Ein «Tripadvisor» fürs Altersheim?
Nicht nur die Pflege im Altersheim kostet Geld, sondern auch die nicht-pflegerischen Faktoren wie Kost und Logis. Im Internet existieren inzwischen verschiedene Vergleichsportale, die hier für mehr Transparenz sorgen wollen. Die Angebote stossen aber nicht überall auf Gegenliebe. Objektivität steht Subjektivität gegenüber.
Alters- und Pflegeheime sowie Homecare-Angebote vergleichen wie Hotels? Das zumindest verspricht die Website www.orahou.com. Seit Anfang 2019 sind dort mehr als 1500 Altersund Pflegeheime aufgelistet. Das Portal ist aufgemacht wie eine Hotelbuchungsplattform: Fotos der Heime, Preisangaben – und Sterne. Und gerade diese – nämlich die Bewertungen – stossen nicht überall auf Gegenliebe. Die beiden grossen Dachverbände der Alters- und Pflegeheime, Curaviva und senesuisse, haben 2019 in einem Schreiben ihren Mitgliedern abgeraten, sich an dieser oder ähnlichen Bewertungsplattformen zu beteiligen.
Beitrag gegen Altersarmut?
Hinter orahou.com steht die Helvetic Care AG. Dieses Unternehmen setzt sich zum Ziel, mehr Transparenz in die Betreuung von alten Menschen zu bringen. Besonders ein Dorn im Auge sind dem Unternehmen dabei die zum Teil frappanten Kostenunterschiede bei den nicht durch die Krankenversicherung gedeckten Kosten. Dies betrifft etwa die Pensions- und Betreuungstaxen. Diese nicht pflegegebundenen Kosten können recht hoch ausfallen – mit der Folge, dass Betroffene in absehbarer Zeit in eine Altersarmut geraten können. Deshalb bietet die Helvetic Care AG auf orahou.com auch eine Beratung für die finanzielle Ausgestaltung des Lebensabends an. Sich eine Übersicht darüber zu verschaffen, was ein Aufenthalt im Altersheim letztlich kostet, ist mitunter nicht einfach. Der Preisüberwacher prangerte schon 2018 in einer Analyse über die Alters- und Pflegeheimlandschaft Intransparenz, Uneinheitlichkeit und Unübersichtlichkeit bei den Taxen an. Er warf den Heimen vor, mit diesen Taxen überhöhte Gewinne zu erzielen und in unzulässiger Weise die defizitäre Pflege zu subventionieren.
Was wird bewertet?
Transparenz in die Kostenstrukturen von Alters- und Pflegeheimen zu bringen, ist sicher ein löblicher Ansatz. Aber können das Plattformen wie orahou.com leisten? Für Kritik sorgt das Bewertungssystem dieser Plattform, deren Kriterien in den Augen von Curaviva «an Banalität kaum zu überbieten» seien, wie in einem Artikel der Luzerner Zeitung zu lesen war. Bewertet werden etwa Standort, ÖV-Anbindung, internes Angebot, Zimmerausstattung oder Einkaufsmöglichkeiten. Für alle diese Punkte bestehen weitere Unterkriterien. Es handle sich um ein reines Standortrating, die Pflegeund Betreuungsqualität werde nicht bewertet, betonen die Betreiber von orahou.com. Die Ratings würden durch kompetente Fachleute von Helvetic Care AG vorgenommen.
Anders geht die Website welches-pflegeheim. ch vor. Die Bewertung erfolgt dort ähnlich wie bei einer Hotel-Bewertungsplattform: Über ein Online-Formular lassen sich dort Bewertungen zu Pflege oder Lage abgeben – jeweils über eine Skala von 1 bis 10. Hier stellt sich allerdings noch mehr die Frage, wie objektiv solche Bewertungen überhaupt sein können. Denn während Gäste eines Hotels durchaus Vergleiche mit anderen Hotels, die sie früher besucht haben, ziehen können, ist dies für Bewohnerinnen und Bewohner eines Altersheims nur schwer möglich, da man sich dort in der Regel nur einmal aufhält. Kommt hinzu, dass der Eintritt ins Altersheim oft «notfallmässig» erfolgt.
Subjektiv oder objektiv?
Wie lässt sich aber die Qualität von Altersund Pflegeheimen messen und beurteilen? Die Alters- und Pflegeheime sind in der Regel den kantonalen Gesundheitsgesetzen unterstellt mit jeweils unterschiedlichen Vorgaben für die Qualitätssicherung. Dies allein macht standardisierte Vergleiche und Bewertungen schwierig. Dass nun Internetvergleichsportale damit beginnen, Sterne an Alters- und Pflegeheime zu vergeben, mag durchaus im Sinne der Kunden sein. Denn oft genug stehen objektivierte Bewertungskriterien und -standards einem subjektiven Gesamteindruck diametral gegenüber. Und etwas Druck von «Consumer-Seite» kann durchaus längst fällige Verbesserungsprozesse in Gang setzen – und Schwächen im System aufzeigen.