Die polizeiliche Hausdurchsuchung als latentes Unternehmensrisiko

Beschlagnahmte Unterlagen, zeitintensive Behördenkontakte, Kosten für Rechtskonsulenten, in Strafverfahren involvierte Mitarbeitende: Das sind mögliche Folgen einer Hausdurchsuchung. Ein firmeninternes Abwehrdispositiv kann diese Risiken drastisch minimieren.

Die polizeiliche Hausdurchsuchung als latentes Unternehmensrisiko

 

Im Rahmen der firmeninternen Risikoanalyse ist das Element einer polizeilichen Unterneh-mensdurchsuchung nicht wegzudenken. Vor einem staatlichen Zugriff ist keine Firma sicher. Selbst bei modernster Ausgestaltung der inter-nen Governance-Struktur und der Implemen-tierung von griffigen Compliance-Massnah-men kann nicht umfassend verhindert werden, dass sich eigene Mitarbeiter strafbar verhalten.

Stetes Risiko
Zu denken ist dabei im Finanzbereich an Ver-mögensdelikte, also beispielsweise Verun-treuung von firmeneigenen Vermögenswer-ten oder betrügerisches Verhalten von Mitar-beitern gegenüber Kunden. Ein stetes Thema ist die Geldwäscherei, gemischt mit weiteren Deliktsbereichen. Im industriellen Bereich fallen insbesondere Produktemängel mit dar-aus resultierenden Folgeschäden in Betracht, welche auch bei fahrlässiger Tatbegehung sanktioniert werden können. Die Wechselwir-kung solcher Taten auf die Strafbarkeit eines Unternehmens selbst ergibt sich aus Art. 102 des Schweizer Strafgesetzbuchs, wonach bei Fehlverhalten von Mitarbeitern die juristische Person mit Busse bis zu fünf Mio. Franken be-straft werden kann, wenn diese nicht genü-gend organisiert ist, um entsprechende Vor-kommnisse zu verhindern.

 

Eindrücklich ist in diesem Zusammen-hang, dass gemäss aktuellen Zahlen jede drit-te Firma von Kriminalität betroffen sein soll und diese dadurch im Umfang von jährlich mehreren 100 Millionen Franken geschädigt werden. Das Risiko einer polizeilichen Durch-suchung ist damit bei jeder Firma latent vor-handen und sollte entsprechend vorbereitet werden.

Erlangen von Unterlagen
Wenn die Behörden Dokumente von Unter-nehmen erhalten wollen, haben sie sich an den verfassungsmässigen Grundsätzen der Verhältnismässigkeit und Fairness zu orien-tieren, die Strafprozessordnung statuiert die Details. Das heisst, dass zum Erlangen von Unterlagen das möglichst mildeste Mittel zu ergreifen ist, ohne damit jedoch den Zweck der Untersuchung zu gefährden. Dazu hat sich eine gewisse Praxis eingespielt:

 

  • Als Standard zur Erlangung von Unterlagen steht als Alternative zur Hausdurchsuchung primär die schriftliche Edition von Doku- menten und Daten im Vordergrund; die Ge- schäftsleitung eines Unternehmens wird mittels Verfügung zur Herausgabe aufgefor- dert, inklusive Fristansetzung. Dies erfolgt unterhalb des öffentlichen Radars und oh- ne mediales Aufsehen.
  • Als nächstqualifizierte Stufe zum Erlangen von Unterlagen wurde in den letzten Jah- ren das Instrument der sogenannten be- gleiteten Edition verwendet. Hier spricht die Staatsanwaltschaft ohne Vorwarnung bei einer Firma vor und fordert zur freiwil- ligen Herausgabe von Unterlagen auf. Wenn einer solchen Aufforderung unmit- telbar gefolgt wird, wird nicht durchsucht.
  • Anderenfalls wird zur eigentlichen Haus- durchsuchung geschritten. Dabei steht nicht selten ein Team von qualifizierten Ermitt- lern bereit, um diese zielgerichtet und um- fassend durchzuführen. Die Konsequenzen einer Hausdurchsuchung sind bei Weitem nicht nur rechtlicher Natur. Nicht selten werden grössere Hausdurchsuchungen me- dial begleitet mit entsprechender Schlagzei-le, unabhängig von der vielfach erwähnten Unschuldsvermutung. Der Reputations- schaden führt unweigerlich zu Identifikati- onsproblemen der Stakeholder, mit mögli- cher Wechselwirkung auf Umsatz, Gewinn und Akzeptanz der Firma.

 

Es gilt, den Ernstfall vorzubereiten. Das Auf-rechterhalten des Betriebs ist zu gewährleis-ten, Prozessunterbrüche sind zu minimieren, ein entsprechendes Dispositiv zu implemen-tieren. Dies beinhaltet das Definieren von Ab-läufen und Ansprechpartnern gegenüber den Behörden bis hin zum Eintrainieren von Ein-vernahmesituationen. Ein Beschuldigter kann sich auf die Miranda-Rechte abstützen, das heisst, er kann die Aussage verweigern und ei-nen Anwalt beiziehen. Andererseits ist damit zu rechnen, dass jegliche Äusserungen von der Staatsanwaltschaft verwertet werden können.

Ablauf einer Hausdurchsuchung
Die Hausdurchsuchung muss grundsätzlich erduldet werden. In rechtlicher Hinsicht be-steht wenig Spielraum, um sich gegen den Akt einer Durchsuchung zur Wehr zu setzen. Zu Beginn wird von der Polizei die Verdachtslage und der Grund der Hausdurchsuchung mitge-teilt. Es erfolgt der Hinweis auf die Rechte und Pflichten der Anwesenden, viel Zeit zur Reak-tion und intellektuellen Verarbeitung bleibt nicht. Das zentrale Recht ist dabei die soge-nannte Siegelung. Das heisst, dass die an den Dokumenten Berechtigten – Mitarbeiter, Drit-te oder die Firma selbst – den Verschluss der sichergestellten Akten mittels Siegel verlangen können. Wenn dieses Recht wahrgenommen wird, ist in der Folge ein Richter zum Ent-scheid zuständig, ob die sichergestellten Un-terlagen von der Staatsanwaltschaft ausgewer-tet werden können oder nicht.

 

Wenn anlässlich einer Hausdurchsu-chung auch Personen verhaftet werden sol-len, sind wiederum andere Rechte und Abläu-fe von Relevanz. Die Sicherung von Personen ist zunächst ebenfalls zu erdulden. Erst nach Ablauf der prozessualen Fristen, bis maximal vier Tage nach einer Verhaftung, hat ein Zwangsmassnahmerichter über die Recht­ Wenn anlässlich einer Hausdurchsu-chung auch Personen verhaftet werden sol-len, sind wiederum andere Rechte und Abläu-fe von Relevanz. Die Sicherung von Personen ist zunächst ebenfalls zu erdulden. Erst nach Ablauf der prozessualen Fristen, bis maximal vier Tage nach einer Verhaftung, hat ein Zwangsmassnahmerichter über die Recht­

Beeinträchtigung des Firmenbetriebs
Nicht selten beginnen unternehmensrele-vante Hausdurchsuchungen vor der eigentli-chen Tangierung der Firma durch die Polizei. Stehen Mitarbeiter oder Organe im Verdacht strafbarer Handlungen, wird eine Durchsu-chung derer Privaträumlichkeiten relevant. Es erfolgt damit eine Staffelung von Durchsu-chungen, beginnend zu Hause im familiären Bereich. Nach Abschluss der Privatdurchsu-chung werden Beschuldigte an den Arbeits-platz bzw. in die Firma verbracht, wo in deren Anwesenheit Folgedurchsuchungen erfolgen. Firmeninterne Durchsuchungen können Stunden andauern, manchmal Tage. Als zent-raler Schritt einer Hausdurchsuchung gilt die Sicherung der EDV-Daten, welche nach Mög-lichkeit mittels Spiegelung von Servern er-folgt. Das führt unter Umständen zur Lahm-legung der firmeninternen Struktur. Damit ist davon auszugehen, dass eine polizeiliche Durchsuchung die Arbeit von Mitarbeitern und Organen sowie die Funktionsweise des Firmenbetriebs umfassend beeinträchtigen kann.

 

Es zeigt sich also, dass die Entwicklung eines firmeninternen Abwehrdispositivs zum Standard eines ausgereiften und realitätsbe-zogenen Risikomanagements gehört. Auch im Anschluss an Durchsuchungen können Strafverfahren ein Unternehmen nachhaltig beschäftigen oder sogar jahrelang in der wirt-schaftlichen Entwicklung beeinträchtigen.

 

 

 

 

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