In Nischenmärkten auf Wachstumskurs
Die inhabergeführte Kistler Group prägt durch ihre einzigartige Sensortechnologie zukünftige Innovationen in der Automobilindustrie und Industrieautomation sowie zahlreichen aufstrebenden Branchen. Mit breitem Anwendungswissen und der abso- luten Verpflichtung zur Qualität leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwick- lung aktueller Themen wie elektrifizierte Antriebstechnologie, Emissionsreduktion oder Industrie 4.0. CEO Rolf Sonderegger gibt Einblick.
Herr Sonderegger, Ihr Unternehmen wird in der Schweiz als «Hidden Champion» wahr genommen. Wieso das?
Unsere Produkte werden u.a. in der Motoren- entwicklung und -überwachung sowie Fahr- zeugtechnik eingesetzt. Die Auto-Industrie ist einer der wichtigsten Märkte für Kistler. Daher haben ausländische Absatzmärkte eine hohe Relevanz für uns: 98 Prozent der am Hauptsitz in Winterthur hergestellten Produkte werden exportiert. Die verstärkte Entwicklungsarbeit fordert einen hohen Bedarf an qualifizierten Mitarbeitenden. In der Schweiz positionieren wir uns daher in erster Linie als Arbeitgeber, der Talente und Fachkräfte sucht und ihnen Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Wir pfle- gen enge Kontakte zu Universitäten und Hoch- schulen und bieten Praktikumsplätze an. Un- ser Bezug zur ETH ist Teil unserer Firmen- geschichte, hat aber auch einen personellen Aspekt: Der Präsident der Hochschule ist Mit- glied des Verwaltungsrats der Kistler Gruppe.
Kistler ist «Weltmarktführer in der dynami schen Messtechnik zur Erfassung von Druck, Kraft, Drehmoment und Beschleunigung» …
Ja, Kistler misst extrem rasche Vorgänge – und das in einem ausgeprägt internationalen Wettbewerb. Unser Geschäftsmodell ist nicht vorrangig auf Produkte, sondern auf Lösun- gen für spezifische Anwendungen am Markt ausgerichtet. Internationale Wettbewerber begegnen uns deshalb nicht im Gesamt- markt, sondern in den einzelnen Anwen- dungsfeldern. Die Fokussierung auf verschie- dene Nischenmärkte zeichnet unsere Strate- gie aus. Das umfassende Portfolio kommt in Bereichen wie der Motorenentwicklung und-überwachung, Fahrzeugtechnik, Kunststoff- und Metallverarbeitung sowie Montagetech- nik und Biomechanik zum Einsatz.
«Vorsprung durch Innovation» lautet Ihre Devise …
Pro Jahr werden etwa sechs neue Anwen- dungsfelder auf ihre Eignung für Kistler ge- prüft. Je nach Chancen- und Wachstumspo- tenzial investieren wir in den Markteintritt. Unsere «Innovation Machine» basiert auf einem geführten und strukturierten Prozess, der im Jahresverlauf durch klar definierte
«Gates» hindurch muss.
Hier drei Beispiele:
– Auf der Grundlage der piezoelektrischen Messtechnik hat Kistler vor einigen Jahren das neue Geschäftsfeld der dynamischen Achslastwägung «Weigh in Motion» entwi- ckelt. Wir lancierten ganz neue Produkte im Markt, die wesentlich einfacher in der Anwendung (Einlage in die Strasse) und markant günstiger sind als Bestehendes. Das schlug sehr rasch erfolgreich ein.
– Die Technologie von Kistler ist auch in der Formel 1 zu Hause: Messungen des Zylin- derdrucks stellen sicher, dass der Fahrer jederzeit die maximale Motorenleistung zur Verfügung hat.
– Und ein Beispiel aus der Marktnische «bio- mechanische Anwendungen»: Im Spitzen- sport finden sich die von Kistler instru- mentierten, hochsensiblen Startblocks für Sprinter und Spitzenschwimmer.
Wie planen Sie Firmenübernahmen?
Wir haben letztes Jahr die Grenze von 2000 Mitarbeitenden überschritten. Mit den bei- den 2018 getätigten Akquisitionen – LIK Me- chanical and Electrical Technology Co., Ltd. in Shanghai und SMETEC Gesellschaft für Sensor-, Motor- und Energietechnik mbH – hat Kistler die eigene Marktposition strate- gisch weiter ausgebaut, vor allem in der opti- schen Messtechnik und der automatisierten Fertigung. Gemeinsam mit unserer M & A- Abteilung legen wir die Strategie und Such- felder für künftige Akquisitionen fest. Unsere Experten beobachten den Markt laufend und haben enge Kontakte. In den letzten Jahren konnten wir so 13 Unternehmen akquirieren. Alle haben sich positiv weiterentwickelt. Da wir über einen Eigenfinanzierungsgrad von über 80 Prozent und substanzielle Barmittel verfügen, finanzieren wir die Transaktionen selbst.
Sie sagen, Spitzentechnologie erfordere «nicht nur Exzellenz entlang der gesamten Messkette, sondern auch ein Qualitätsver sprechen» …
Genau. Wir können dieses Versprechen welt- weit auf höchstem Niveau einlösen, weil wir die ganze Wertschöpfungskette inklusive Vertrieb in eigener Hand haben. Wir arbeiten praktisch ohne fremde Distributoren. Mit den eigenen Leuten ist gesichert, dass die Produkte am Markt fachlich kompetent angeboten werden.
Wie sind die Erfahrungen mit dem Manage mentSystem?
Der Markt diktiert immer wieder neue Zerti- fizierungen. Diesen Vorgaben müssen wir Folge leisten. Das SQS-zertifizierte Manage- mentsystem funktioniert gut, die Zusam- menarbeit mit den Auditoren ebenso. Bei den Audits bin ich als CEO persönlich dabei.
«Digitale Transformation hat oberste Prio rität», lautet ein weiterer KistlerLeitsatz …
Von unserer Produktstrategie her, sind wir schon seit vielen Jahren in diesem Feld unter- wegs. Industrie 4.0 als Teilbereich der Digita-lisierung will die ganze industrielle Wert- schöpfungskette automatisieren. Weil wir im Prozess messen, können wir mit dem Signal diesen Prozess, die Maschine oder die gesam- te Anlage steuern. Wir verstehen Digitalisie- rung als Konzept, weniger als Einzelprojekt.
Wohin steuern Sie in die Zukunft?
Mein Vater war Mitbegründer des Unterneh- mens. Als Ökonom und seit 17 Jahren CEO achte auch ich auf ständige Weiterentwick- lung. Das prägt unsere Firmenhistorie. Bis 2001 waren wir ein klassischer Komponen- tenhersteller. Hohe Produktionskosten und Währungsabhängigkeiten bedingten 2003 die Änderung des Geschäftsmodells und die Posi- tionierung als Systemhersteller. 2011 machten wir mit «Kistler Next» den Entwicklungsschritt als Anbieter kundenspezifischer Lösungen mit dem Ziel, einen Umsatz von 500 Millionen Schweizer Franken zu erreichen. Die neue Organisationsstruktur nach Divisionen und Anwendungen wurde eingeführt. Kistler ist engagiert in der Fahrzeugindustrie, der For- schung und Entwicklung sowie der Produk- tionsüberwachung. Weltweit zählen wir rund 14 000 aktive Kunden. Um zusätzlichen Kun- dennutzen zu generieren, wird das Produkt- portfolio laufend ausgebaut. Derzeit wandeln wir uns erneut, indem wir neben Lösungen vermehrt auch Services anbieten.