Die Blockchain institutionalisiert sich
Crypto-Geld, die Blockchain, effiziente Transaktionen, Qualitätssicherung in der Industrie, automatisierte Verträge, sicheres eVoting und vieles mehr – die Erwartungen an die Blockchain steigen laufend. Gleichzeitig sind für viele Menschen Blockchain und Bitcoin immer noch Synonyme, die wenige verstehen.
Sowohl in der Industrie als auch im Dienstleistungssektor mehren sich die Blockchain-Anwendungen. Da die Technologie Arbeitsprozesse erleichtert und die Produktivität steigert, interessieren sich nicht nur Unternehmer, sondern auch immer mehr Schweizer Bankiers dafür. Diese allgemeine Anerkennung ist ein beachtlicher Fortschritt für eine so komplexe Technologie. Gleichzeitig beginnen sich aber auch ihre Schwächen zu zeigen, die hoffentlich bald behoben werden.
Die Blockchain, persönlicher Zahlungsgarant und «virtueller Notar», wird durch Dutzende Computer verkörpert, die sich zusammenschliessen, um Transaktionen zu validieren und zu speichern. Anfangs standen primär zwei Aspekte im Vordergrund: die Schaffung einer virtuellen Währung (Bitcoin) und die automatisierte Validierung von Finanztransaktionen.
Smart Contracts
Seit der Einführung der «Smart Contracts», welche die Blockchain, das Internet der Dinge und die digitale Erstellung von Dokumenten kombinieren, wird die Technologie in zahlreichen Tätigkeitsbereichen unentbehrlich. So beispielsweise für die Digitalisierung der Zollformulare, die beim internationalen Warenverkehr gleich bündelweise anfallen, für die Automatisierung der Finanzierung des Rohstoffhandels, um die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln und die richtige Temperatur beim Transport empfindlicher Medikamente zu garantieren oder um den Lesern von digitalen Medien die genaue Lesezeit in Rechnung zu stellen, und für viele andere Prozesse.
Der Aufstieg der Initial Coin Offerings oder ICOs ist inzwischen die zweite wichtige Anwendung der Blockchain. Auf halbem Weg zwischen Crowdfunding und Börsengang geht es hier darum, dass ein Start-up seine Entwicklung durch die Ausgabe von sogenannten «Coins» finanzieren kann, die auf einer Blockchain-Plattform gehandelt werden können. Der Kanton Zug war weltweit einer der ersten und bis heute einer der wenigen Orte, die dieser Art der Finanzierung einen rechtlichen Rahmen bieten, was ihm den Namen «Crypto Valley» eintrug.
Diese ICOs bringen jedoch zwei Probleme mit sich. Auch wenn die Transaktionen über die Blockchain gesichert sind, so kann der Anleger dennoch unter einem Pseudonym handeln. Und was soll mit den «Coins» geschehen, wenn es darum geht, grössere Räumlichkeiten zu mieten oder Geräte und Material mit Schweizer Franken bezahlt werden müssen?
Schwächen ausbügeln
Im vergangenen September hat die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) ihre Mitglieder aufgefordert, die Einhaltung des Geldwäschereigesetzes durch Unternehmen zu überprüfen, die ICOs lancieren. Ausserdem veröffentlichte sie einen Leitfaden, der den Banken helfen soll, Konten für Unternehmen zu eröffnen, die ihre «Coins» in klingende Münze umwandeln möchten. Diese institutionelle Anerkennung war dringend erwartet worden.
Mit der Zeit stellte sich allerdings heraus, dass die Blockchain auch Schwachstellen hat. So mag sie zwar den Datenaustausch steuern, überprüft dabei aber nicht, ob die bereitgestellten Informationen auch korrekt sind. So ist beispielsweise die Rückverfolgung des Namen eines Züchters, der das Fleisch für eine Tiefkühllasagne geliefert hat, nur dann möglich, wenn dieser keinen falschen Namen angegeben hat. Wie lassen sich die erfassten Informationen authentifizieren?
Ratlos stimmt auch das Missgeschick, das dem Start-up DAO bei seinem IOC widerfahren ist. Einer der Investoren stiess auf einen Fehler im Quellcode, der von allen andern Anteilseignern akzeptiert worden war, und konnte so 50 Millionen Dollar entwenden. Ist das rechtswidrig? Muss man den in der Lage sein, Computercode zu lesen, um sich in die Welt der ICOs zu wagen?
Und schliesslich: Ist die Blockchain umweltfreundlich? Bitcoin zum Beispiel, die Blockchain-Anwendung, die wegen ihres gigantischen Energiekonsums am heftigsten im Kreuzfeuer der Kritik steht, verbraucht so viel Strom, wie vier Atomkraftwerke erzeugen – also wirklich sehr viel.
Diese drei Beispiele zeigen, dass diese Technologie noch nicht ausgereift ist. Aber es besteht kein Zweifel daran, dass sich das rasch ändern wird. Der «Crypto-Anker», ein essbarer Mikrocomputer, wird, beispielsweise in eine Tablette eingebettet, bald jedem ermöglichen, die Echtheit dieses Medikaments per Smartphone zu überprüfen. Und bereits jetzt verbraucht die neuste Computergeneration, die den Blockchain-Betrieb sicherstellen soll, deutlich weniger Strom.
Noch muss die Blockchain-Technologie ihren Platz erst finden. Ungemein vielversprechend ist sie bereits jetzt. (Quelle: asut)
Claude Beglé*
Claude Béglé, Waadtländer (CVP), verfolgt die Herausforderungen der Digitalisierung mit grösstem Interesse und hat deshalb auch eine Motion zur Blockchain eingereicht, in der er den Bundesrat auffordert, mit allen betroffenen Interessengruppen eine Strategie zu erarbeiten, die es der Schweiz erlauben würde, ihre dominante Stellung in der Blockchain-Technologie weiter zu festigen.