Die Kunst, Verantwortung zu übernehmen
Verantwortung zu übernehmen scheint nicht beliebt zu sein – im Arbeitsleben wie im Alltag. Schnell und bequem lässt sich die Verantwortung auf andere schieben. Dies gilt im Besonderen für negative Verantwortlichkeiten, beispielsweise wenn ein Projekt platzt oder ein Kunde Unzufriedenheit äussert.
Bei weitreichenden Entscheidungen tun sich die meisten Führungskräfte schwer – werden sie doch zur Rechenschaft gezogen, wenn ih-re Entscheidungen sich als nicht förderlich herausstellen. Andererseits wird oft die Ge-haltsforderung eines Managers damit be-gründet, dass auch die Verantwortung grös ser sei. Warum haben dann Manager offen-sichtlich Angst davor, diese Verantwortung wahrzunehmen und Entscheidungen zu tref-fen? Was bedeutet das überhaupt: Verant-wortung? Zuallererst ist Verantwortung die Zuschreibung einer Pflicht, also einer Aufga-be für etwas oder jemanden. Eine höhere Ins-tanz verleiht diese Verantwortung, im Gegen-zug kann die Instanz auch die Erfüllung der übertragenen Pflichten einfordern. Der Ver-antwortliche erscheint gegenüber der Instanz rechenschaftspflichtig. Eine unzureichende Pflichterfüllung hat immer Konsequenzen, positive wie negative. Welche Spielregeln gilt es für eine erfolgreiche Wahrnehmung der Verantwortung zu beachten?
Verantwortung explizit übergeben
Bei der Übergabe von Verantwortung kommt es auf einen klaren Auftrag an. Dieser enthält im besten Falle die Pflichten, den Zweck und die erstrebenswerten Ziele. Auch die Gren-zen der Verantwortung sollten deutlich auf-
«Eine unzureichende Pflichterfüllung hat immer Konsequenzen.»
gezeigt sein. Die Realität sieht oft anders aus: Nicht selten übertragen Mitarbeiter Verant-wortung auf Zuruf mit einem lapidaren «mach mal …». Oft findet eine Auftragsklärung gar nicht statt oder es bestehen Vorannah-men, nach denen mehr oder minder willkür-lich gehandelt wird. Dies führt innerhalb von Unternehmen oft zu Konflikten und Schuld-zuweisungen.
Erste Regel: Ohne klaren Auftrag kann Verantwortung nur schwer übernommen werden.
Gesundes Pflichtbewusstsein
Im Rahmen der übergebenen Verantwortung sorgt der Verantwortliche für die Erfüllung seiner Pflichten. Dabei kann er im Rahmen der gesteckten Ziele und Grenzen frei über Prioritäten und Mittel zur Pflichterfüllung entscheiden. Die Grenzen des Pflichtbewusst-seins bilden vor allem drei Faktoren:
1. Können: Der oder die Verantwortliche be-nötigt für die Erfüllung der Pflichten be-stimmte Fähigkeiten. Fehlen diese, bleibt die Aufgabe nicht oder nur unzureichend erfüllt. Der Verantwortliche ist hier in der Pflicht, die erforderlichen Fähigkeiten zu erwerben.
2. Wollen: Auch wenn das nicht bei allen Pflichten in gleicher Weise gelingt, so ist es dennoch der Sache förderlich, Verant- wortung an Personen zu vergeben, die die damit verbundenen Pflichten auch mit der nötigen Motivation angehen. Nichts schadet dem Ergebnis mehr als der feh- lende Wille.
3. Dürfen: Die Freiheit, bei der Pflichterfüllung über die Mittel und Wege zur Zielerreichung entscheiden zu können, gibt dem Verantwortlichen die nötige Flexibilität. Zur Pflichterfüllung darf es darüber hinaus nicht an der nötigen Autorität fehlen. Diese muss dem Verantwortlichen mit auf den Weg gegeben werden. Fehlt diese Autorität, beispielsweise weil Entscheidungen immer wieder von der nächst höheren Instanz getroffen oder gar revidiert werden, dann entpuppt sich der Verantwortliche schnell als zahnloser Tiger.
Zweite Regel: Wer Verantwortung übernimmt, braucht die nötigen Freiheiten und ausreichend Macht.
Dritte Regel: Verantwortung übernimmt nur, wer auch entscheidet und konsequent handelt.
Offene Kommunikation
Wer Rechenschaft ablegen will oder soll, muss vor allem informieren. Der Verantwort-liche sorgt aktiv dafür, dass Pläne, Status, Fortschritte und Hindernisse den Mitarbei-tern und der Führungsebene bekannt sind und nicht nur ihm selbst. Im Unternehmens alltag geschieht das in Form von Berichten – Rechenschaft ablegen hat jedoch oft den Cha-rakter der Rechtfertigung. Statt einfach zu berichten, verleitet diese Situation zum Er-finden von Ausreden. Häufig geht es dann nur noch darum, warum es mit der Erfüllung der Pflichten nicht so recht funktioniert hat. Dar-über hinaus verschleiert eine oftmals un-durchsichtige Detailtiefe den Status. Die zu bewältigenden Herausforderungen erschei-nen als unüberwindliche Hindernisse. Nach dem Motto: tarnen, täuschen und türmen.
Vierte Regel: Wer verantwortlich ist, sorgt für Klarheit und hat keine Angst vor schlechten Nachrichten.
Fünfte Regel: Verantwortliche beteiligen sich niemals am beliebten sogenannten «Fingerpointing».
Pflichten haben Konsequenzen
Für den Verantwortlichen muss die Erfül-lung seiner Pflichten ebenso Konsequenzen haben wie die Nicht-Erfüllung. Ein Lob für eine gute Leistung gehört ebenso zu den möglichen Konsequenzen wie eine klare An-sage bei unzureichender Pflichterfüllung. In den meisten Fällen sollte es jedoch darum gehen, was in Zukunft besser gemacht wer-den kann und wie dies zu erreichen ist. Schliesslich geht es nicht darum, einen Sün-denbock zu suchen, sondern gesteckte Ziele zu erreichen. Auf allen Ebenen halten sich Mitarbeiter zu oft und zu lange am vermeint-lichen Fehlverhalten Einzelner auf. Dabei hat es nur sehr selten einen tatsächlichen Nut-zen, sich mit der Schuldfrage zu beschäfti-gen. In den weitaus meisten Fällen lässt sich verantwortungsvolles Handeln durch die ge-meinsame Arbeit an den Grundregeln ein-fordern.
Sechste Regel: Wer Verantwortung übernimmt, fordert Feedback ein und wächst an den Aufgaben.