Ein 11-Punkte-Programm für mehr Photovoltaik

Die Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft ist dringlich. Elektrizität wird dabei zur Schlüsselressource und der Ausstieg aus der Atomenergie erfordert neue Lösungen. Es gilt deshalb, den Zubau von Photovoltaik-Anlagen zu beschleunigen. Der Verband Swissolar hat dazu einen 11-Punkte-Programm entwickelt.

Das 11-Punkte-Programm von Swissolar enthält auch die Forderung nach einem vereinfachten Bewilligungsverfahren für Solaranlagen – auch auf Freiflächen. (Bild: Pixabay.com)

Am 27. Januar 2022 hat die Energiekommission des Ständerates die Beratungen zum Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien (Mantelerlass) begonnen. Die in der bundesrätlichen Botschaft zu diesem Gesetz vorgesehenen Zielwerte für die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien sind aus Sicht von Swissolar, dem Dachverband der Solarenergiebranche, zu tief angesetzt, um einerseits die Versorgungssicherheit und andererseits das Netto-Null-Ziel 2050 zu erreichen. Deshalb hat Swissolar in einem am 26. Januar 2022 präsentierten 11-Punkte-Programm entsprechende Forderungen formuliert. So sollen etwa statt 39 Terawattstunden (TWh) Produktion im Jahr 2050 50 TWh anvisiert werden, wovon 45 TWh aus Photovoltaik-Anlagen stammen. Dieser Wert entspricht weniger als der Hälfte des Solarpotenzials in der Schweiz. Deshalb braucht es einen jährlichen Zubau von 1100 MW (bis 2025) resp. 2000 MW (bis 2030). Auszunutzen gelte es dabei insbesondere das enorme Potenzial von Photovoltaik an Fassaden und den Ausbau von Speicherwasserkraft. So könne, so Swissolar, auch die Energieversorgung in den Wintermonaten gewährleistet sein.

Mit 11-Punkte-Programm Voraussetzungen für schnelleren Zubau schaffen

«Solarenergie wird in der Schweiz Strom in grossen Mengen liefern – erneuerbar, zeitnah und kostengünstig. Damit diese Umstellung gelingt, müssen wir jedoch mehr und schneller zubauen», sagt dazu Jürg Grossen, Präsident von Swissolar. Stromimporte – etwa während des Winters – seien keine Alternative, umso mehr, «wenn man bilaterale Verträge erodieren lässt», wie Grossen mit Blick auf das fehlende Strommarkt-Abkommen mit der EU konstatiert. Insgesamt braucht es also mehr Fördermittel für den Photovoltaik-Zubau. Gemäss Hochrechnungen von Swissolar reicht die bisherige Situation höchstens für einen Zubau von 700 MW pro Jahr.

Der entscheidende Vorteil der Photovoltaik: Sie produziert Energie dort, wo sie gebraucht wird. Doch bauliche Massnahmen sind nur ein Aspekt. Die Forderungen von Swissolar gehen weiter. Im direkten Bezug zum Mantelerlass steht etwa auch die Forderung nach einer Erhöhung des Netzzuschlags um 0.5 Rappen pro Kilowattstunde sowie eine einheitlich geregelte Abnahmevergütung, die sich nach dem Marktpreis richtet, aber gleichzeitig eine Untergrenze aufweist.

Photovoltaik besser in Stromnetze integrieren

Ebenfalls in diesem Gesetz zu berücksichtigen seien gemäss Swissolar die Anträge für eine optimale Integration der Photovoltaik in die Stromnetze. Mit lokalen Energiegemeinschaften, wie sie es bereits in anderen europäischen Ländern gibt, würden Anreize zum Bau von PV-Anlagen mit lokalem Eigenverbrauch gesetzt – ohne zusätzliche Fördergelder und ohne Notwendigkeit teurer Netzausbauten. So könnte etwa ein Betrieb mit grosser Dachfläche darauf eine Solaranlage bauen und den dort erzeugten Strom lokal, z. B. an das angrenzende Quartier, verkaufen. Das ist heute noch nicht möglich bzw. nicht attraktiv, denn eine notwendige Voraussetzung wären reduzierte Netzkosten.

Zudem sind Tarifanreize zur Regelung der Flexibilitäten am Netzanschlusspunkt zu schaffen, um Überlastungen zu vermeiden. Eine entscheidende Rolle wird dabei die boomende Elektromobilität spielen: Die verfügbare Tagesspeicherkapazität in Elektroautos wird grösser sein als die heutige Tagesproduktion aller Schweizer Atomkraftwerke. Die jederzeit flexible zu- und wegschaltbare Leistung wird dabei bis zehnmal grösser sein als jene der heutigen AKW. Um dieses Potenzial zu nutzen, sind die technischen Standards und politischen Rahmenbedingungen rasch anzupassen.

Es könnte noch mehr Solarstrom produziert werden

Die weiteren vorgeschlagenen Massnahmen betreffen die Raumplanung: Die Bewilligungspraxis muss vereinfacht werden, auch für Freiflächenanlagen. Die zukünftig grosse Nachfrage nach Solarpanels dürfe zudem nicht mehr allein durch Hersteller aus Fernost gedeckt werden. Die bis vor Jahren noch führende Solarindustrie in Europa ist inzwischen fast ausschliesslich nach China abgewandert, wo derzeit rund 95 Prozent der Komponenten hergestellt werden – nicht zuletzt durch massive staatliche Unterstützung. Deshalb fordert Swissolar auch von der Schweizer Regierung etwas mehr Industriepolitik: Unser Land soll sich am Wiederaufbau einer europäischen Solarindustrie beteiligen und in die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften investieren. Schon jetzt ist die Schweiz führend bei der Entwicklung von integrierten Photovoltaik-Lösungen, z.B. Dachziegel oder Fassaden-Panels, die direkt Strom produzieren.

Eine weitere Forderung im 11-Punkte-Programm beinhaltet den Abbau von unnötigen Zusatzkosten und administrativen Hemmnissen. Solarinstallateure würden rund die Hälfte ihrer Zeit im Büro verbringen, anstatt bauen zu können, moniert etwa Noah Heynen, Swissolar-Vorstandsmitglied und CEO von Helion, Bouygues E&S InTec Schweiz AG. Die Verfahren seien kompliziert und würden Solaranlagen unnötigerweise verteuern.

Photovoltaik-Förderung durch Pflicht und Anreize

Die Kantone werden im 11-Punkte-Programm ebenfalls angesprochen: Bereits 18 Kantone haben eine Eigenstrompflicht bei Neubauten eingeführt, was einen starken Anreiz für die Erstellung von Photovoltaikanlagen schafft. Auf den Dach- und Fassadenflächen bestehender Bauten könnte mehr Strom produziert werden (ca. 66 TWh) als die Schweiz zurzeit verbraucht. Swissolar schlägt deshalb vor, in sämtlichen Kantonen eine Pflicht zur Nutzung aller geeigneten Flächen auf Neubauten und Sanierungen einzuführen. Zur Steigerung des Zubaus dienen könnten auch steuerliche Anreize, indem etwa die Kosten für Photovoltaik-Neubauten vollumfänglich von den Steuern absetzbar wären.

Bei der Umsetzung dieser 11-Punkte-Programms liegt der Ball aber bei der Politik. Erfahrungen etwa mit dem CO2-Gesetz zeigen, dass Vorlagen, die überladen werden, es beim Stimmvolk schwer haben. Jürg Grossen – er ist bekanntlich selbst Mitglied des Nationalrats – ist aber überzeugt, dass wir es uns nicht erlauben könnten, die Photovoltaik als tragende Säule zur Erreichung des Netto-Null-Ziels, zu gefährden. Würde der Zubau verspätet erfolgen, hätten wir diesbezüglich ein echtes Problem. 

Das 11-Punkte-Programm in Kürze

  1. Klare und verbindliche Ziele für erneuerbare Energien
  2. Berufliche Chancen in der Solarbranche schaffen
  3. Solarkomponenten aus der Schweiz und Europa
  4. Erhöhung des Netzzuschlags und Beschleunigung der Einmalvergütung
  5. Schweizweite klare und einheitliche Regelung der Abnahmevergütung
  6. Solarpflichten bei Neubau und Sanierung
  7. Raumplanerische Hürden beseitigen
  8. Abbau von Zusatzkosten und Bürokratie
  9. Lokale Energiegemeinschaften
  10. Netzkapazitäten dynamisch gestalten, Elektromobilität einbeziehen
  11. Tarifstrukturen/Netznutzungsentgelt
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