Gefahrstoffe in der Praxis

Bereits zum dritten Mal fand der Gefahrstofftag Schweiz statt. In diesem Jahr fokussierte er auf Aspekte der täglichen Praxis rund um Gefahrstoffe.

Gefahrstoffe in der Praxis

 

 

 

 

In den letzten Jahren gaben vor allem die neuen Kennzeichnungen von Gefahrstoffen durch GHS (Globally Harmonized System) in der Branche zu diskutieren. «Wir wollen aber nicht immer über GHS reden», sagte Matthias Mettke, Gefahrgut- und Gefahrstoffexperte der Swiss TS Technical Services AG, als er den 3. Gefahrstofftag Schweiz am 9. Oktober in der Umwelt Arena in Spreitenbach eröffnete. «Heute sprechen wir über praktischere Themen. »

Erste Hilfe bei Chemikalien- Unfällen

 

Zum Beispiel über Unfälle und Notfälle rund um Gefahrstoffe. Dr. Christine Rauber-Lüthy, Leitende Ärztin beim Schweizerischen Toxikologischen Informationszentrum – auch als Tox bekannt – erzählte aus den langjährigen Erfahrungen, die sie und ihre Kollegen während den Beratungen am Telefon sammelten. Die Lösungen liegen nicht immer so nahe, wie sie sich das wünschen würden – denn oft fehlen wichtige Angaben zu den Stoffen oder Mengen, die zu einem Notfall führen. «Die meisten Anrufe, rund ein Drittel, sind die Folge von Umschüttungen von Chemikalien in gewöhnliche Trinkflaschen», betonte Rauber- Lüthy. «Solche Flaschen finden sich leider viel zu oft, und sie stehen häufig sogar dort, wo keine Gefahrstoffe, sondern tatsächlich Getränke erwartet würden.»

 

Die Anfragen ans Tox bezüglich Arbeitsunfällen nahmen in den letzten drei Jahren zu. Das beunruhigt die Ärztin, vor allem weil die Ursachen kaum bekannt sind. Auch die vielen unbekannten Gifte, mit denen sie dabei zu tun hat, bereiten ihr Sorgen. «Typischerweise inhaliert, trinkt oder verschüttet ein Mitarbeiter eine

 

Unfälle nehmen zu

 

Substanz, von der er gar nicht genau weiss, was es war. In Betrieben ist das bedenklich. Die Leute sollten schon wissen, womit sie arbeiten.» Sie betonte, wie wichtig die Sicherheitsdatenblätter (SDB) sind. «Im besten Fall wird uns das SDB gleich parallel zum Anruf gefaxt. Diese SDB sind zwar sehr unterschiedlich in der Qualität, aber die Inhaltsstoffe stimmen auf jeden Fall und das bringt uns weiter. » Deshalb gehört das SDB auch immer in die Nähe des entsprechenden Gefahrstoffs und Arbeitsplatzes. Wer kein SDB findet, kann den Beratenden mit Angaben zu Geruch, Farbe, Konsistenz, pH-Wert oder allfälligen Gefahrensymbolen weiterhelfen. Sechs Fragen sind zentral: Wer ist verunfallt, was ist passiert, wie ist es passiert, wie viel des Stoffes, wann ist es passiert und was für Faktoren wie beispielsweise eine gesundheitliche Vorbelastung gibt es noch zu beachten?

Situationsanalyse: Gefahrstoffe im Betrieb

 

Um den richtigen Umgang mit Gefahrstoffen und die passenden Massnahmen korrekt bestimmen zu können, braucht es eine Situationsanalyse. Tagungsleiter Matthias Mettke nahm sich im Anschluss dieses Themas an und betonte wie seine Vorrednerin, wie wichtig und unerlässlich die Sicherheitsdatenblätter in diesem Zusammenhang sind. «Zwar muss der Hersteller die SDB bereitstellen und künftig nach dem neuen System GHS auch an die bisherigen Anwender verschicken. Doch viele Hersteller kennen ihre Anwender gar nicht direkt. In der Praxis dürfte das also eher schwierig werden und die Unternehmen sind selber gefordert, die SDB zu überprüfen und sich um neue Versionen zu kümmern.»

 

Eine Analyse über die Einhaltung der verschiedenen Vorschriften sollte in einem Unternehmen regelmässig durchgeführt werden. Sie hilft, der teilweise geforderten Selbstkontrolle nachzukommen. Mettke zeichnete eine einfach strukturierte Vorgehensweise auf: «Zu Beginn einer Analyse werden die Ziele beschrieben. Hier geht es darum, die gesetzlichen Vorgaben von Umweltschutzgesetz, Gewässerschutzgesetz, Chemikaliengesetz sowie die EKAS-Richtlinien und die Brandschutzrichtlinien zu erfüllen und das Risiko im Unternehmen zu minimieren. Ein zentraler Punkt dabei: die Mengen der Gefahrstoffe zu reduzieren oder sie wenn möglich ganz zu ersetzen. Nicht mehr benötigte Produkte gehören entsorgt. Das vermindert nicht nur das Risiko, sondern auch die Kosten für den Lagerraum und seinen Unterhalt.» Zudem zeigte Matthias Mettke häufig anzutreffende Probleme auf – beispielsweise die interne Kennzeichnung oder die Lagerung von Gefahrstoffen – und stellte passende Lösungen vor.

 

Mettke empfiehlt, die Verantwortlichen einzuladen, Checklisten vorzubereiten und die Analyse dann in einen administrativen Bereich, einen Arbeits- oder Produktionsbereich und einen Lagerbereich einzuteilen. Für die Auswertung der Situationsanalyse eignet sich dann ein einfaches Protokoll, das über Datum, Teilnehmer, Fotos der Mängel und deren Beschreibung sowie Massnahmen und Verantwortlichkeiten Auskunft gibt.

Verwendung von drucklosen Gefahrstofftanks

 

Ein Resultat aus einer solchen Situationsanalyse kann sein, dass Gefahrstoffe die Umwelt ausserhalb des Betriebsgeländes belasten könnten und deshalb entsprechende Massnahmen nötig sind. Zum Beispiel rund um den Gewässerschutz. Gemäss Gewässerschutzgesetz müssen wassergefährdende Flüssigkeiten entsprechend gelagert werden. «Es gilt das Verursacherprinzip», sagte Markus Staub, Maschineningenieur FH, der als Sachverständiger Tankanlagen für den Schweizerischen Verein für technische Inspektionen (SVTI) im Einsatz steht

 

Verursacherprinzip mit grossen Folgen

 

und die KVU-Vollzugsrichtlinie umsetzt. «Wer Massnahmen nach dem Gewässerschutzgesetz verursacht, trägt die Kosten dafür. Und die liegen schnell in einem sechsstelligen Bereich. Das kann für Unternehmen existenzbedrohend sein.» Staub empfahl drei Standbeine für einen effizienten Schutz: sicheres Lagern, leichtes Erkennen und sicheres Aufhalten. Besonders rund um die Lagerung stellen sich viele verschiedene Fragen. Beispielsweise bietet der Markt viele drucklose Gefahrstofftanks. Doch Achtung: Verschiedene Produkte verlangen nach einer Überprüfung und einer Bescheinigung der Gewässerschutztauglichkeit durch eine akkreditierte Prüfstelle wie den SVTI. Sie überprüft diverse Parameter und erteilt dann eine Baufreigabe.

Wirksamer Explosionsschutz

 

«Eigentlich müssen wir alle schon sehr früh Explosionsschutz betreiben », sagte Axel Schefer, Senior Consultant und Projektleiter der Swissi AG. «Wenn brennbare Flüssigkeiten oder Gase hergestellt oder gelagert werden und dabei Gase oder Nebel entstehen, ist die Gefahr natürlich entsprechend hoch – auch mit brennbarem Staub oder wenn feste brennbare Materialien verarbeitet werden und dabei Staub entsteht. Ein Beispiel: Aluminium brennt schlecht. Aluminiumstaub ist allerdings hochexplosiv.»

 

Schefer zeigte auf, welche Betriebe mit Explosionsgefahren welche Massnahmen treffen müssen und empfahl ihnen, das auch zu tun. «Wer im Schadenfall argumentieren kann, sich um das Thema gekümmert zu haben, steht gut da. Ansonsten kann das für einen Betrieb ganz schlimme Folgen haben. » Auf interaktive Art und Weise behandelte Schefer mit dem Plenum unterschiedliche Situationen und nahm mit ihm eine Einteilung in die Ex-Zonen für Gase und Dämpfe sowie für Stäube vor – und wies auf typische Fehler und Stolperfallen in dieser Einschätzung hin.

 

Der 4. Gefahrstofftag Schweiz – wieder eine ausgezeichnete Schulung für Gefahrstoffexperten – findet am 12. November 2014 statt. (www.gefahrstoff.ch)

 

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