Der «Faktor Mensch» und sein Einfluss auf die Qualität
Im zweiten Teil dieses Beitrags wird der Erfolgsfaktor «Mensch» beschrieben, mit welchem das Projektteam der ARGE Fahrbahn Transtec Gotthard (AFTTG), Sub-Arge von Transtec Gotthard für das Gewerk Fahrbahn, diese erste Etappe der Projektrealisierung der Festen Fahrbahn im Gotthard- Basistunnel erfolgreich umgesetzt hat.
Das Gotthard-Basistunnel-Projekt, mit 2 Tunnelröhren je 57 Kilometern Länge einschliesslich der Zulaufstrecken Nord und Süd mit einer Gesamtlänge von 35 Kilometern, ist das zentrale Bauvorhaben innerhalb der NEAT, der neuen Eisenbahn-Alpentransversale. Für die Planung, Realisierung und Inbetriebsetzung der Bahntechnik ist die Transtec Gotthard (TTG) verantwortlich. Innerhalb der TTG verantwortlich für die Erfüllung aller werkvertraglich zu erbringenden Leistungen für das Gewerk Fahrbahn ist die AFTTG. Sie wurde von den beiden Gesellschaftern Balfour Beatty Rail und Renaissance Construction gegründet.
Projektorganisation ARGE Fahrbahn Transtec Gotthard
Die Projektleitung hat zur Umsetzung der Projektaufgabe in ihrer Aufbauorganisation (Abb. 1) zwei Führungsebenen installiert. Die erste Führungsebene stellt das übergeordnete Projektmanagement dar. Das Projekt wird auf der Managementebene über alle Projektphasen und über die gesamte Projektdauer geleitet. Die zweite Führungsebene stellt die drei Linien Technik (Logistik), Bauausführung und Qualitätskontrolle/ Bauüberwachung dar. Auf dieser Ebene wird das Projekt operativ in der Ausführungsphase geleitet. Alle aufgeführten Fachleitungen (Stab und Linie) sind erforderlich, um sämtliche werkvertraglichen Anforderungen gegenüber dem Bauherrn ATG in allen Projektphasen zu erfüllen. Sie sind werkvertraglich mit dem Kunden vereinbart.
Eine Besonderheit stellt hierbei die Ressourcenverteilung der Kadermitarbeiter auf Ebene Projektmanagement dar. Das Projektteam ist bewusst von der Leitung «schlank» installiert worden, um Informationsverlusten entgegenzuwirken. Mehrere Schlüsselrollen auf einen Mitarbeiter zu verteilen, soll das Wissen des Einzelnen im Team multiplizieren. Es dient auch der Förderung von Verantwortungsübernahme und Motivation.
Implementierung von Managementsystemen
Die AFTTG hat in 2010 ein zertifiziertes Managementsystem nach ISO 9001:2008 eingeführt. Sämtliche Aktivitäten sind in Prozessbeschreibungen dokumentiert. Alle Mitarbeiter von AFTTG sind von den Prozesseignern unter Anleitung des Qualitätsmanagers geschult worden. Die Schulungstiefe geht bis auf Ebene gewerbliche Mitarbeiter der Produktion. Die Prozesse sind in einer Prozesslandschaft zusammengefasst (Abb. 2).
Darüber hinaus hat sich AFTTG in 2011 zu einer weiteren externen Überprüfung ihrer operativen Aktivitäten formell verpflichtet. Mit der Einführung der werkseigenen Produktionskontrolle der Betonherstellung nach SN EN 206- 1:2000 durch die Schweizerische Zertifizierungsstelle für Bauprodukte S-CERT garantiert AFTTG dem Kunden einen nach geltenden Normen produzierten Frischbeton. Die Zertifizierung der Betonproduktion auf Bauunternehmerseite stellt bis heute in der Schweiz ein Novum dar.
Methoden und Instrumente der Projektführung
Die Projektleitung der AFTTG setzt als Führungsinstrument sowohl den «Top Down»- als auch den «Bottom Up»-Ansatz ein. Während die Führung für die Effektivität der Umsetzung dieser Strategie verantwortlich ist, sind die Kadermitarbeiter für die Effizienz dieser Ausrichtung verantwortlich. Im Zusammenspiel beider Ansätze entsteht eine kooperative und auf gegenseitigem Vertrauen basierende Zusammenarbeit aller Beteiligten Mitarbeiter im Projektteam. Das Schlüsselelement für die Erreichung der exzellenten Ergebnisse bildet die Kommunikation. Diese wird auf allen Ebenen sowohl innerhalb als auch ausserhalb von AFTTG gleichermassen geführt. Durch die regelmässige Projektbesprechung im Führungsteam auf Ebene Projektmanagement zwischen Projektleitung und Kadermitarbeitern ist ein ständiger Austausch von Informationen über alle Fachleitungen von oben (Up) nach unten (Bottom) und umgekehrt sichergestellt. Dieses Prinzip wird auf der Führungsebene Produktion ebenfalls angewendet. In den regelmässig stattfindenden Projektbesprechungen auf Ebene Produktion werden alle Informationen zwischen den Linienleitern und deren Mitarbeitern ausgetauscht. Die Linienleiter sind Kadermitarbeiter im Führungsteam und transferieren die Informationen aus ihren Teams in die Projektbesprechung auf Ebene Projektmanagement. Neben den Projektbesprechungen werden in periodischen Abständen Managementreviews zum Qualitätsmanagementsystem durchgeführt. Hier werden u.a. die übergeordnete Zielerreichung überprüft, die Wirksamkeit der Prozesse betrachtet und Korrekturen der Zielvorgaben und Prozesse eingeleitet. Nach Abschluss von bedeutenden Ereignissen, wie beispielsweise dem Abschluss des ersten Teilprojekts, der «Versuchsstrecke Faido–Bodio West», dem ersten Weicheneinbau und nach Einführung neuer Technologien, wurden konsequent Lessons Learned Workshops durchgeführt.
Um die komplexen Anforderungen in ein werkvertragskonformes Ergebnis zu wandeln, hat die Projektleitung auf jeder Führungsebene Zielvorgaben mit allen Kadermitarbeitern vereinbart. Die Ziele orientieren sich sowohl an den Projektzielen als auch an den persönlichen Zielen (Management by Objectives – MbO) der Mitarbeiter. Durch die Verknüpfung von Projektzielen und persönlichen Zielen entsteht ein persönlicher Nutzen jedes Mitarbeiters im Führungsteam, was wiederum die Sinnhaftigkeit allen Tuns effektiv fördert.
Die Kadermitarbeiter, die mit ihren Teams für die Zielerreichung verantwortlich sind, werden zusammen mit ihren vereinbarten persönlichen Zielen somit direkt am Erfolg gemessen und beteiligt. Die Kommunikation auf allen Ebenen führt zu einem ständigen Abgleich und Austausch von Informationen. Frühzeitige Korrekturen von Zielabweichungen sichern somit zu jedem Zeitpunkt die hundertprozentige Zielerreichung.
Der Mensch als Erfolgsfaktor
Neben einer strukturierten, schlanken und prozessorientierten Organisation mit eindeutigen, messbaren und realistisch erreichbaren Zielen kommt es vor allem auf jeden einzelnen Mitarbeiter an, der sich sowohl mit Leidenschaft als auch mit seinem persönlichen und fachlichen Know-how mit dem Projekt identifizieren kann. Erfahrene Mitarbeiter mit der Fähigkeit zur respektvollen Teamarbeit und fachübergreifendem Denken und Handeln zeichnen diesen Typus von Mitarbeiter besonders aus. Dies gilt sowohl ihm Führungsteam als auch auf Ebene Produktion.
Die Führung hat dabei die nicht zu unterschätzende Aufgabe, den Mitarbeitern eine eindeutige Rolle im Projekt zuzuordnen. Sie muss ebenso ein Umfeld von kreativem Denken und Handeln mit einem hohem Freiheitsgrad schaffen, sodass sich die Potenziale der Mitarbeiter entfalten und gegenseitig ergänzen können.
Zudem muss die Führung neben der Bedeutung der Projektaufgabe in wirtschaftlicher Hinsicht vor allem die Vermittlung von Wissen und Verständnis der komplexen Projektaufgabe schaffen, damit die Mitarbeiter diese Aufgabe erfolgreich und nachhaltig meistern können. Eine durchgängige Projektstruktur sowie die Verwendung und Beherrschung professioneller Tools, wie beispielsweise Projektmanagementsoftware und Informationsmanagementsysteme, bilden einen weiteren Grundstein zur Abwicklung erfolgreicher Projekte.
Die Förderung und Forderung einer offenen und sachlichen Kommunikation in der täglichen Arbeit sind dafür genauso essentiell wie die Durchführung von Schulungen und das Ermöglichen von individuellen Weiterbildungen für die persönliche Weiterentwicklung der Mitarbeiter.
Nicht zuletzt ist eine kooperative, offene und partnerschaftliche Zusammenarbeit sowohl im Projektteam als auch mit allen Stakeholdern wie Kunden (extern und intern), Behörden, Partnern, Gesellschaftern, Lieferanten und Dienstleistern ein weiterer entscheidender Erfolgsfaktor.