Energiewandel und Versorgungssicherheit: Stromerzeuger doppelt gefordert
Vor dem Hintergrund des sinkenden Stromverbrauchs in Europa und des Wachstums ihrer Umsätze infolge der Erholung nach der Covid-Krise setzen die Stromerzeuger ihre Investitionen in erneuerbare Energien fort. Die starke Preisvolatilität, die insbesondere auf die geopolitische Lage zurückzuführen ist, hat weitreichende Folgen sowohl für Verbraucher und Erzeuger als auch für die Finanzierung der Energiewende.
Das Beratungsunternehmen Colombus Consulting hat die 7. Ausgabe seiner jährlichen Studie über die finanzielle Gesundheit der europäischen Stromerzeuger veröffentlicht. Diese hält einen Rückgang des Stromverbrauchs fest, der sich in Europa (EU, UK und CH) weiter verstärkt. Anfang 2023 führt der geopolitische Kontext trotz eines Rückgangs des Stromverbrauchs zu Beginn des Winters weiterhin zu Spannungen bei der Energieversorgung. Vor diesem Hintergrund investieren die Stromerzeuger weiter in erneuerbare Energien, um ihre Versorgungsquellen zu diversifizieren.
Dramatisches Umsatzwachstum der Stromerzeuger im Jahr 2022
„Der kumulierte Umsatz der Energieversorger ist zwischen 2021 und 2022 um 88 % gestiegen. Dieser Anstieg ist fast zehnmal so hoch wie der zwischen 2020 und 2021. Die Rentabilität hingegen folgt nicht demselben Trend“, sagt Samy Belaiba, Energieberater bei Colombus Consulting. Tatsächlich fiel das kumulierte EBITDA der Energieversorger (ohne Fortum) in der ersten Hälfte des Jahres 2022 um 11 %.
Diese Feststellung gilt für alle Energieversorger, auch wenn sich hinter diesem Wachstum grosse Unterschiede verbergen. Neun Energieversorger schneiden bei diesem Indikator im Jahr 2021 dennoch besser ab, was zeigt, dass die anderen fünf untersuchten Akteure im Jahr 2021 erhebliche Verluste erlitten haben. „Alpiq und BKW verzeichnen dank der höheren Preise auf den Energiemärkten einen Umsatzanstieg“, ergänzt Samy Belaiba. Bewertungsanpassungen bei finanziellen Absicherungsgeschäften wirken sich stark auf das EBITDA von Alpiq aus (siehe Grafik).
Preisschwankungen, die weder dem Erzeuger noch dem Verbraucher zugute kommen
Die sehr starke Volatilität der Strompreise, die in den letzten Jahren zu beobachten war, kommt weder den Verbrauchern noch den Erzeugern zugute. Die Stabilisierung des Marktes ist eine komplexe Gleichung, und die Mitgliedstaaten haben mehrere Strategien in Betracht gezogen, um die Auswirkungen des plötzlichen Preisanstiegs abzumildern: Deckelung des Gaspreises, Finanzierung von nicht zielgerichteten Preisschilden und/oder zielgerichteten Preisregelungen, Entscheidung für das System des einzigen Abnehmers, Besteuerung von Supergewinnen.
Die Versorgungssicherheit der Schweiz hängt von der erfolgreichen Verknüpfung des Einsatzes kohlenstofffreier Produktionsmethoden ab, so ein weiteres Fazit der Studie. „Das derzeitige Tempo des Ausbaus der Photovoltaik und insbesondere der Windenergie reicht nicht aus, um die im Plan Energiezukunft 2050 beschriebenen Ambitionen zu erfüllen. Der Strombedarf, der durch den Ersatz fossiler Energieträger im Transportwesen und in der Wärmeerzeugung entsteht, wird um mindestens 25% steigen, fügt Samy Belaiba hinzu.
Die Photovoltaikproduktion, die im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen ist, deckt nun 6.3 % des Schweizer Bedarfs, obwohl Stimmen laut werden, die sich für den Erhalt von Grünflächen aussprechen. Die Entwicklung der Windenergie verlangsamt sich ihrerseits. Einige Projekte, die vor 20 Jahren begonnen wurden, warten immer noch auf die Genehmigung durch den Bund oder die Kantone. Es steht viel auf dem Spiel, denn dies entspricht kumuliert einer geschätzten Jahresproduktion von 493 GWh, zusätzlich zu den 1,2 TWh, die sich im Anfangsstadium des Verfahrens oder der Planung befinden. „Auch die Geothermie hat eine Rolle zu spielen. Sie könnte im Jahr 2050 2 TWh Strom pro Jahr erzeugen, aber die Erkundung geeigneter Standorte braucht Zeit“, schliesst Samy Belaiba.
Quelle: Colombus Consulting