«Ich brauche Stabilität im Team»

Mit 22 Jahren gründete Christoph Beyer seine Werbeagentur 3MAL1 in Berlin. «Es war hart in den ersten Jahren, zunächst als Einzelkämpfer. Viele Interessen mussten zurückstehen. Ich wollte jede Chance wahrnehmen. Meine Arbeitszeit betrug zehn, elf Stunden am Tag und oft auch länger. Ich musste lernen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Richtigen Urlaub nehme ich erst seit drei Jahren, weil das Team auch mal drei Wochen ohne mich zurechtkommt. Aber ich wollte selbstständig sein und der Mut von damals hat sich für mich als richtig erwiesen», sagt er.

«Ich brauche Stabilität im Team»

 

 

 

Ein Gespräch über das Selbstverständnis und die Geschäftsauffassung eines jungen Unter­ nehmers:

 

Herr Beyer, Sie sind jetzt 15 Jahre am Markt. Wie wichtig war es, sich ein Netzwerk zu schaffen?
Netzwerk ist für mich ein veralteter Begriff. Es beinhaltet in meinem Verständnis vor allem das Ziel der eindeutigen Akquise. Das ist mir zu engspurig, das will ich nicht. Ich gehe nicht zu Unternehmertreffen, um meine Visiten­ kärtchen zu verteilen, und dies nur unter dem Aspekt, Kunden zu bekommen. Das finde ich überhaupt nicht sinnvoll oder nachhaltig. Ich möchte Menschen und ihre Ansichten ken­ nenlernen, Neues erfahren, Politiker treffen, mir Meinungen anhören, meine eigene Mei­ nung bilden, den Kreis von Menschen, die in­ teressant für mich sind, stetig erweitern. Auch Informationen zu dem Umfeld, in dem ich le­ be und in dem sich die Agentur befindet, sind wichtig für mich. Das Geschäftliche steht erst an zweiter Stelle, spielt indirekt eine Rolle. Es geht mir darum, als Persönlichkeit wahrge­ nommen und akzeptiert zu werden. Wenn ich dabei Anregungen für meine Arbeit erhalte, auch Tipps bekomme, selbst Fragen beantwor­ ten kann, ist das sehr gut und führt dann na­ türlich bestenfalls auch zu neuen Geschäfts­ beziehungen. Ein Kunde engagiert zuallererst den Menschen, mit dem er gut auskommt, der ihm sympathisch ist, der ihn auch inspiriert, dem er schliesslich dann zutraut, seinen Auf­ trag gut zu meistern. Danach vertraut er dem Unternehmen. Auch ich selbst wäge so ab. Wenn die Chemie nicht stimmt, nehme ich ­einen Auftrag nicht an. Dann wird das nichts.

 

Welche Kundenstruktur haben Sie heute?
Ich bin natürlich vor 15 Jahren mit meist klei­ nen Kunden gestartet – selbstständige Einzel­ kämpfer wie ich seinerzeit, kleine Handwerks­ betriebe, Arztpraxen, aber auch schon etliche mittelständische Firmen. Gar nicht wenige der Kunden aus den Anfangsjahren sind noch im­ mer dabei. Inzwischen bemühe ich mich aber vor allem um grössere Unternehmen mit 100 und mehr Mitarbeitern und auch um komple­ xe Aufträge mit Folgeaufträgen. Keiner meiner Mitarbeiter kann heute noch für 500 Euro mehrere Wochen an einer einzigen Website arbeiten. Wir sind oft monatelang mit hoch komplexen Internetplattformen beschäftigt. Unsere Kunden sind in der Regel keine Hipster oder irgendwie besonders «schräg-modern». Sie sind konservativ – und das sind wir auch. Wir passen daher gut zusammen. Ich duze nicht gleich alle, ich selbst liebe ein seriöses Outfit. Unsere Kunden sind seriös und oft schon lange im Geschäft, darunter Wohnungs­ baugesellschaften und Unternehmen, die im weiteren Sinne mit Mobilität zu tun haben. Sie lassen uns sowohl Print- als auch Internet­ aufträge bearbeiten. Wir haben ausserdem als drittes Standbein ein System vor allem für Hausmeisterservices entwickelt.

 

Sie sagten, viele Kunden sind Ihnen seit Jahren treu – was tun Sie dafür?
Im Grunde das Selbstverständliche: Kundenpflege ist gute Beratung, gleichbleibend gute Qualität der Leistungen, Pünktlichkeit, auch Ehrlichkeit, Fairness, Offenheit. Gute Beratung bedeutet immer, sich in die Schuhe des Kunden zu stellen, um ihm die für ihn und seine Ziele passenden Werbemittel empfehlen und vorstellen zu können. Es ist klar, dass es dabei immer auch Trends gibt, die sinnvoll genutzt werden sollten. Als ich mit der Agentur startete, war noch nicht die Rede davon, dass jedes Unternehmen eine eigene Homepage benötigt. Heute ist das für uns eine der Hauptaufgaben. Wer eine Zeitung abonniert hat, weiss aber auch, dass Werbebeilagen, Flyer und Anzeigen noch immer eine grosse Rolle spielen. Beides müssen wir in guter Qualität zum vereinbarten Termin herstellen. Darauf achte ich akribisch.

 

Dennoch werden immer wieder auch Fehler passieren …
Dagegen ist niemand gefeit. Das passiert bei al­ ler Sorgfalt. Unser Prinzip ist, sie gleich zu kom­ munizieren, keine Vertuschungsversuche zu unternehmen, sofort mitzuteilen, wie der Feh­ ler behoben werden kann, und dabei nicht noch Sparversuche zu unternehmen. Wenn mindere Qualität allerdings darauf zurückzu­ führen ist, dass ein Kunde einen Wunsch hatte, der zu einem schlechteren Ergebnis führte – et­ wa bei einem Druckerzeugnis anderes Papier auswählt als vorgeschlagen, oder wenn er zeitli­ chen Druck aufbaute – übernehmen wir keine Garantie und ziehen uns am Ende den Schuh auch nicht an. Auch dies muss dann aber ruhig und sachlich kommuniziert werden. Dann ei­ nigen wir uns über das weitere Vorgehen, über­ nehmen allerdings nicht die ganzen Kosten. Es muss immer für beide Seiten passen.

 

Jede Branche pflegt ihre eigene Fachsprache. Das hat sich in der Werbung noch durch die digitalen Möglichkeiten verstärkt. So mancher Marketingexperte macht sich damit vielleicht auch ein bisschen wichtig.
Was ein Kunde nicht verstanden hat, wurde ihm schlecht kommuniziert. Das führt dann zu falschen Ergebnissen auch in unserer Ar­ beit, zu tausend Nachfragen, zu schlechter Laune auf allen Seiten. So etwas können und wollen wir uns nicht leisten. Wer versucht, sich mit «Marketingsprech» aufzublasen und zu beeindrucken, baut kein Vertrauen auf – eher im Gegenteil.

 

Der erste Ansprechpartner für jeden Kunden bin ich. Das ist Chefsache, wie es auch für den Kunden in der Regel Chefsache ist. Es sind ja inzwischen durchaus grössere Summen im Spiel. Ich nehme mir vor allem für die ersten Kundengespräche viel Zeit. Es geht mir dabei nicht nur darum, darzustellen, was wir leisten können. Ich selbst will auch verstehen, welche Ziele das Unternehmen hat, wie es organisiert ist, welche Unterneh­ menskultur herrscht. Geht es in die Realisie­ rung, übernimmt der Mitarbeiter, der den Auftrag umsetzt.

 

Neue Marketingtrends und sich daraus ergebende Möglichkeiten stellen wir übri­ gens auch in unserem Newsletter den Kun­ den mehrmals im Jahr vor und schätzen de­ ren Bedeutung für kleine und mittlere Un­ ternehmen ein. Hier berichten wir über Pro­ jekte, die wir gerade bearbeiten – als Nach­ weis unserer Kompetenzen, aber auch als Anregungen für andere Firmen. Wir schrei­ ben über Aktionen, an denen wir uns beteili­ gen, begrüssen neue Unternehmen in unse­ rer «Kunden-Community» und wenn wir ­einen neuen Mitarbeiter haben, stellen wir ihn vor.

 

Wie führen Sie Ihre Mitarbeiter? Heute spricht man von der «Generation Y» oder «Schneeflocke», die ganz spezielle Vorstel-lung vom Arbeitsleben hat, die sehr viel Lob, sehr viel Feedback wünscht, keine grosse Verantwortung übernehmen möchte. Ein Stichwort ist auch Work-Life-Balance.
Mein Prinzip ist, alle gleich fair zu behandeln. Menschlichkeit, gesunder Menschenverstand, Berechenbarkeit im Verhalten, Vertrauen bil­ den meine Richtschnur. Ich brauche Stabilität im Team und jeder soll sich bei der Arbeit wohlfühlen. Dabei muss klar sein, dass wir hier kein «enger Freundeskreis» sind, der sich schon aus dem Sandkasten kennt. Natürlich ist ein freundschaftliches Umgehen miteinan­ der wichtig und schön, es darf aber nicht zu intim werden, damit Dinge, die der Arbeit im Weg stehen, auch klar angesprochen werden können. Jeder trägt hier Verantwortung und führt seine Arbeit sehr selbstständig aus. Hin­ zu kommen regelmässige Projektsitzungen und ich versuche, mit jedem im Team einmal oder zweimal im Monat ein kurzes individu­ elles Gespräch zu führen, damit kein Problem, wenn es denn eines gibt, ansteht und dadurch grösser wird. Wenn ich merke, dass jemand ein privates Problem hat, gebe ich auch mal einen Tag frei. Wer privat belastet ist, konzen­ triert sich nicht auf seine Arbeit.

 

Wir arbeiten hier naturgemäss in einer flachen Hierarchie. Das ändert nichts daran, dass es eine Hierarchie gibt. Das letzte Wort habe ich. Ich erwarte Respekt und respektiere meinerseits. Ich würde nie Witze auf Kosten von Mitarbeitern machen und musste in den ganzen 15 Jahren auch noch nie laut werden. Wenn es ein ernstes Problem gibt und ich ex­ trem unzufrieden mit einem Verhalten oder einer Leistung bin, merken das alle ohnehin sofort.

 

Was schätzen Sie an Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?
Worüber ich sehr froh bin, ist, dass sich alle im Team als Dienstleister verstehen und un­ sere Kunden auch entsprechend behandeln. Diese Agentur ist ein kleines Familienunter­ nehmen. Meine Lebensgefährtin und ich wis­ sen, was es bedeutet, selbstständig zu sein, Dienstleister zu sein. Das haben wir so ge­ wollt. Auch daher rührt unser grosses Ver­ ständnis für unsere Kunden – ein Verständnis und ein daher rührendes Handeln, das man gemeinhin von den Mitarbeitern nicht unbe­ dingt erwarten kann. Ich kann aber sagen, dass sie bei uns fast hundertprozentig diese Haltung ebenfalls an den Tag legen. Was ich sogar hin und wieder feststelle, ist, dass sie eher zu viel auf Sonderwünsche eingehen als dass sie lustlos erklären würden, was alles nicht gehe.

 

Gehadert wird auch nicht damit, dass hin und wieder Überstunden geleistet wer­ den müssen. In einer Werbeagentur bleibt das leider ebenso wenig aus wie in anderen Unternehmen. Termine müssen eingehalten werden, auch wenn es zwischendurch zu un­ geplanten Verzögerungen kommt – obwohl wir natürlich immer zeitliche Puffer einpla­ nen. Wer als Chef Leistungsbereitschaft er­ wartet, muss allerdings mit gutem Beispiel vorangehen. Ich weiss, der Begriff Work-Life-Balance ist in Mode. Es ist unbenommen, dass jeder Mensch auch ein Leben ausserhalb der Arbeit hat und es geniessen soll. Work ist aber ebenfalls Life, finde ich. Wichtig ist, dass man sich dort, wo man arbeitet, gut fühlt. Dafür muss ich als Chef entsprechende Bedingun­ gen schaffen.

 

Welche Ziele haben Sie für die Zukunft?
Wir haben drei Standbeine: das Offline-Ge­ schäft, also Print in gesamter Breite, aber auch Beschriftungen und Design, dann Websites und Internetplattformen sowie als dritten grossen Bereich unser System osca, unser selbst entwickeltes Angebot für einen digita­ len Hausmeisterservice. Alle drei sind wichtig für uns und ergänzen sich. In allen diesen drei Feldern wollen wir weiter wachsen, obwohl der digitale Bereich sicher mehr als die ande­ ren an Bedeutung gewinnen wird. Wichtig scheint mir zu sein, genau zu beobachten, welche Trends und Möglichkeiten sich erge­ ben, dabei aber nicht auf jeden Zug gleich un­ besehen aufzuspringen, sondern genau zu prüfen, ob sie für unsere Kunden sinnvoll sind. Die stetige Fortbildung unserer Mitar­ beiter ist dafür unabdinglich. Dazu müssen sie bereit sein. Und ich muss darauf vertrau­ en, dass sie ihr spezielles Arbeitsgebiet be­ herrschen. Das heisst: Je grösser die Agentur wird, desto mehr Vertrauen muss ich auch in meine Mitarbeiter haben.

 

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