Der Weg ist das Ziel

Wie lässt sich die digitale Transformation konsequent umsetzen? Was sind die Erfolgsfaktoren, und wie weit ist die fertigende Industrie bei der Einführung digitaler Prozesse schon vorangekommen? Diese Fragen wurden auf dem vergange-nen 3DExperience Forum von Dassault Systèmes vom 25. bis 26. 10.2016 in Berlin unter dem Motto «Driving Innovation through Digital Transformation» diskutiert.

Der Weg ist das Ziel

 

 

Wer die zunehmend komplexeren Anforde-rungen seiner Kunden meistern will, darf das Thema digitale Transformation nicht allein als eine Aufgabe für die IT-Abteilung betrach-ten. Natürlich müssen unterschiedliche IT-Systeme miteinander kommunizieren kön-nen, «aber gleichzeitig werden sich auch die bisherigen Geschäftsmodelle und die inter-nen und externen Prozesse wandeln», stellt Andreas Barth, Managing Director EuroCen-tral von Dassault Systèmes, fest. «Damit solch eine vernetzte Welt Realität werden kann, ist also nicht nur eine zentrale Plattform not-wendig, wie etwa unsere 3DExperience-Plattform, sondern vor allem Menschen, die abteilungsüberschreitend und interdiszipli-när zusammenarbeiten.»

 

Über 400 Teilnehmer waren dazu nach Berlin gekommen – vor allem aus den Bran-chen Automotive, Luftfahrt, dem Anlagen-und Maschinenbau und dem Hightech-Be-reich. Ihnen ging es darum, interne Prozesse effektiver zu gestalten, Kundenbeziehungen zu verbessern und neue Umsatzmöglichkei-ten durch technologiebasierte Produkte und Services zu erschliessen. Zu diesen Themen bot das 3DExperience Forum Fachvorträge von Industrie-4.0-Experten von Dassault Systèmes und ihren Partnern sowie zahlrei-che Kundenberichte aus unterschiedlichen Branchen.

 

In einer digitalen Welt wird das neue Produkt zukünftig eine Kombination von Pro-duktfunktionen, Benutzererfahrungen und neuen Services sein und sich in dieser Form auch im Wettbewerb behaupten müssen. Schon heute generiert der Service bei einem Anlagenbauer einen Grossteil des Umsatzes. Um diesen zu optimieren, müssen die opera-tionalen Daten des Produktes, die aktuellen Kundenerfahrungen und andere Datenquel-len miteinander vereint werden.

 

Riemensperger spricht hier von «Products- as-a-Service». Diese Angebote werden durch interne wie auch extern zugängliche Plattformen erst möglich. Eine solche Plattform- Ökonomie wird die Geschäftsmodelle beeinflussen, die Anpassungsfähigkeit an Kundenwünsche steigern und damit Wertschöpfungsketten verkürzen. Darüber hinaus geben sie die Chance, das eigene Geschäftsmodell komplett neu zu denken. Das zeigt sich am Beispiel der Automobilbranche, die sich hin zum autonomen Fahren entwickelt. Dies ermöglicht völlig neue Kundenerfahrungen. Unternehmen wie Google denken neuerdings darüber nach, Autos zu bauen, die allerdings komplett andere Kriterien erfüllen müssen als die Fahrzeuge, die heute auf den Strassen sind.

Digitale Transformation in Medizintechnik und Personalmanagement
Als weiteres Beispiel nannte Riemensperger die Health Watch von Philips, mit der das Unternehmen die eigene Medizintechnik quasi neu erfunden hat. Gegenüber anderen reinen Fitnessuhren ermöglicht sie z. B. einem Herzpatienten, permanent mit einem Krankenhaus in Verbindung zu bleiben. Durch eine Kombination von Sensoren und neuer Analyseverfahren kann somit vorausschauend ermittelt werden, wie und wann sein Zustand kritisch werden könnte. Der Patient kann dadurch rechtzeitig einen Arzt aufsuchen und im Extremfall auch unmittelbar Hilfe erhalten. Die Erschliessung derartiger Innovationen wird für die Entwicklung zukünftig wichtiger werden als alle Bemühungen um eine höhere Effektivität.

 

Auch Personalentwicklung und Management verändern sich durch die digitale Transformation. Nach Prof. Dr. Armin Trost, Professor für Personalmanagement an der Business School der Hochschule Furtwangen, sei die alte Maxime «Die richtige Person zur richtigen Zeit am richtigen Ort» nicht mehr grundsätzlich hilfreich. Denn durch sich permanent wandelnde Problemstellungen müssen die Mitarbeiter zukünftig in der Lage sein, sich das aktuell benötigte Wissen sowohl selber schneller zu beschaffen als dieses auch mit anderen zu teilen. Gemischte Projektteams, Peer-Feedback und Social-Media-Plattformen werden deshalb gegenüber hierarchischen Strukturen an Bedeutung gewinnen. Einfacher würde das dadurch, sagte Andreas Barth, dass die junge Mitarbeitergeneration kaum Berührungsängste mit modernen Kommunikationstechniken habe, da sie schon mit dem Smartphone grossgeworden sei.

Projekte, die nicht live gehen können
Untermauert wurden die Erkenntnisse der verschiedenen Referenten durch die Studie «Digitale Transformation im verarbeitenden Gewerbe», welche im Auftrag von Dassault Systèmes im August 2016 von IDC (Interna­ tional Data Corporation) durchgeführt wor-den war. Sie untersucht, wie weit die Unter-nehmen beim Thema Industrie 4.0 schon vorangeschritten­ sind. Insgesamt sind darin die Erfahrungen und Perspektiven von Fach-und Führungskräften aus 200 Unternehmen eingeflossen; Grossunternehmen und Mittel-stand sind zu fast gleichen Teilen vertreten.

 

«Es herrscht zwar eine grosse Aufbruch-stimmung in der deutschen Industrie», be-richtete Mark Alexander Schulte von IDC Central Europe, jedoch seien die Unterneh-men oft nicht ausreichend auf die Digitalisie-rung und die Datenflut vorbereitet. So benö-tigten 55 % der Unternehmen noch zu viel Zeit für die Abstimmung zwischen den Ab-teilungen und den Prozessschritten, und bei 42 % gingen Informationen entlang der Wert-schöpfungskette verloren, weil eine einheitli-che Datenbasis fehle.

 

Auffallend sei, dass selbst erfolgreiche Pilotprojekte oft nicht in den Live-Betrieb überführt werden könnten. Hier sind klare Migrationskonzepte dringend notwendig, wie Daten auf einer gemeinsamen Plattform zusammengeführt werden können. Oft ste-hen einem breiten Roll-out auch etablierte Strukturen und ein mangelnder Verände-rungswille im Weg. Schulte gab aber zu be-denken, dass mit solchen Projekten zwangs-läufig Neuland betreten würde; dabei könn-ten Erfolgskriterien manchmal auch unbe-friedigend definiert und Projekte somit falsch ausgerichtet werden. Unternehmen sollten sich deshalb nicht scheuen, auf externes Know-how zurückzugreifen. Digitalisierung bietet grosse Chancen, die Abstimmung ent-lang der Wertschöpfung zu intensivieren, Er-fahrungen zwischen den Fachbereichen aus-zutauschen und schneller auf Fehler oder auf neue Kundenanforderungen zu reagieren. Das grösste Potenzial besteht in einem enge-ren und effizienteren Austausch zwischen Engineering und Fertigung. Diese sollten als erstes digital vollständig durchgängig ge-macht werden.

Herausforderungen für die Industrie
Für Industriebetriebe gilt allgemein: Nur wer bereit ist, Risiken auf sich zu nehmen und neue Wege zu gehen, wird von der digitalen Transformation profitieren. Nicht jedes Pilot-projekt wird schliesslich die anfänglichen Er-wartungen erfüllen. Letztlich müssen sich neue Technologien und Konzepte rechnen und einen Beitrag zur Erreichung der Unter-nehmensziele leisten. Bei Henkel werde z. B. Wert auf ein «Trial-and-Error-Vorgehen» ge-legt. Erfolgreiche Piloten sollen rasch skaliert, aussichtslose dagegen konsequent gestoppt werden.

 

Zusammenfassend nennt die Studie fol-gende Herausforderungen: Einerseits die In-tegration der unterschiedlichen Datenquel-len entlang der Wertschöpfungskette, wobei die Datensicherheit nicht vernachlässigt wer-den dürfe. In der Produktion wiederum sollte Wert darauf gelegt werden, in Zusammenar-beit mit allen Beteiligten auch etablierte Strukturen und Abläufe völlig neu zu struktu-rieren, und schliesslich gelte es, im Enginee-ring innovative Produkte voranzutreiben, oh-ne den laufenden Betrieb einzuschränken.

 

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