Gelebtes Qualitätsmanagement – kein Papiertiger

Industriestandards wie ISO 9001 sind nichts Weltbewegendes mehr – sollte man meinen. Im Fall des Departements Betrieb & Infrastruktur des Kantonsspitals St.Gallen wird sichtbar, wie sich mit der nötigen Musse und Beharrlichkeit viel bewegen und eine schlagkräftige Organisation entstehen lässt.

Gelebtes Qualitätsmanagement – kein Papiertiger

 

 

 

Kantonsspitäler sind bekanntlich grosse Organisationen. Hinzu kommt, dass sie im Fokus unterschiedlicher Interessengruppen stehen.

 

Das kommt nicht von ungefähr: Zentrumsspitäler wie das Kantonsspital St.Gallen (KSSG) bilden einen bedeutenden volkswirtschaftlichen Faktor für eine ganze Region. Das KSSG ist heute ein Konglomerat verschiedener Gebäude, gleichsam eine Stadt in der Stadt, eine Organisation mit über 5000 Mitarbeitenden. Damit gehört es zu den grössten Spitälern der Schweiz. Unter der Geschäftsleitung ist die Organisation in zehn Departemente aufgeteilt. Eines davon ist das Departement Betrieb & Infrastruktur. Darunter fällt die gesamte Gastronomie, der Bereich Hauswirtschaft & Areal, die Logistik, die Medizintechnik, Technik (Haustechnik) sowie die Zentrale Sterilgutversorgung ZSVA.

Ein schönes Stück Arbeit

 

Eine so grosse Organisation wie das Kantonsspital St.Gallen muss sich regelmässig überlegen, welche Prozesse sie – neben den Kernkompetenzen im medizinischen Bereich – im eigenen Haus behalten will und welche allenfalls extern eingekauft werden müssen. Denn der Kosten- und auch der Konkurrenzdruck nehmen zu. Besonders mit dieser Frage zu beschäftigen hat sich das Departement Betrieb & Infrastruktur. Möglichst präzise und sachlich fundierte Antworten darauf finden zu können, ist denn auch ein Anliegen von Departementsleiter Thomas Sojak. Und er wusste auch gleich ein Instrument, mit dem die Grundlage dazu geschaffen werden kann. «Wir entschieden uns für eine Zertifizierung nach ISO 9001», erzählt Jochen Miklo. Er wurde 2012 mit diesem Projekt betraut und führte das Departement zur Zertifizierung im November 2013. «Ein echter Hosenlupf» sei es gewesen, doch einer, der sich gelohnt habe, erinnert sich Miklo heute.

Herantasten an Messgrössen und Kennzahlen

 

Doch nicht nur der Kostendruck war ein wichtiger Beweggrund für die Zertifizierung. «Wir wollten die Abläufe standardisieren, und zwar nach Industrienorm. So machen wir uns besser vergleichbar mit vielen unserer externen Partner, die zumeist schon mit diesen Standards arbeiten. In der Tat bestand noch wenig Auseinandersetzung mit Kennzahlen und Messgrössen», erinnert sich Jochen Miklo an die Zeit vor Projektbeginn zurück. «Der Kostendruck war noch nicht so gegenwärtig.» Ferner ging es im Projekt auch um die kontinuierliche Verbesserung des gesamten Departements und die Optimierung von Schnittstellen, sei es zwischen einzelnen Bereichen, sei es auch zu anderen Departementen des KSSG. «Wir wollten auch die Kundenbedürfnisse stärker in den Vordergrund stellen», so Miklo.

Wissensgrundlagen schaffen

 

Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung waren also recht unterschiedlich. Einen wichtigen Erfolgsfaktor sieht Jochen Miklo rückblickend im starken Support durch die oberste Departementsleitung. Mit der ZSVA und der Medizintechnik umfasste das Departement Betrieb & Infrastruktur schon zwei zertifizierte Bereiche (nach ISO 13485). Das bedeutete: Erfahrung war dort also schon vorhanden, nicht aber in den restlichen Bereichen. «Das Prozess- und Qualitätswissen war nur wenig ausgeprägt. Es brauchte also zuerst einen starken Wissensaufbau», so Jochen Miklo. Eine erste Massnahme war zudem die Berufung von Bereichs-Qualitätsbeauftragten. Insgesamt musste für das gesamte Departement eine Basis bei Führungs- und Supportprozessen gefunden werden.

Zwei Jahre Zeit

 

Der Umstand, dass viel Aufbau- und Schulungsarbeit geleistet werden musste, erwies sich als ein Vorteil. Ein zweiter war der Faktor Zeit: Zwei Jahre gab sich das Departement, um das Projekt zu verwirklichen. Für Jochen Miklo war dies sehr wichtig. «Nur so konnten die Mitarbeitenden integriert und das Qualitätsmanagement zum Leben erweckt werden.» Der Aufwand war erheblich: 16 bereichsübergreifende Qualitätsmanagements-Zirkel mit allen Qualitätsbeauftragten wurden durchgeführt. Ferner fanden über 50 Bereichsworkshops statt, und es gab 53 interne Audits. Auch die Prozesslandkarte einschliesslich aller Hilfsmittel wurde komplett neu erstellt. Heute ist diese im Intranet für alle greifbar und bildet einen intuitiven Zugang zu allen wichtigen Dokumenten.

Viele Folgeprojekte

 

Was hat die Zertifizierung nach ISO 9001 gebracht? Da kann Jochen Miklo einiges aufzählen. «Allein durch die Dokumentation von Abläufen konnten viele Doppelspurigkeiten und redundante Prozessschritte eliminiert werden. Das macht uns im direkten Vergleich mit rein wirtschaftlich agierenden Dienstleistern konkurrenzfähiger.» Und das intensive Durchleuchten der Organisation habe auch den Bedarfsnachweis für viele Nachfolgeprojekte erbracht. «Viele davon werden bereits angegangen», so Miklo. Ebenso Teil des ISO9001-Projekts waren die Einführung eines konsequenten Fehlermanagements sowie verbindliche Lieferantenbewertungen im Bereich Einkauf. «Aber auch die anderen Bereiche haben bereits damit gestartet», führt Jochen Miklo weiter aus. Wie weit sich die Einführung des Qualitätsmanagements auch schon finanziell ausgewirkt hat, kann derzeit noch nicht beziffert werden. «Dies wird künftig aber wichtig werden, da der Kostendruck zunimmt», so Miklo.

Teil der Unternehmenskultur

 

So weit, so gut. Häufig hört man auch, dass ISO 9001 in Unternehmen zwar eingeführt und zertifiziert wurde, aber letztlich kaum richtig umgesetzt wird – ausser, ein neues Audit steht vor der Tür. Wie steht es damit im Departement Betrieb & Infrastruktur des KSSG? War das ganze Projekt auch nachhaltig genug? Diese Frage kann Jochen Miklo bejahen. «Die externen Auditoren lobten vor allem, dass das Thema Qualitätsmanagement in unserem Departement regelrecht gelebt wird. Wir haben eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit erreicht, was sich durch die jüngste Mitarbeiterbefragung belegen lässt.» Mitarbeitende bringen denn auch aktiv Verbesserungsvorschläge ein. Die Beschaffung eines einheitlichen KVP-Tools ist zudem in Prüfung.

Auf eigenes Know-how gesetzt

 

Das vorbehaltlose Dahinterstehen aller Stufen machte das ISO9001-Projekt also erfolgreich. Nicht zu unterschätzen ist gewiss auch der Umstand, dass keine externen Berater hinzugezogen wurden. Interne Audits wurden «übers Kreuz» durchgeführt, z.B. auditierte der Qualitätsbeauftragte des Bereichs Gastronomie den Bereich Logistik. Beratend zur Seite stand zudem die QM-Verantwortliche aus dem benachbarten Departement Finanzen. Insgesamt konnte auf diese Weise sichergestellt werden, dass das Know-how im eigenen Departement verbleibt und man voll auf die eigenen Ressourcen setzen konnte.

 

Und wie geht es nun weiter? «Wir haben viele bereichs- und abteilungsübergreifende Projekte zur weiteren Optimierung gestartet», führt Jochen Miklo aus. Als grosses Jahresziel festgelegt wurde das Risikomanagement, auch Umweltmanagement und Arbeits- und Gesundheitsschutz sollen weiter vorangetrieben werden. Ein konkreter Termin für deren Zertifizierung steht allerdings noch nicht fest. Gearbeitet wird auch an der Definition von Kundenbedürfnissen sowie an der Weiterentwicklung der Departementsstrategie.p

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