Gefragte Stromnetze
Die Schweizer Energieversorgung bleibt ein Dauerbrenner: Atomausstiegsinitiative, Energiestrategie 2050, liberalisierter Strommarkt – gewinnbringende Möglichkeiten eröffnen sich insbesondere Stromnetzbesitzern. Denn aktuell sind solche Netze stark gesucht.
Rund 910 Franken werden Bewohner einer 4-Zimmer- Wohnung mit Elektroherd und Elektroboiler nächstes Jahr durchschnittlich ausgeben. Davon entfällt allerdings nur etwa ein Drittel auf den reinen Energieverbrauch. Das Gros der Kosten macht die Netznutzung aus. Obwohl deren Preis von Ort zu Ort schwankt, können die Netznutzungsgebühren bis doppelt so hoch ausfallen wie die eigentliche Energielieferung. Beim Restbetrag handelt es sich um kommunale und nationale Abgaben. Für Energieunternehmen ist es deshalb umso wichtiger, die gesamte Wertschöpfungskette zu kontrollieren und alle Leistungen aus einer Hand anzubieten: von der Energiegewinnung über den Transport bis zur Belieferung der Endkunden.
Ertragsstarke Nutzung
Während die Grossproduzenten ohne eigene Versorgungsnetze unter den tiefen Marktpreisen leiden, profitieren die regionalen Energieproduzenten mit eigenen Netzen. Die Netznutzung ist in der Schweiz stark reglementiert und wird in absehbarer Zeit nicht liberalisiert werden. Netznutzungskosten umfassen Amortisation, Betriebskosten und kalkulatorische Zinsen.
Für das in die Stromnetze investierte Kapital besteht ein Anspruch auf Verzinsung. Dabei wird der durchschnittliche kalkulatorische Kapitalkostensatz angewandt, der sogenannte WACC (Weighted Average Cost of Capital). Jährlich legt das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) seine Höhe fest; für 2017 beträgt er 3,83 Prozent. Fixiert wird der Satz jeweils aufgrund der Berechnungen des Bundesamts für Energie (BFE) und nach Konsultation der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (ElCom).
Stromnetze versprechen in der heutigen Zeit also eine sichere und nachhaltige Rendite. Besonders attraktiv sind sie für Energieversorger, die über solides Eigenkapital und kostengünstiges Fremdkapital verfügen.
Angebotsmonopol
Es liegt auf der Hand, dass Stromnetze derzeit von vielen Energieproduzenten stark nachgefragt werden und beachtliche Marktpreise erzielen. Rund achtzig Prozent der Stromnetze befinden sich im Besitz der öffentlichen Hand, vorwiegend von Gemeinden. Diese treten vermehrt als Verkäufer auf. Weil die Stimmberechtigten bei gemeindeeigenen Betrieben das letzte Wort haben, kommt einem umsichtigen Prozessmanagement grosse Bedeutung zu. Der Verkaufsprozess beinhaltet auch einen politischen Prozess. Er startet bereits bei der Rechtsformänderung des Gemeindebetriebs. Zentral ist die vorausschauende und aktive Begleitung während der gesamten Transaktion. Dazu zählen nebst dem Netzverkauf samt Kunden auch Vertragsausgestaltung und Steuerfragen.
Verkauf auch ein Politikum
Bei solchen Vorhaben ist es unumgänglich, die Verkäufer- und die Käuferseite aus dem Effeff zu kennen. Es gilt, die Marktmechanismen zu beherrschen, die Möglichkeiten von Angebot und Nachfrage bestmöglich auszuloten, die Toleranzgrenzen zu respektieren. Gerade, weil der Erfolg solcher Transaktionen politisch stark beeinflusst werden kann. So sind Versorgungsängste auszuräumen. Oder Einwände, wie zum Beispiel die Gemeinde verschleudere ihr Tafelsilber, mit sachlichen Argumenten zu entkräften. Kurz: Das Geschäft muss politisch vertretbar sein und in einer Abstimmung auf Gemeindeebene bestehen können.
Im Voraus gilt es, das Klima in einer Gemeinde realistisch einzuschätzen und entsprechend zu agieren. Nur so ist ein erfolgreicher Verkaufsabschluss möglich. Für kleine Netze interessieren sich meist Kaufinteressenten aus der ganzen Schweiz oder aus dem Ausland. Ratsam sind aus Erfahrung aber oft Lösungen, die eine Veräusserung an einen regionalen Energieversorger vorsehen. Ein solcher hat allein schon aufgrund seiner Nachbarschaft gute Karten, die bisherigen Endkunden weiter an sich zu binden.