Hindernisse bei der Innovationspraxis

EFQM fordert eine lernende Organisation, die sich nicht auf Lorbeeren ausruht oder aufhört, sich zu entwickeln. Alle acht Grundkonzepte enthalten Konzepte zur Innovationsförderung. Die neue ISO 9001-2015-Norm ist expliziter, wenn sie verlangt, die Kundenbedürfnisse nicht nur zu erfragen, sondern zu verstehen und das Wissen der Stakeholder nicht nur zu kennen, sondern zu nutzen. Doch wo liegen die Probleme bei der Umsetzung?

Hindernisse bei der Innovationspraxis

 

 

 

Es herrscht das Bild vor, dass Querdenker schwierig seien. So wenig wie der Hofnarr der Mörder des Königs ist, so wenig sind Querdenker einfach Querulanten. Es gibt etliche, die schweigen und gehen. Andere nutzen zeitliche Freiräume und tun das, was ihnen unter den Nägeln brennt. Sie können nicht gegen die eigene Überzeugung handeln. Viele Manager kuschen jedoch vor dem Verwaltungsrat oder CEO. Und genau diese Anpassungen verhindern Innovation. Wer um seine Position bangt, wird eher bestechlich oder krank und leistet Dienst nach Vorschrift als jemand, der sich sicher fühlt. Sicherheit ist eine Grundbedingung für das Lernen aus Fehlern und fürs Lernen überhaupt.

Die Probleme der Manager

 

Manager fürchten die Konkurrenz und dass beim Benchmarking ihr eigenes Know-how anderswo besser verwendet werden könnte, statt es im eigenen Umfeld auszuloten. Manager fürchten auch die eigenen Fachkräfte, die zu wichtig werden und die eigene Position gefährden könnten. Sie glauben oft, dass Innovationen mit immensem Aufwand verbunden sind, wie z.B. riesigen Firmenevents, teuren Beratern und wenig Output, während die Produktion vernachlässigt würde. Je stärker sie sich z. B. durch den starken Franken unter Druck fühlen, umso weniger frei fühlen sie sich, unsichere Risiken mit Innovationen einzugehen. Man fürchtet sich auch vor den Investitionskosten, fehlgeschlagenen Pilotprojekten und der Unsicherheit, dass die Erfolgszahlen dadurch leiden könnten. Man bevorzugt ein sicheres Schrumpfen und Entlassungen gegenüber einem unsicheren Innovationsprojekt. Das Scheitern eines Pilotprojekts wird oft genug mit Entlassungen quittiert – zum eigenen Schaden, weil die Person geht, die den Lernprozess gemacht hat. Die andern beginnen von vorn.

 

Dann herrscht vielerorts ein ständiges Misstrauen gegen die eigenen Angestellten. Chefs glauben, diese gut zu kennen und trauen ihnen keine Innovationen zu. Dabei ist es oft umgekehrt – die Chefs wehren innovative Gedanken ab und wundern sich, wenn keine neuen mehr kommen. Manche neuen Ideen werden als Bedrohung der jetzigen Produkte oder Dienstleistungen angesehen, weshalb man sie lieber der Konkurrenz überlässt. Und nicht zuletzt wollen viele Firmenchefs keine echte Fehlerkultur pflegen. Fehler werden bestraft, statt darin eine Quelle zur Innovation zu sehen. Statt Kritik willkommen zu heissen, wehren sie diese ab. Zuletzt scheitern Innovationen am mangelnden langen Atem, weil sie selten rasche monetäre Erfolge bringen und viele Hürden nehmen müssen. Innovationsprojekte, die nicht innert 18 Monaten einen Payback versprechen, werden oft gar nicht diskutiert.

Das Problem erfolgreicher Firmen

 

Es liegt in der Natur von Innovationen, dass erfolgreich eingeführte Produkte mit kontinuierlicher Verbesserung gepflegt werden, während Misserfolge die Bereitschaft zu radikalen Änderungen erhöhen. Zum Beispiel Nokia: 2007 war nicht nur das Jahr der Markteinführung des iPhone, sondern auch eines der erfolgreichsten Jahre für Nokia mit einem Marktanteil im Mobiltelefonbereich von 41%. Nokia war durchaus innovativ: Man sah die Zukunft in Smartphones, aber der Erfolg machte das Unternehmen unwillig, hohe Risiken einzugehen.

Investitionsangst

 

Die Beschaffung sucht noch immer den billigsten Anbieter, obwohl längst klar ist, dass dies weder eine nachhaltige noch sichere Lösung ist. Fast sieht es so aus, als gäbe es die Wegwerfmentalität auch in den Firmen. Ich kaufe dort ein, wo es heute billig ist, morgen kann der Laden kaputt sein, dann gibt es sicher irgendwo sonst einen anderen dafür, was natürlich nicht immer der Fall ist – schon gar nicht mit derselben Qualität. Dieselbe Mentalität steckt in der Investitionsangst. Wenn sich eine Idee nicht innert 18 Monaten auszahlt, landet sie auf dem Schrotthaufen. Im Klartext ist das eine Entscheidung gegen Innovation und ein Warten darauf, dass andere (Länder oder Organisationen) das übernehmen oder aufgreifen, was hier nicht sofort gelingt. Innovationen verlangen einen langen Atem und weitsichtiges Vorausdenken.

Das Problem der Stakeholderanalyse

 

Wie kommt man zu den wichtigen Informationen, was Kunden wirklich denken und wollen? Migros wollte mit Migipedia genau dies erfahren. Man kann Produkte bewerten und tut dies natürlich bei denen, die man mag. Aber die Werbung und Selbstdarstellung zerschlägt jede Innovation und den Sinn einer kritischen Auseinandersetzung mit den Produkten. Wer Bedürfnisse des Marktes erfassen will, muss bei den Kunden der Konkurrenz fragen, warum sie dort sind. Sie müssten die Cumuluskartenbesitzer anfragen, die wenig Umsatz auf der Karte haben. Dann würden sie mehr erfahren über echte Konsumentenbedürfnisse. Es geht nicht um Likes hinter einem Produkt. Es geht darum, den Kunden kennenzulernen mit seinen Sorgen. Migipedia geht sicher in die richtige Richtung, und die Community (wieso nur mit Einloggen und Cumulus?) ermöglicht immerhin die Diskussion unter den «Digital Natives».

 

Viele Firmen glauben jetzt, dass sie ihre Kunden via Facebook und Foren kennenlernen. Das ist aber eine neue Falle, denn es werden keine profunden Nachforschungen zu Innovationen erhoben. Migros hat den Eintritt in den Gesundheitsmarkt nicht in der Community abgeklärt und kauft 22 Arztpraxen, die bisher Swica gehörten. Wie sagt doch Staminski in seinem Buch «Mythos Kundenorientierung »? «Entscheider können die Kundendaten nicht interpretieren. »1 Sie sind viel zu weit weg und haben kaum den Instinkt für das, was Megatrends beim Kunden sind.

 

Facebook und Foren genügen kaum, um Kundenbedürfnisse genau zu verstehen, wohl aber, um einige Kunden zu kontaktieren. Die Online-Gemeinde ersetzt nicht den direkten Kontakt und spiegelt auch nicht den kompletten Markt. Vom Verstehen der Kundenbedürfnisse wird künftig jedoch das Überleben der Betriebe abhängen. Dafür benötigt es oftmals ungewöhnliche Vorgehensweisen, Querdenker und Menschen, die wagen, sich den Nicht-Kunden und Kritikern zu stellen.

Innovationen nutzen Kernkompetenzen völlig neu

 

Kernkompetenzen weisen die folgenden fünf Eigenschaften auf:

 

1. Echter Wettbewerbsvorteil

 

2. Hohe Eintrittsbarrieren für Mitbewerber

 

3. Hoher Kundennutzen

 

4. Nachhaltigkeit

 

5. Transferierbarkeit auf andere Organisationseinheiten 2

 

Oft werden Kernkompetenzen zu eng gefasst und widerstehen darum dem Innovationsgedanken. Eine Kernkompetenz kann das Herstellen eines bestimmten Motorenteilstücks der Marke Porsche sein. Dann ist das Unternehmen von Porsche abhängig, wenn sonst keine Kernkompetenzen vorhanden sind. Wenn die Kernkompetenzen aber Druckgiessen, Strangpressen, 3-D-CAD und Rapid Prototyping heissen, werden diese Kompetenzen offen für andere Möglichkeiten, auch wenn zunächst der Wettbewerbsvorteil nicht mehr ganz so klar ist. Querdenken hat viel mit Übertragen von Prozessen zu tun.

Mit Wissen zu Innovation?

 

Eine Studie des Nationalfonds3 stellt fest: Firmen hoffen (vor allem), mit Schulung und neuen Mitarbeitern innovativer zu werden. Mit Wissensträgern sind aber selten Querdenker angesprochen, sondern Menschen mit gezielten Ausbildungen und Kontakten. Wissen allein hat noch nichts mit Innovation zu tun.

 

Nun gibt es Organisationen, die einen Innovationsmanager anstellen, damit er die Entwicklungen vorantreibt. Er zeichnet sich dadurch aus, dass er Dinge sagen und tun darf, die den anderen Mitarbeitern nicht erlaubt sind. Der eingekaufte Innovationsmanager wird aber in Kürze Teil des Unternehmens – und darf dann die anfänglich gesetzten Grenzen nicht mehr verändern oder sieht auch keine Möglichkeiten mehr. Die Innovation stirbt, weil sie nicht umfassend gelebt wird.

 

Es gibt Kenner von Innovationsmodellen wie Scrum, die behaupten, dass mit Scrum ein komplettes ISO 9001 abgebildet werden kann. Agile Strukturen können also ein Qualitätssystem beinhalten. Somit müssten Scrum- Methoden auch in anderen Organisationen umsetzbar sein – wie es früher schon das Flowkonzept möglich machte. Doch diese Neuerungen brauchen andere Kulturen und vor allem die Grösse, Fehler zuzugeben und nicht zu strafen, und den Mut, unfertige Konzepte nicht zu zerreissen, sondern zu würdigen und aufzunehmen. Gruppenprozesse können durchaus innovationsfördernd sein, wenn sie geschützte Rahmen und Regeln vorfinden. Aber dann muss auch die Personalabteilung lernen, nach anderen Kriterien Personal zu suchen.

Innovation leben

 

Wenn doch klar ist, dass es im alten Stil nicht weitergehen kann, was dann? Kann ein Managementsystem auf Innovation ausgerichtet werden? Das ist genau das Ziel von Business Excellence und den neuen ISO-Normen. Echte Innovationsverankerung schützt nämlich auch vor Krisen. Doch müssen dafür Grundlagen vorhanden sein, die betriebsweit verankert sein müssen. Und diese sind kultureller Art, wie z. B. der Umgang mit Fehlern, die Bereitschaft für Projekte, die nicht im Detail ausgearbeitet sind, oder die Kritikfähigkeit der Geschäftsleitung. Obwohl sehr flexibel gearbeitet wird, liegt der Fokus auf nachhaltigem Erfolg – sonst wäre es keine Innovation, sondern nur ein Hype.

 

Aber man stolpert über feste Klischees. Traut man z. B. älteren Frauen Innovationen zu oder müssen sie jung und hübsch sein? Dabei können gerade die Mitarbeiter, die schon in verschiedenen Firmen angestellt waren, am meisten zur Innovation beitragen. Sie tragen quasi den Benchmark schon als Person in sich. Zudem haben sie die Fehler schon hinter sich, die jüngere Leute erst noch machen werden. Innovationsdenken heisst auch, der Wahrheit in die Augen sehen und Fehler beim Namen nennen. Das schützt nicht nur vor Rückrufen und anderen unliebsamen Gerichtsverhandlungen, sondern setzt Energien frei für nachhaltiges Lernen und jede Menge erfolgreicher Projekte.

 

 

 

 

 

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