Die Blockchain und ihre Standardisierung
Die Verteilung von digitalen Werten über miteinander verknüpfte Rechner scheint Transaktionen im Bereich der Effizienz im IT-, Fintech-Sektor, aber auch im Schwei-zer Regierungs- und Rechtswesen zu fördern, wenn nicht zu verbessern. Derweil ver-suchen Experten die vielverheissende und doch komplexe Blockchain-Technologie bestmöglich zu regulieren.
Die Blockchain-Technologie verspricht so eini-ge Verbesserungen – von Rechner zu Rechner, von Vermittler zu Nutzer und vice versa. Ein-zelne Regionen, siehe das in Zug proklamierte Crypto Valley 1), haben bereits Hunderte von Gründerunternehmen angelockt. Möglicher-weise, weil der Zuger Regierungsrat Werte wie «Collaboration», Integrität, Sicherheit und Transparenz mit der Blockchain gleichsetzt. Werte, die speziell auch Unternehmen in der digitalen Zukunft dienen sollen. Vermehrt nutzen jedoch auch ominöse Programmierer Kryptowährungen. Die kryptografisch abge-sicherte Verkettung einzelner Informations-blöcke birgt daher nicht nur vielversprechen-de kooperative Chancen, sondern auch risi-koreiche Effekte.
Erste Regulierungen zur digitalen Ver-kettung einzelner Blöcke kursieren schon eine Weile. Das Konzept der Blockchain als verteil-tes Datenbankmanagementsystem wurde be-reits 2008 unter dem Pseudonym Satoshi
Nakamoto im White Paper zu Bitcoin be-schrieben. Im Jahr darauf implementierte er die erste Bitcoin-Software und lancierte damit die erste öffentliche Blockchain.
Inzwischen gab es Höhen und Tiefen in der Blockchain-Szene, so auch im Crypto Val-ley am Zugersee. Es wird daher immer wichti-ger, Blockchain-Prozesse und -Transaktionen zu steuern, letztlich auch zu regulieren. Neuer dings sorgen sich auch hierzulande Organisa-tionen wie das Schweizer Normenkomitee INB/NK 208 («Blockchain and Distributed Ledger Technologies») um die Standardisie-rung bisher peripher verteilter Blockketten.
Schweizer Normenkomitee
Die Gründungssitzung vom ISO/TC 307 «Blockchain and Distributed Ledger Technologies (DLT)», die kürzlich in Sydney, Australien, stattfand, brachte internationale Experten aus über 30 Ländern zusammen, um den Kurs für die künftige Standardisierung in diesem Bereich zu setzen. Dabei wurden bis heute fünf Studiengruppen für die Standardentwicklung in den folgenden Bereichen geformt:
- SG1 «Reference architecture, taxonomy and on-tology»
- SG2 «Use cases»
- SG3 «Security and privacy»
- SG4 «Identity»
- SG5 «Smart contracts»
Craig Dunn, Vorsitzender des ISO/TC 307, des Sekretariats von Standards Australia, erklärte, die Blockchain könne immense Auswirkungen in den Bereichen Wirtschaft und Regierung haben: «Blockchain-Technologien gestatten es, bei einem Austausch Zuverlässigkeit und Sicherheit zu gewährleisten, ohne dass ein externer Überwacher nötig ist. Ebenso sind sie ein nützlicher Baustein für andere Initiativen wie zum Beispiel in den Bereichen Antikorruption oder Betrugsprävention.»
Nicht nur die Internationale Organisa tion für Standardisation ISO hat 2016 bedeu-tende Punkte bezüglich der Blockchain defi-niert, ebenso arbeitet man in der Schweiz an deren Normierung. Thomas Puschmann bei-spielsweise setzt sich mit wichtigen Punkten in Sachen «Blockchain and Distributed Ledger Technologies» in einem Komitee für «Block-chain» auseinander.
Puschmann, Forschender am Swiss Fin-Tech Innovation Lab an der Universität Zü-rich, ist Vorsitzender des Normenkomitees INB/NK 208. Dieses Komitee dreht sich um die zukünftigen Standardisierungsarbeiten. Um die Blockchain standardisieren zu kön- nen, muss man sie jedoch zuerst verstehen: «Dezentral organisierte Systeme wie Block-chain benotigen prinzipiell keine Zwischen-händler zur Abwicklung von Transaktionen, da die Authentifizierung sowie die Transak tionsabwicklung uber die Blockchain statt-finden», erklärt der Experte gegenüber Ma-nagement & Qualität. Durch die Aneinander-reihung aller Blöcke ist es möglich, jede ver-gangene Transaktion bis hin zum ersten Block, dem sogenannten «Genesis Block», zu-rückzuverfolgen und zu verifizieren.
Ein Beispiel hierfür ist eine Wertpapier emission. Vor gut einem Jahr sorgten soge-nannte ICOs für Aufmerksamkeit. Im Unter-schied zu einem IPO (Initial Public Offering), bei dem ein Unternehmen Wertpapiere an ei-ner Börse emittiert, findet durch ICO (Initial Coin Offering) eine reine digitale Transaktion statt. Der Blockchain-Experte erklärt: «Unter-schiedlich sind ausserdem der Prozess, der oh-ne Intermediäre erfolgt, sowie die Art der ‹Wertpapiere›, die typischerweise in Form von sogenannten digitalen ‹Token› (dt.: Zeichen, Wertmarken) distribuiert werden.»
Implementierte Verträge
Die Blockchain ermöglicht sogenannte Smart Contracts. Das sind elektronisch abgebildete Verträge, «die mit Versicherungs- oder Dienst-leistungsverträgen» verglichen werden kön-nen. Wie papierbasierte Verträge beinhalten auch diese wirtschaflich und rechtlich ver-bindliche Regeln. «Sie sind vergleichbar mit automatisierbaren Bausteinen». Grundsätz-lich könne jeder Smart Contract auf einer Blockchain respektive DLT implementiert sein und damit denselben Grundprinzipien wie bei transaktionsorientierten Kryptowäh-rungen «gehorchen».
Puschmann macht einen Vergleich an-hand eines Beispiels: «Wenn ein Fahrzeugbe-sitzer seine Versicherung nicht fristgerecht bezahlt hat, könnte automatisch eine Fahr-sperre beim zuständigen Strassenverkehrsamt erlassen werden»; so könnten gemäss dem Normenexperten mangelnde oder unlautere Blockchain-Transaktionen durch Netzsperren «blockiert» werden. Ein weiterer Vorteil durch Smart Contracts: die parallele Digitalisierung von Rechts- und Wirtschaftsregeln.
Thomas Puschmann meint: «Hierdurch erfüllt diese Technologie eine bislang beste-hende Lücke, indem sie neben der Standardi-sierung des Informationszugangs (HTML, Codes etc.), des eigentlichen Dienstezugriffs (SOAP etc.), nun auch den Bereich von Werten miteinbezieht.» Darüber hinaus ermögliche diese Technologie erstmals die sichere elekt-ronische Übertragung von Werten (Geld, Wertpapiere etc.) jeglicher Form.
Risiken und offene Punkte
Welche Konsequenzen die Blockchain-Tech-nologien für Schweizer Sektoren mit sich zie-hen, ist und bleibt ungewiss. Die Eidgenössi-sche Finanzmarktaufsicht FINMA hat in einer Wegleitung kürzlich erste Eckpfeiler für ICOs (Initial Coin Offering) publiziert. Ihr Klassifi-zierungsansatz basiert auf drei unterschiedli-chen Typen an Token, die sich am Zweck ei-nes «Wertes» orientieren (Stichworte: Nut-zung, Bezahlung, Anlage). Nutzungs-Token etwa gewähren Zugang zu einer spezifischen Leistung, Bezahlungs-Token sind mit Kryp-towährungen gleichgesetzt (z. B. Bitcoin), und mit einem Anlage-Token erhält ein Anle-ger einen Vermögenswert.
Die FINMA adressiert damit vor allem die Themen Geldwäscherei und Handel von Anlagen. Vorerst unterliegen Anbieter, die virtuelle Währungen herstellen oder als Zah-lungsdienstleister auftreten, den üblichen FINMA-Regelungen.
Eine Kryptowährung hat auch noch kei-nen offiziellen Verbrauchswert. Es besteht kein Recht auf die Lieferung einer Ware oder Erbringung einer Dienstleistung, wenn man ein Bitcoin bestellt. So gibt es auch keine Rück-zahlungsverpflichtung oder ein eigentliches Anrecht auf einen Gewinnanteil, sollte der Bitcoin-Kurs «durch die Decke schiessen». Aus steuerlicher Sicht gilt eine Kryptowährung als eine Art digitales Geld. Die Steuerbehör-den verzeichnen denn auch einen Block-chain-Wert wie eine ausländische Währung – sie kommunizieren für Kryptotransaktio-nen (zurzeit) den Jahresendkurs.
Demian Stauber, ein Mitglied des neuen Schweizer Normenkomitees «Blockchain INB/NK 208» und Rechtsanwalt für Immate- rialgüterrecht, Informationstechnologierecht und Vertragsrecht, betont:
«Die Blockchain-Themen, welche die FINMA auf die Agenda gesetzt hat, markieren erst den Beginn einer weiteren Diskussion. Es braucht noch einige Klassifikationsansätze, um die neue Technologie zu typisieren. So geht es nicht nur um die technischen Fragen (z.B. Referenzarchitektur, Protokolle, Sicherheit), sondern auch etwa um Rechtsfragen entlang des Lebenszyklus eines Tokens wie zum Beispiel die Schaffung (Verkauf, Vermittlung, Verteilung, etc.).»
Solche Punkte (siehe Box nebenan) führen zu weitergehenden regulatorischen und rechtlichen Fragestellungen, die erst gerade Gegenstand der Diskussion werden.