Führend – aber unter dem Radar der Öffentlichkeit
USA, China, Schweiz: Das sind – in dieser Reihenfolge – die derzeit führenden Robotik- Nationen. Eigentliche Epizentren der hiesigen Robotik-Entwicklungen sind die ETH und die EPFL. Rund um diese Technischen Hochschulen haben sich Industrie- Cluster gebildet, bestehend aus globalen Konzernen sowie etlichen Start-ups und hochspezialisierten KMU.
Es muss nicht immer Zürich sein. Besuch im bernischen Burgdorf bei Asic Robotics AG, einem Generalunternehmen für Automation und industrielle Robotik: Ein modernes, repräsentatives Gebäude gegen aussen, drinnen aber trifft man auf gut schweizerisches Understatement. Geschäftsführer Milo Gasser sieht sich nicht als CEO, der ständig im Rampenlicht stehen muss. «Wir sind mehr Ingenieur- als Marketingtypen», erklärte er vor Jahresfrist dem Journalisten.
«Wir verstehen Roboter», behauptet Asic Robotics AG von sich selbst. Ist Milo Gasser also ein «Roboterversteher»? Seine Antwort: «Hinter jedem Roboter stehen Menschen. Die Industrieroboter, die wir in unsere Lösungen integrieren, sind eigentlich ‹dumm›. Das steht im Gegensatz zu anderen Trends von ‹intelligenten› und sogenannt kollaborierenden Robotern. Unsere Devise ist seit 25 Jahren, Robotik nur dort einzusetzen, wo sie wirklich sinnvoll ist.» Sinnvoller und nutzbringender Einsatz von Automation: Dies ist der entscheidende Unterschied zu all jenen Vorstellungen von Robotik, die besser im Bereich von Science Fiction aufgehoben sind. Nicht Cyborgs arbeiten in den Fabriken, sondern immer noch Menschen aus Fleisch und Blut – die aber hochentwickelte Maschinen bedienen, welche viele Prozesse ohne menschliches Zutun abarbeiten.
«Schlaue Maschinen»
Asic Robotics AG steht in einer Reihe mit vielen andern Schweizer Unternehmen, die führend sind bei der Entwicklung von «schlauen Maschinen», wie Milo Gasser sie nennt. Die Robotik ist tief in der Tradition der Schweizer Industrie verwurzelt. Seit jeher ist unser Land führend im Maschinenbau, der Mikrotechnologie, Präzisionsmechanik oder Optik. Seit 2010 ist die Robotik zudem ein nationaler Forschungsschwerpunkt des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Gebildet wurde ein Netzwerk für Spitzenforschung, das heute über zwei Dutzend Forschungslabore umfasst, etwa an den beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen ETH und EPFL. Im Umfeld dieser auch international renommierten Hochschulen entstehen laufend Spin-offs, die Robotiklösungen zur Marktreife bringen wollen. «Während andere Länder noch forschen, sind in Zürich bereits Taten zu sehen», heisst es etwa auf der Website von Greater Zurich Area, einer Standortförderungsplattform für die Region, die sich gerne als «das Silicon Valley der Robotik» sieht. In der Tat sind der Grossraum Zürich sowie die Region um den Lac Léman eigentliche Hotspots der Schweizer Robotik-Szene. Der «Start-up Radar» 2018/19, herausgegeben von der Plattform startupticker. ch, weist denn auch eine im internationalen Vergleich sehr hohe Zahl an Firmengründungen im Bereich «Industrielle Produkte und Technologien» nach. Dies zeige sich insbesondere im Vergleich mit Deutschland: Obwohl die Länder von der Wirtschaftsstruktur her und der nach wie vor hohen Bedeutung der fertigenden Industrie recht ähnlich sind, stellen Start-ups aus diesem Bereich in der Schweiz einen fast doppelt so hohen Anteil wie in Deutschland, so der «Start-up Radar».
Robotik – ein Thema für viele Bereiche
Die Schweiz ist in Sachen Robotik also sowohl Forschungs- wie auch Gründungsstandort. Geforscht im Rahmen des oben erwähnten nationalen Förderprogramms wird in drei Bereichen: «Wearable Robotics», «Rescue Robotics » und «Educational Robotics». Bei Wearable Robotics besteht das Ziel darin, tragbare Robotik-Systeme zu entwickeln, die vor allem für Rehabilitationszwecke eingesetzt werden können. Diese Systeme – etwa in Form sog. «Neuro-Prothesen» oder Exoskeletten – sollen etwa die Wiedererlangung sensomotorischer Fähigkeiten erleichtern (etwa Fortbewegung oder Greifbewegungen nach schweren Verletzungen des Bewegungsapparats oder der Wirbelsäule). Im Bereich Rescue Robotics geht es um die Entwicklung von Technologien, die sich etwa für unbemannte Rettungsaktionen einsetzen lassen. Das Ziel sind heterogen zusammengesetzte Roboter-teams, bestehend aus mehrbeinigen oder fliegenden Geräten, die mit der Umgebung interagieren, selbstlernend und symbiotisch mit Menschen kollaborieren können. Ein Beispiel dafür ist etwa ANYmal, ein vierbeiniger Roboter, entwickelt für Einsätze in rauen Umgebungen, etwa für Inspektions- und Detektionsaufgaben in der Industrie oder bei Katastrophen. Oder faltbare Drohnen, die – ähnlich wie Vögel – auch durch enge Lücken fliegen können, sind in Entwicklung und warten bereits auf erste Einsätze.
Für die Entwicklung von Robotertechnologie braucht es viel Ingenieurwissen. Doch woher holt man dieses Wissen in Zeiten von Fachkräftemangel? Ein Ansatz: Schon in der Schule sollen Kinder und Jugendliche im Rahmen des naturwissenschaftlich-mathematischen Unterrichts an die Robotik herangeführt werden. Das ist denn auch das Ziel von «Educational Robotics». So wurde mit «Thymio» ein Lernroboter entwickelt, den Kinder auf einfache Weise selbst programmieren können. Sie kommen damit spielerisch schon früh mit der Robotertechnologie in Berührung – Fachleute erhoffen sich davon, dass die Faszination Robotik dann auch für eine spätere Berufswahl erhalten bleibt.
Robotik betrifft uns alle
Schlaue Leute bauen schlaue Maschinen: Damit sind wir zurück bei Asic Robotics AG. Schlaue Maschinen, die weniger schlaue Menschen ersetzen können? Klar sei die Automatisierung ein Megatrend, räumt auch Milo Gasser ein. Der technologische Fortschritt werde gerade bei schlechter qualifizierten Arbeitskräften zu grossen Veränderungen führen. «Das war aber bei allen industriellen Revolutionen der Vergangenheit der Fall», so Gasser. Die These, dass die Robotik Arbeitsplätze vernichte, greift denn auch zu kurz. Milo Gasser nennt als Beispiel die Textilindustrie, wo dank Automatisierung hierzulande auch wieder neue Arbeitsplätze geschaffen werden – dank Re- Shoring, also der Rückkehr der Produktion aus Billiglohnländern nach Europa. Somit besteht in der Robotik die Chance, die schleichende Deindustrialisierung, die in Mitteleuropa um sich greift, mittel- bis längerfristig aufzuhalten. Und vielleicht wäre es an der Zeit, genau diese Chance stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken – und auch die «Hidden Champions».
Quellen und Informationen
- www.swissroboticsindustry.ch
- www.nccr-robotics.ch
- www.venturekick.ch