Innovative Produkte durch Kooperation auf Augenhöhe
Die Digitale Transformation bringt neue Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle hervor. Ein neues Whitepaper des Fraunhofer Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA beschreibt eine neuartige Form einer gleichrangigen Kooperation mehrerer Unternehmen, die auf ein spezifisches visionäres Wertangebot ausgerichtet ist: das Struktur-Business-Ecosystem.
Die Digitalisierung verändert die Wirtschaft grundlegend. Weil sie Produkte und Dienstleistungen vernetzt, entstehen neue Geschäfts- und Organisationsmodelle. Aber sie
verändert auch das Nutzerverhalten und das Nutzenverständnis (empfundener Mehrwert) der Kunden. Die Kunden wünschen neue, meist umfassendere Lösungen. Unternehmen müssen auf den raschen Wandel reagieren, um nicht im Abseits zu landen. Sie sind gezwungen, auch Leistungen ausserhalb ihres Kerngeschäfts anzubieten. Oft müssen branchenfremde Leistungen in ein wettbewerbsfähiges, kundenorientiertes Systemangebot einbezogen werden.
Konkurrenz von Quereinsteigern
Auch der Maschinenbau bekommt den Umgestaltungsprozess der Digitalen Transformation zu spüren. Nicht nur dass die herkömmlichen Wertschöpfungsketten an
Bedeutung verlieren, den Unternehmen erwächst auch Konkurrenz von unerwarteter Seite, von Quereinsteigern. Ein Ausweg ist die Kooperation mehrerer Unternehmen, die unterschiedliche Schwerpunkte haben oder sogar unterschiedliche Branchen abdecken. Gemeinsam sind sie in der Lage, ganz neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen. Um ein Systemangebot für individuelle Zelltherapien anzubieten, könnte sich ein Unternehmen, das Maschinen für die Pharmabranche herstellt, mit verschiedenen Partnern zusammentun: zum Beispiel mit Spezialisten für Zelldiagnostik, mit Experten für Regulatorik im medizinischen Bereich oder mit Herstellern von Pharmazeutika und mit Fachleuten für Analytik-Lösungen, die auf Künstlicher Intelligenz basieren. Dadurch entsteht aus den unterschiedlichen Kompetenzen ein innovatives Produkt.
Kooperation bedingt neue Unternehmenskultur
Das Whitepaper fasst die Ergebnisse einer Studie zum Thema Business Ecosystems mit 16 Maschinenbauern und die Erkenntnisse der Dissertation von Richard E. Geitner
zur Gestaltung von Struktur-BES zusammen. Es wird aufgezeigt, warum die Bildung eines Struktur-BES, insbesondere im Zusammenhang mit einer konsequenten Kundenorientierung von Unternehmen, eine strategische Option eines hochflexiblen Wertschöpfungssystems für innovative branchenübergreifende Wert- und Systemangebote ist. Es werden die Chancen und die spezifischen Merkmale dieser Kooperationsform thematisiert.
Es skizziert auch das grundsätzliche Vorgehen zur Gestaltung einer entsprechenden Kooperation. Allerdings setzt die Struktur-BES eine neue Unternehmenskultur voraus.
Bisher sind Kooperationen meist vertikal strukturiert: Ein Unternehmen gibt die Richtung vor, die anderen arbeiten zu. Die neue Art der Zusammenarbeit basiert auf Gleichberechtigung. Jeder Teilnehmer steuert einen substanziellen Beitrag zum gemeinsamen Produkt bei – und alle Teilnehmer profitieren davon.
Trotz Risiken: Vorteile überwiegen
Natürlich birgt die Zusammenarbeit auf Augenhöhe auch Risiken. Unternehmer müssen ihr Misstrauen anderen Unternehmen gegenüber überwinden. Sie dürfen keine Angst davor haben, dass ihr Know-how in falsche Hände gerät oder sie von vermeintlichen Partnern übervorteilt werden. Insgesamt überwiegen aber die Vorteile. Nicht nur, dass man innovative Produkte anbieten und sehr flexibel auf veränderte Kundenwünsche eingehen kann. Auch die Investitionen halbieren sich – oder fallen sogar ganz weg, wenn der Partner bereits über das nötige Know-how verfügt. Diese Vorzüge sehen auch die Maschinenbauunternehmen, die sich an der Studie beteiligt haben. Mehr als 90 Prozent von ihnen halten gemeinsame Angebote für »zunehmend relevant«.
Quelle: Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA