Die 360-Grad-Feedback-Kultur als entscheidender Faktor
Ohne Rückmeldung unserer Mitarbeitenden oder Kunden wissen wir nicht, ob unsere Botschaft überhaupt angekommen ist und – noch wichtiger – auch wirklich verstanden wurde. Auch wissen wir nicht, wie unser Führungsverhalten und wir selbst als Persönlichkeit auf unser Publikum wirken. Deshalb kommt im Rahmen einer transparenten Unternehmenspolitik dem Feedback eine zentrale Bedeutung zu: nomen est omen.
Anstelle des Monologs soll der Dialog treten: Im Duden steht für Dialog die Wechselrede und das Zwiegespräch, also keine Vorgesetzten- Show, aber auch kein unverbindliches Geplauder. Eigentlich geht es dabei um etwas ganz Natürliches, das wir aber offensichtlich verlernt haben: offen und vertrauensvoll miteinander umzugehen. Damit kommen wir zur Feedback-Kultur, wo nicht einfach ein «anderes» Führungsmodell oder eine «originelle» Gesprächsmethode angeboten werden. Vielmehr handelt es sich dabei um die Vermittlung einer in der Praxis noch viel zu wenig angewandten Führungsphilosophie – eben die Feedback-Kultur, die es in sich hat und möglichst im ganzen Unternehmen Fuss fassen soll, also vom Lernenden bis zur Abteilungsleiterin und umgekehrt (in der Fachsprache Bottom-up und Top-down). Die Zeit des Monologs, wo der/die Vorgesetzte einen Vortrag hält oder ein Selbstgespräch führt – etwa nach dem Motto «Einer spricht und alle schweigen» – gehört zum Glück weitgehend der Vergangenheit an und wird somit kaum mehr als taugliche Form der Informationsübermittlung angesehen. Mit der neuen Feedback-Kultur kann auch das Echo, der Widerhall des Publikums beträchtlich erhöht beziehungsweise verstärkt werden. Gerade bei firmeninternen Veränderungsprozessen und unpopulären Entscheiden der Geschäftsleitung können ehrlich gemeinte und konstruktiv-kritische Feedbacks mehr bringen als Lobesbezeugungen der billigen Art, die oft kurzfristig sind.
Vom MAG zur ganzheitlichen Team-Einschätzung
Vom traditionellen MAG (Mitarbeitergespräch) bis zum ganzheitlichen Vorgesetzten-, Mitarbeitenden- und Team-Einschätzungs-Modell – eben bis zur 360-Grad-Feedback-Kultur – ist immer noch eine beträchtliche Wegstrecke zurückzulegen, damit diese fortschrittliche «Rundumbeurteilung» sich durchsetzen kann, und zwar nicht nur auf dem Papier oder auf dem Computer, sondern auch in den Köpfen der ganzen Belegschaft. Die nachstehende grafische Darstellung zeigt, dass im Mittelpunkt der Feedback-Kultur die «Rundumeinschätzung » einer Person oder eines Teams steht. Dabei wird das gesamte Umfeld in die Einschätzung einbezogen, stützt sich also nicht ausschliesslich auf die Meinung von Experten und auf Test-Ergebnisse. Durch das breite Spektrum der aus unterschiedlichen Perspektiven stammenden Informationen – Mitarbeitende, Teammitglieder, Vorgesetzte, Kunden, Selbstbeurteilung – ergibt sich ein umfassendes Bild über Führungsverhalten, Fachkompetenzen, Leistungsausweis sowie Stärken und Schwächen. Damit soll eine bessere und realistischere Bewertung des Leistungs- und Entwicklungspotenzials der Mitarbeitenden verschiedenster Funktionen von Führungskräften und Teams erreicht werden, als dies mit traditionellen Beurteilungsmethoden wie etwa dem institutionalisierten Mitarbeitergespräch MAG oder der Standortbestimmung mit Zielvereinbarung möglich ist.
Wahrnehmung des «blinden Flecks»
Kennen Sie ihn – Ihren eigenen blinden Fleck? Wenn ja, dann haben Sie Glück gehabt, dass Sie darauf aufmerksam gemacht wurden, wo Ihre Schwächen liegen und was Sie zu deren Behebung tun können. Nicht mehr, aber auch nicht weniger!
Das ganzheitliche Feedback ist der Versuch, sich gegenseitig Rückmeldungen darüber zu geben, wie unser eigenes Verhalten auf unsere Mitarbeitenden und Partner wirkt, ohne in Verteidigungsstellung gehen zu müssen oder in Panik auszubrechen. Dieses Feedback erfolgt nicht nur «Top-bottom» (von oben nach unten), sondern auch «Bottom-up» (von unten nach oben) sowie aus horizontalen Richtungen – von allen Seiten also; deshalb ein 360-Grad-Feedback. Konkret kann dies also durchaus bedeuten, dass Ihnen Ihre Mitarbeitenden signalisieren, wie Ihr Führungsverhalten auf sie wirkt. Sie werden also nicht in destruktiver Art kritisiert, erhalten aber klar und deutlich eine Rückmeldung über Ihre Auftritte. Dies hat nichts mit einem «Seelenstriptease » zu tun, wo die Intimsphäre verletzt wird, wohl aber mit Ihrem «blinden Fleck» – damit Sie Ihr eigenes Verhalten besser steuern können.
Der Advocatus Diaboli …
… ist eine Person, die bewusst Gegenargumente in eine Diskussion einbringt. Dies nicht aus boshafter Absicht, sondern, um die Qualität eines Projekts – in diesem Fall die Einführung des 360-Grad-Feedback- Modells – zu überprüfen. Auf meine kritische Frage als Fachpressevertreter antwortete mir ein junger HR-Kollege mit entwaffnender Offenheit, dass diese «Übung» ein Härtetest für alle gewesen sei. Das Erstaunliche dabei, dass der CEO dieses traditions- und hierarchiebewussten Unternehmens sich zum grössten Befürworter dieser neuzeitlichen 360-Grad-Feedback-Kultur «geoutet» hat. Zwar mag sein rhetorischer Glanz bei der Darstellung dieses beispielhaften Modells Transparenz und Offenheit garantieren, doch das grösste Plus des 360-Grad-Feedbacks ist zweifellos seine breit abgestützte Bewertung.
Summa summarum: In diesem Unternehmen – weitere sind inzwischen dazugestossen – steht eine transparente Unternehmensphilosophie, die mit wachsendem Erfolg angewendet und gelebt wird, und zwar vom CEO über den HR-Leiter bis zu den Vorgesetzten und Mitarbeitenden: Dialog statt Monolog!