Frauen und ältere Mitarbeitende fördern
Der Diversity Index der Hochschule Luzern misst die Heterogenität der Belegschaft eines Unternehmens. Die aktuelle Umfrage bei 37 Betrieben zeigt, dass auch nach Jahren der Gender-Diskussionen eine Mutterschaft vielfach das Ende einer Karriere bedeutet.
Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern hat im vergangenen Jahr zum dritten Mal Daten für den Diversity Index (siehe Kasten) erhoben. Das Ziel des Diversity Index ist es, die Hetero genität der Belegschaft in Organisationen zu messen und diese mittels einer Kennzahl abzubilden. In einer Online-Umfrage beantworten die teilnehmenden Unternehmen rund 50 Fragen zur allgemeinen Organi-sation des Unternehmens, zum Diversity Management, zu den Kriteri-en Alter, Geschlecht, Nationalität, Religion sowie Gesundheit.
Für jene Unternehmen, die an der aktuellen Umfrage teilgenom-men haben, erzeugt Diversity Management einen grossen Nutzen (sie-he Abbildung). Einerseits ist Diversity Management für die Personal-politik von grosser Bedeutung. Anderseits kommt klar zum Ausdruck, dass daraus auch Vorteile für das Unternehmen insgesamt resultieren.
Die Erkenntnisse aus der dritten Erhebung des Diversity Index sind vielfältig. In diesem Artikel liegt der Fokus auf dem Diversity Ma-nagement, dem Geschlecht und dem Alter. Basierend auf den Ergeb-nissen werden für jede Dimension Handlungsempfehlungen bezüg-lich der Personalrekrutierung formuliert.
Diversity-Kultur: Wie kann Wandel gelingen?
Unternehmen, welche sich an der Spitze des dritten Diversity Inde-xes befinden, schneiden gut bezüglich der Verankerung von Diver-sity im Management und in der Aufbauorganisation ab. Es kommt klar zum Ausdruck, dass eine heterogene Belegschaft und der ent-sprechende Nutzen aus dieser Diversity für die Organisation insbe-
«Diversity-Überlegungen stellen im Rekrutierungsprozess eine wichtige Komponente dar.»
sondere dann zum Tragen kommen, wenn Diversity nachhaltig ge-lebt wird. Das beinhaltet z.B. eine eigene Diversity-Abteilung, wel-che direkt an die Geschäftsleitung rapportiert, oder das explizite Festhalten der Diversity-Prinzipien im Unternehmensleitbild, in der Unternehmensstrategie oder anderen übergeordneten Doku-menten mit strategischer Relevanz. Somit ist ein Diversity-Konzept insbesondere dann erfolgreich, wenn das Thema aktiv gelebt und insbesondere von der Unternehmensführung ernst genommen und entsprechend umgesetzt wird. Ebenfalls zentral für ein erfolgrei-ches Diversity Management ist die Kontinuität der Massnahmen, da sich entsprechend positive Effekte nicht innert kurzer Frist realisie-ren lassen.
Entsprechend stellen Diversity-Überlegungen im Rekrutie-rungsprozess zweifellos eine wichtige Komponente dar. Jedoch be-schränken sich allfällige Massnahmen nicht auf diesen Zeitpunkt. Eine erfolgreich gelebte Diversity-Kultur muss in der gesamten Personalentwicklung reflektiert sein, was sich wiederum positiv auf die Reputation der Organisation auf dem Arbeitsmarkt aus-wirkt.
Tiefer Frauenanteil und kaum Mütter in den Geschäftsleitungen und dem VR
Bezüglich der Genderperspektive bringt die Erhebung deutlich zum Ausdruck, dass ab der Hierarchiestufe mit Führungsverantwortung aufwärts weniger Frauen als Männer beschäftigt werden. Innerhalb der befragten Firmen liegt der Frauenanteil insgesamt bei rund 37 Prozent, wovon die Mehrheit keine Führungsposition innehat. In der Geschäftsleitung (GL) und im Verwaltungsrat (VR) ist der Frauen anteil nach wie vor tief.
Die tiefen Frauenanteile sind erstaunlich. Denn 97 Prozent der befragten Organisationen haben gemäss eigenen Angaben Massnah-men zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie ergriffen. 59 Prozent verfügen zudem über Ziele bezüglich der Geschlechterverteilungen, teilweise gar mit lohnrelevanten Konsequenzen für die Verantwortli-chen bei Nichterfüllung.
Bezüglich der Elternschaft bestehen ebenfalls grosse Ungleichge-wichte. Durchschnittlich rund 33 Prozent der Frauen und 42 Prozent der Männer der untersuchten Unternehmen haben Kinder. Bei höhe-ren Positionen fällt der Unterschied noch deutlicher aus: Nur ein Vier-tel der auf den oberen Hierarchiestufen tätigen Frauen sind Mütter, aber über die Hälfte der dort arbeitenden Männer sind Väter. Weiter kehrt jede dritte Frau nach der Mutterschaft nicht zur Arbeit zurück. Von den Rückkehrerinnen arbeiten nach einem Jahr durchschnittlich 86 Prozent noch im gleichen Unternehmen. Trotzdem: Aufgrund die-ser beiden Umfrageergebnisse lässt sich folgern, dass im gleichen Un-ternehmen ein Jahr nach der Mutterschaft durchschnittlich nur noch rund 56 Prozent der Frauen arbeiten. Mit dem Verlust dieser Frauen geht wertvolles und oft langjährig aufgebautes unternehmensspezifi-sches Know-how verloren. Insbesondere im Hinblick auf den demo-graphischen Wandel und den sich abzeichnenden Fachkräftemangel sollte diesem Umstand unbedingt entgegengewirkt werden.
Die Zahlen machen deutlich, dass im Bereich Gender trotz einer Vielzahl eingeführter Massnahmen und entsprechender Fortschritte weiteres Aufholpotenzial besteht. Die entsprechenden Massnahmen beziehen sich nur bedingt auf die Rekrutierung von jüngeren Arbeits-kräften. Vielmehr sollten die Unternehmen vermehrt auch bei der Wei-terentwicklung des Personals ansetzen, Frauen innerhalb der Organi-sation weiter fördern und Stellen mit entsprechender Flexibilität be-reitstellen. Viele Frauen kommen nach wie vor kaum über das mittlere
Management hinaus – insbesondere, wenn sie Mütter sind. Massnah-men wie flexible Arbeitszeitmodelle und Teilzeit, welche grundsätzlich für beide Geschlechter und auch für hoch qualifizierte Arbeitnehmen-de angeboten werden sollten, sind für die Organisationen zentral, um sich künftig als attraktive Arbeitgeberinnen zu positionieren.
Alter: Wissen der älteren Mitarbeitenden nutzen
Das Durchschnittsalter der Mitarbeitenden (ohne VR) über alle be-fragten Organisationen hinweg beträgt rund 41 Jahre, wobei Füh-rungspersonen im Schnitt rund 51 Jahre alt sind. Im Hinblick auf die alternde Gesellschaft interessiert insbesondere auch der Anteil der Mitarbeitenden 50+. Dieser Anteil liegt gesamthaft bei rund 25 Pro-zent und bei rund 30 Prozent bei Führungspersonen. Alle teilneh-menden Unternehmen haben angegeben, während der letzten fünf Jahre Arbeitskräfte, die 50 Jahre oder älter sind, eingestellt zu haben, und über 87 Prozent unterstützen ihre älteren Mitarbeitenden in Be-zug auf den Erhalt ihrer Arbeitsmarktfähigkeit. Dies ist insbesondere im Zuge der sich anbahnenden Veränderungen in der Arbeitswelt, u.a. im Zusammenhang mit der Digitalisierung und einer höheren notwendigen Jobmobilität, sehr wichtig. Bei der Personalrekrutie-rung wiederum sollte der Fokus vermehrt auf ältere Mitarbeitende gelegt werden, um deren Wissen für die optimale Unterstützung der Nachwuchskräfte und zum Wohl der Organisation einsetzen zu kön-nen. Die Resultate zeigen, dass Diversity Management klar einen Nutzen stiftet. Jedoch ist das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft, und diesbezüglich bedarf es noch viel Aufklärungsarbeit.