leidenschaft spüren (intrinsische Motivation). Ideen, die zu radikalen Innovationen führen könnten, gleichen rohen Eiern. So ein rohes Ei kann unheimlich schnell zerstört werden, wenn es auf die harte Realität aus bestehenden Kundenbedürfnissen, Marktdaten und Unternehmenskennzahlen trifft. Es empfiehlt sich daher, für radikal neue Ideen einen geschützten Bereich zu schaffen, damit sie sich erst einmal bewähren können. Inoffizielle Experimente, die nicht unter der Lupe des Managements stehen, schaffen eine Art Brutkasten oder Gewächshaus für neue Ideen – ein «Innovation Greenhouse». 

 

CorporateCreativity

 

Beste Beispiele für die Umsetzung von ungehinderter Eigeninitiative sind die Kreativzeit, die Google seinen Mitarbeitern einräumt, um an eigenen Projekten zu arbeiten, und das «Skunkworks-Project» für den ersten Apple-MacIntosh-Computer.

 

  • Offene Kommunikationskanäle Offene Kommunikationskanäle er-füllen zwei Funktionen. Zum einen ermöglichen sie den Wissens- und Ideenaustausch zwischen Intrapreneuren sowie zwischen Intrapreneuren und Unternehmensexperten. Zum anderen ermöglichen sie es, inoffizielle Experimente zum richtigen Zeitpunkt in offizielle F&E-Projekte umzuwandeln.

Führen durch Nichteinmischen

 

Um das kreative Potenzial des eigenen Unternehmens besser zu erschliessen, ist also von Seiten des Managements ein zeitweiliger gezielter Kontrollverlust und ein aktiver Vertrauensvorschuss an die Mitarbeiter notwendig. Der deutsche Innovationsexperte Jens-Uwe Meyer spricht in diesem Zusammenhang von «Katalysatorischer Führung». In seinem Buch «Kreativ trotz Krawatte» beschreibt er, wie sich die Rolle des Managers wandelt: weg von der Kontrolle hin zu einem Katalysator für neue Ideen.

 

Vertrauen statt Kontrolle

 

Ähnlich einem Katalysator in der Chemie soll eine Führungskraft die Reaktionsgeschwindigkeit für Ideen erhöhen.

 

In seinem Buch «Der Querdenker- Faktor» nennt der Stanford-Professor Robert I. Sutton diesen Führungsstil «Führen durch Nichteinmischen » und empfiehlt folgende schräge Idee zur Umsetzung: «Fördern Sie die Innovationskraft Ihrer Mitarbeiter, indem Sie sie ermuntern, ihre Vorgesetzten zu ignorieren und sich ihnen zu widersetzen. » Er bringt damit auf den Punkt, was mit dem Begriff «Internal Innovation Scouting» beschrieben wird: das Aufspüren und Fördern von Intrapreneuren und die Freisetzung von Unternehmenskreativität durch die Umsetzung der beschriebenen Corporate Creativity-Prinzipien.

 

 

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