Die 7 Todsünden von Leadern – auch im digitalen Zeitalter
Welche Eigenschaften und Verhaltensweisen zeichnen eine gute Führungskraft aus? Das fragten sich schon in der Antike politische und religiöse Würdenträger. So auch Papst Gregor I. Er listete Ende des 6. Jahrhunderts im „Lasterkatalog“ 7 Wurzelsünden - auch als Todsünden bezeichnet - auf, die bei Führungskräften zu einem Fehlverhalten führen. Dieser Katalog kann auch im digitalen Zeitalter Managern als eine Richtschnur für ihr Handeln dienen.
Menschen und Organisationen führen – diese Aufgabe hatte schon Würdenträger in der Antike; unabhängig davon, ob sie als „Führungskräfte“ zum Beispiel im Dienst der ägyptischen Pharaonen oder römischen Kaiser standen. Auch die religiösen Führer standen vor dieser Herausforderung – zum Beispiel die der katholischen Kirche. Denn nachdem der christliche Glaube im Jahr 380 römische Staatsreligion geworden war, entwickelte sich die Kirche zu einer so großen und mächtigen Organisation, dass man sie mit ihren zahlreichen Bistümern, Orden und Klöstern mit einem multinationalen Unternehmen mit vielen Tochtergesellschaften vergleichen kann.
Sieben Todsünden, die auch heute noch relevant sind
Eine relevante Frage war somit für die Entscheider in der Kirche: Nach welchen Prinzipien führen wir unsere Organisation? Und: Wie sollten sich ihre „Führungskräfte“ verhalten? Denn klar war ihnen: Wenn sich unsere Amtsträger falsch verhalten und ihren Mitarbeitern keine Verhaltensorientierung geben, bricht unsere Organisation auseinander.
Auch Papst Gregor I. beschäftigte sich mit diesem Thema und formulierte Ende des 6. Jahrhunderts den „Lasterkatalog“. In ihm listet er 7 Wurzelsünden auf, die fälschlicherweise oft als Todsünden bezeichnet werden. Sie beschreiben Einstellungen und Haltungen, die zu einem Fehlverhalten und somit Fehlentwicklungen führen. Diese 7 Wurzelsünden sind auch heute noch relevant. Manager, die echte Führungspersönlichkeiten – also Leader – sind, vermeiden sie intuitiv.
Wurzelsünde 1: Superbia (Hochmut, Ruhmsucht, Stolz)
Für Gregor I. war dies die schwerste Sünde. Denn sie war für ihn Ausdruck einer Ich-Bezogenheit. Das heißt, der Hochmütige begreift sich nicht mehr als Teil eines großen Ganzen. Er fühlt sich seinem Umfeld überlegen und gibt sich Allmachtsfantasien hin. „Ich kann alles – steuern, beherrschen, tun.“ Dem Hochmütigen fehlt die Demut: Er ist sich seiner Angewiesenheit auf andere und seiner Grenzen nicht mehr bewusst.
Auch Manager sind vor Hochmut nicht gefeit – gerade wenn sie schon oft ihre Exzellenz bewiesen und Überdurchschnittliches geleistet haben. Leben sie in einem Elfenbeinturm und sind sie nur noch von Bewunderern und „Hofschranzen“ umgeben, besteht die Gefahr, dass sie den Realitätsbezug verlieren. Dann ist ein Scheitern absehbar. Denn Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall.
Prävention:
- Umgeben Sie sich mit Personen mit Rückgrat, die Ihnen ein ehrliches Feedback geben.
- Begeben Sie sich zuweilen bewusst in Milieus, in denen Ihr beruflicher Status wenig zählt.
Wurzelsünde 2: Avaritia (Geiz, Habgier, Habsucht)
„Hauptsache, ich gewinne“, „Hauptsache, ich stehe gut da und komme voran.“ Wer nur in solchen Kategorien denkt und handelt und stets versucht für sich das Optimum herauszuschlagen, wird einsam. Er findet weder Freunde, noch Verbündete – außer solchen, die zeitlich mit ihm paktieren, um ihn bei der erstbesten Gelegenheit über den Tisch zu ziehen. Ebenso wie dies der Habgierige seinerseits tun würde.
Für Habgierige haben Verträge, Zusagen, Beziehungen nur so lange einen Wert, wie sie davon profitieren. Das spüren ihre Mitmenschen. Also entwickeln sie zu ihnen kein Vertrauen. Deshalb stehen Habgierige, wenn es hart auf hart kommt, alleine da. Niemand stärkt ihnen den Rücken – außer einigen bezahlten Anwälten.
Von „Avaritia“ ist manch Manager bedroht. Denn wer nach oben will, muss auch einen gewissen Biss, also Ehrgeiz, haben. Auch manch Organisation hat die Avaritia gepackt. Die Folge: Kunden werden übertölpelt, Lieferanten und Mitarbeiter wie Zitronen ausgepresst. Die Folge: illoyale Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter, worunter zumindest langfristig der Erfolg leidet.
Prävention:
- Machen Sie sich bewusst, wie wichtig verlässliche Partner zum Erreichen der (Lebens-)Ziele sind.
- Denken Sie ab und zu daran: Sein (und Leben) ist mehr als Haben.
Wurzelsünde 3: Luxuria (Verschwendung, Ausschweifung)
Was ist unserem Chef wirklich wichtig? Der Erfolg des Unternehmens? Oder ist es eher der eigene Aufzug und Chauffeur? Oder eine gute Presse? Für solche Dinge haben (nicht nur) Mitarbeiter eine feine Nase. Sie spüren genau, wann es dem Chef wirklich ums große Ganze geht, und wann er primär sein Ego befriedigen möchte.
Entsprechend vorsichtig sollten Unternehmensführer damit sein, ihren persönlichen Erfolg – öffentlich – zu genießen. Zudem Beispiel, indem sie sich demonstrativ mit den Insignien der Macht und Statussymbolen schmücken. Denn dadurch senden sie die falschen Signale an ihre Mitarbeiter. Wer sich zu selbstverliebt im Glanz des Erfolgs sonnt, schafft sich auch viele Neider – Neider, die auf „Fehltritte“ warten, um diese dann öffentlich anzuprangern und auszuschlachten. Manch „Ex-Manager des Jahres“ kann hiervon ein Lied singen.
Manager sollten als Repräsentanten ihrer Unternehmen auch beim Genießen stets das rechte Maß halten. Denn alles, was sie tun, wird letztlich mit ihren Unternehmen identifiziert – ganz gleich, ob dies inner- oder außerhalb der Firmenmauern geschieht.
Prävention:
- Fragen Sie sich regelmäßig: Wie wirkt mein Handeln auf mein Umfeld?
- Denken Sie daran: Auch Bescheidenheit ist eine Zier.
Wurzelsünde 4: Ira (Zorn, Wut, Vergeltungssucht)
Geradezu legendär sind die Wutausbrüche mancher „Alphatiere“ an der Unternehmensspitze, wenn ihnen etwas missfällt. Und einzelne genießen es geradezu, Untergebene oder Schwächere vor Publikum mit Worten zu „sezieren“.
Mit „sadistischen Despoten“ arbeiten nur Masochisten gerne zusammen. Selbstbewusste Mitarbeiter kehren ihnen entweder eigeninitiativ den Rücken oder sie werden „gefeuert“– weil sie ein offenes Wort wagten. Die Folge: Der von Ira geplagte Unternehmensführer ist irgendwann nur noch von „Bücklingen“ umgeben, deren gesamtes Denken und Tun darauf abzielt, dem „Herrn“ zu gefallen. Das heißt, der Chef wird zum isolierten Patriarchen, zu dem nur noch ausgewählte und oft geschönte Informationen dringen. Das schmälert seine Urteilskraft und erhöht die Gefahr von Fehlentscheidungen – die von den gepiesackten „Partnern“ und „Untergebenen“ genüsslich registriert werden.
Prävention:
- Schlafen Sie, wenn Sie die Wut packt, erst einmal darüber, statt „Partnern“ spontan eventuell ein verletzendes Feedback geben.
- Denken Sie daran: Ein falsches Wort am falschen Ort zur falschen Zeit hat schon manch langjährige Beziehung zerstört.
Wurzelsünde 5: Gula (Völlerei, Gefräßigkeit, Unmäßigkeit)
„No pain, no gain“ – „Ohne Fleiß kein Preis“. Diese Maxime haben fast alle Manager verinnerlicht. Deshalb besteht die Gefahr, dass sich ihr Leben irgendwann nur noch um die Arbeit dreht, während andere Lebensbereiche verkümmern. Dieses Manko spüren auch die Betroffenen. Also muss es kompensiert werden – zum Beispiel mit Drogen wie Alkohol. Oder mit Tabletten, die helfen, den Stress zu ertragen. Oder mit der Suche nach dem ultimativen Kick – sei es in irgendwelchen Affären oder sonstigen Abenteuern, die den Betroffenen das Gefühl vermitteln: Ich lebe noch.
Doch damit ist leider meist wenig Genuss verbunden, denn: Genießen erfordert Zeit. Entsprechend schnell verlieren die Dinge ihren Reiz. Also muss die „Dosis“ erhöht werden, um noch etwas zu empfinden. Damit beginnt ein Teufelskreiskauf, der häufig in einem Zusammenbruch oder in einer zynischen Lebenshaltung mündet.
Prävention:
- Hören Sie auf die Warnungen von Freunden und Verwandten.
- Gönnen Sie sich zuweilen eine Auszeit, in der Sie sich fragen: Befinde ich mich noch auf dem richtigen Lebensweg?
Wurzelsünde 6: Invidia (Neid, Missgunst, Eifersucht)
Sich im Wettstreit mit anderen messen und ihnen nacheifern – das scheint eine zentrale Triebfeder der Menschen zu sein (… und hierauf basiert auch die Marktwirtschaft).
Zerstörerisch wird dieser schöpferische Trieb jedoch, wenn daraus die Maxime resultiert: Ich muss stets der Beste, Tollste, Erfolgreichste sein. Denn dann erwachsen hieraus Missgunst und Eifersucht. Das heißt: Dem anderen wird sein Erfolg nicht gegönnt, weil er scheinbar den eigenen infrage stellt. Also muss der Erfolg des anderen entweder zerstört oder relativiert, also verkleinert werden, damit er das eigene Ego nicht zerfrisst. Das macht es unmöglich, vom anderen zu lernen und mit ihm eventuell eine Allianz zu schmieden, von der alle Beteiligten profitieren. Neid zerstört jede Form der Kooperation.
Prävention:
- Machen Sie sich Ihre eigenen Erfolge bewusst statt stets auf die Erfolge anderer zu starren.
- Gönnen Sie auch anderen Personen und Organisationen ihren Erfolg. Denn auch sie haben ihn sich verdient.
Wurzelsünde 7: Acedia (Trägheit des Herzens und des Geistes)
Im Gegensatz zu Gregor I. würde ich heute in der Acedia die „schwerste Sünde“ sehen. Denn wer unter einer Trägheit des Herzens und des Geistes leidet, dem ist letztlich alles egal. Das heißt, er nimmt mangels Neugier und Interesse vieles in seiner Umwelt nicht mehr wahr. Und wenn doch? Dann löst es in ihm keine Emotionen aus: weder Freude, noch Ärger, weder Neugier, noch Motivation. Also besteht für ihn auch Anlass, über das, was um ihn herum geschieht und was sich dort verändert, nachzudenken. Und schon gar nicht sieht er darin einen Anlass, das eigene Denken und Handeln zu hinterfragen. Die Folge dieser Denkfaulheit: Der „Erkrankte“ entwickelt sich nicht weiter, weshalb sie irgendwann wie ein Fossil aus der Vergangenheit durchs Leben (und die Unternehmenslandschaft) tappt.
Menschen und Organisationen, die unter Acedia leiden, ersticken mit der Zeit in ihren Denk- und Handlungsroutinen. Sie gleiten, selbst wenn sie einmal Spitze waren, zunehmend ins Mittelmaß ab – oft ohne dies zu registrieren. Denn mangels Neugier kommunizieren sie kaum noch mit ihrer Umwelt.
Prävention:
- Gehen Sie mit offenen Augen durchs Leben.
- Suchen Sie gezielt das Gespräch mit Menschen, die etwas bewegen (möchten) – sei es im Bereich Kultur, Technik oder Wirtschaft.Die Wurzelsünden sind letztlich Grundprinzipien für ein balanciertes Leben und zum Vermeiden einer zu starken Ich-Bezogenheit – etwas, was vielen Führungskräften gut tun würde. Vielleicht ein neuer (alter) Beitrag zur aktuellen Diskussion über das Thema „Leadership im digitalen Zeitalter“?
Zum Autor: Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur promovierte an der TH Karlsruhe zum Thema Projektmanagement. Er ist Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence und der technischen Universität Clausthal.