Eine Frage der Psyche
Vom 22. bis 24. Juni fand in Bern die Fachmesse ArbeitsSicherheit Schweiz statt. Geschäftsführer, Sicherheitsbeauftragte und alle weiteren Unternehmensentscheider, denen Sicherheit und Gesundheit ihrer Mitarbeitenden wichtig sind, hatten die Gelegenheit, sich an den Ständen der über 150 Aussteller zu informieren.
Ein vielseitiges Rahmenprogramm ergänzte die Standpräsentationen an der Fachmesse für Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz: Die Keynote-Speaker Niklas Baer (Psychiatrie Baselland), Andi Zemp (Privatklinik Wyss AG, zum Thema Prävention psychischer Fehlbelastungen), Andreas Speh (DuPont de Nemours Deutschland) und Dr. Manuela Jacob-Niedballa («Mythos Stress – Wege zur Leistungslust statt Leistungsfrust») zählten sicher zu den Highlights im Vortragsprogramm. Daneben konnten die Fachbesucher eine Höhenrettungsshow erleben, organisiert von Swiss Safety und dem SHRV (Schweizerischer Höhenarbeiterund Rigging-Verband), und den Sicherheitsparcours. Am MeetingPoint der Messe stand zudem der Austausch unter Kollegen im Fokus. Im Rahmen des Themenbereichs Swiss Corporate Fashion präsentierten Anbieter von Berufsbekleidung Neuheiten in puncto Materialien, Tipps zu Pflege und Wartung sowie aktuelle Designtrends.
Belastende Situationen mit Mitarbeitenden
Ein Thema zog sich wie ein roter Faden durch das Referateprogramm in den Praxisforen: Psychosoziale Risiken. Denn während für die Prävention von Unfällen am Arbeitsplatz bereits viel unternommen wird, sieht es bezüglich psychischen Erkrankungen ganz anders aus. Seit durch Statistiken belegt ist, dass immer mehr IV-Berentungen aufgrund psychischer Krankheiten erfolgen und die Absenzen infolge psychischer Krankheiten bei den Krankenkassen immer stärker zu Buche schlagen, hat das Thema an Aufmerksamkeit gewonnen. Doch immer noch wird in den Chefetagen der Unternehmen zu wenig unternommen, wie KeynoteSpeaker Niklas Baer erläuterte. Über 90 Prozent der Führungskräfte haben schon belastende Situationen mit Mitarbeitenden erlebt. Aber ungleich weniger Chefs haben sich schon in der Führung psychisch auffälliger Mitarbeitender schulen lassen. Und ganz allgemein werde immer noch viel zu spät externe Hilfe bei der Bewältigung eines «Falles» beigezogen. Niklas Baer forderte deshalb Führungskräfte dazu auf, nicht erst lange nach Beweisen für ein allenfalls psychisch bedingtes Nachlassen der Arbeitsleistung zu suchen, sondern Probleme «schwieriger» Mitarbeitender früh anzusprechen. Unterstützung anbieten, das Problem verstehen und allenfalls auch Vorgaben machen, damit eine Zusammenarbeit überhaupt weiter möglich sein kann, sind weitere Punkte. Externe Unterstützung von Fachleuten beiziehen und eine Betriebskultur Stellenanzeige schaffen, um psychische Probleme verstehen zu können, Schulung des HRs und weiterer Stabsstellen sind Schritte, die unternommen werden sollten, damit die «Lösung des Problems» nicht einfach in der Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht. «Arbeiten zu können trägt stark zur Verkürzung einer Behandlung von psychischen Krankheiten bei», so erläuterte Niklas Baer den therapeutischen Aspekt.
Eigenverantwortung fördern statt «Sicherheitsaktionismus»
Schwierigkeiten von Mitarbeitenden müssen ihre Ursachen aber nicht immer bei ihnen selbst haben. Oft genug ist es ein ungenügendes Arbeitsumfeld, welches psychosoziale Risiken begünstigt. Darüber sprach der Fachpsychologe Andi Zemp von der Privatklinik Wyss AG. In einem Interview mit der InternetPlattform der Messe nannte er Führung und Arbeitsorganisation als Haupthandlungsfelder zur Prävention psychosozialer Risiken. Es gelte, klare Prozesse und Zuständigkeiten zu definieren und dafür zu sorgen, dass diese auch eingehalten würden. Und bei der Selektion von Führungskräften sei das Augenmerk in erster Linie auf die emotionalen und sozialen Kompetenzen der Person zu legen, erst in zweiter Linie auf deren fachliche Qualifikationen. Gelinge zusätzlich die Schaffung eines wertschätzenden Arbeitsklimas, sei schon sehr viel gewonnen, so Zemp.
In einem weiteren, gut besuchten Referat ging es um das Thema «Vom Sicherheitsaktionismus zur qualitativen Weiterentwicklung unserer Sicherheitskultur». Von «Sicherheitskultur» und «Eigenverantwortung» sei viel die Rede – aber häufig erst, wenn ein Schadensfall eintritt. «Dann herrscht sofort ein Sicherheits-Aktionismus», so der Vortragende Jörg Wieja, Geschäftsführer IBW, Institut für betriebliche Weiterbildung, aus München. Doch häufig führe dieser Aktionismus in eine verkehrte Richtung, nämlich in Sofortmassnahmen, Verbote und Gebote mit kurzfristigem Effekt. Besser wäre es, grundsätzlich eine Veränderung der Sicherheitskultur mit angepassten Verhaltensweisen zum Ziel zu erklären. Voraussetzung dazu sind kulturelle Rahmenbedingungen. 95 Prozent von dem, was wir tun, ist adäquat und sicher. Es gelte – so der Referent – genau diese 95 Prozent zu pflegen, u.a. durch anerkennende Kommunikation. «Also kein ‹Das habt ihr gut gemacht, aber…›», wie Jörg Wieja es ausdrückte. Es gehöre aber auch konsequentes Handeln dazu, das aber schützend, nicht strafend wirken soll. Und nicht zuletzt ist da auch die genannte Eigenverantwortung mit Blick auf die persönliche Gesundheit. Wem es nicht gelinge, «die Gestaltkräfte der eigenen Biografie» nicht zu nutzen, der laufe Gefahr, in Depressionen zu verfallen. Über Verhaltensänderungen mit dem konsequenten Setzen von erreichbaren Zielen könne Selbstvertrauen erzeugt werden, was letztlich zu einem gelingenden Selbstmanagement führt. Solche – psychisch stabilen – Menschen sind in der Regel weniger anfällig für Risiken.
Modische Arbeitskleidung als Blickfang
Das eigentliche Hauptthema der Messe seitens der Aussteller war sicher der Bereich Berufsbekleidung. Der Eindruck war eindeutig: Schutz- und Arbeitskleidung entspricht heute nicht nur den geforderten sicherheitstechnischen Ansprüchen, sondern soll auch Spass machen. Modische Farben und Schnitte, Funktionalität, leichte Pflege sowie hohe Produktqualität sind heute immer wichtigere Faktoren. So gesehen kann auch bezüglich Arbeitskleidung die Gleichung gelten: «Schöner Arbeiten = besser arbeiten».