Der Bund wappnet sich systematisch
Der Bund und seine Bundesämter befas-sen sich schon seit Längerem mit dem Thema Resilienz. Besonders in Bezug auf die IT-Systeme wurden beträchtliche Mittel in den Aufbau von Redundanzen investiert. Eine systematisch-umfassen-de Business-Continuity-Management-(BCM)-Politik existiert indes erst seit Kurzem.
Bereits in der strategischen Führungsübung des Bundes (SFU) im Jahr 2009 wurde festge-stellt, dass bundesweite Vorgaben für ein BCM fehlten. Daraufhin beauftragte der Bundesrat die Bundeskanzlei, die ebenfalls für die Orga-nisation der SFU verantwortlich ist, eine ele-mentare Richtlinie für die Bewältigung des Szenarios «Strommangellage» auszuarbeiten.
Die Generalsekretärenkonferenz (GSK) musste jedoch im Frühjahr 2016 feststellen, dass dieser Ansatz nicht ausreichend war, um die Widerstandsfähigkeit der kritischen Ge-schäftsprozesse in der Bundesverwaltung si-cherzustellen. In der Folge wurde die Eidge-nössische Finanzverwaltung (EFV) beauf-tragt, in Zusammenarbeit mit der Bundes-kanzlei einen Vorschlag für eine «BCM-Richt-linie Bund» und «Organisation einer Koordi-nationsstelle BCM Bund» innerhalb der beste-henden Organisation des Risikomanagements Bund zu erarbeiten. Das bundesweite BCM-Rahmenwerk wurde im Frühjahr 2017 verab-schiedet und im Sommer von den Departe-menten und der Bundeskanzlei in Kraft gesetzt. Dieser dezentrale Ansatz wurde bewusst ge-wählt, um den unterschiedlichen Bedürfnissen und Situationen der einzelnen Bundesämter gerecht zu werden.
Der vorgeschriebene Mindeststandard garantiert eine flächendeckende Einführung des BCM-Systems.
Aufgaben-Differenzierung
In der Bundesverwaltung gilt das BCM als Be-standteil des integrierten Risikomanage-ment-Systems. Dieser Ansatz ist unbestritten und bereits in der Risikopolitik des Bundes festgehalten. Ebenso ist es zweckmässig, die BCM-Koordination bei der bestehenden Ko-ordinationsstelle Risikomanagement Bund (EFV) anzusiedeln; dies erlaubt nicht nur, Sy-nergien mit Blick auf Wissen und Organisati-on zu nutzen, sondern stärkt die Integration von Risikomanagement und BCM.
Beide Systeme sind fachlich eng «ver-zahnt», sie entsprechen Führungsaufgaben. Sie müssen sich stets auf das Wesentliche kon-zentrieren.
Während sich das Risikomanagement sowohl mit Entwicklungs- (z. B. Finanzkrise) als auch Ereignisrisiken (z. B. Brandfall) aus einandersetzt, geht es im BCM um die Bewäl-tigung von Ereignisrisiken. Risikomanage-ment steuert präventiv Risiken, während die BCM-Massnahmen im Ereignisfall helfen, Schadenauswirkungen zu minimieren. Das BCM konzentriert sich auf die Bewältigung – nicht auf die Ursachen einer Betriebsstörung.
Die BCM-Richtlinie
Die BCM-Richtlinie regelt neben den vier be-kannten Phasen (siehe Kasten) die Funktio-nen und Verantwortlichkeiten. Demgemäss trägt die einzelne Bundesamtsleitung die Ver-antwortung für den ganzen Aufbau und die periodische Überprüfung des BCM. Sofern die Geschäftsleitung feststellt, dass keine – im Sinne des BCM – zeitkritischen Leistungen und Prozesse vorhanden sind, werden die Phasen 2 bis 4 nur eingeschränkt oder gar nicht durchgeführt.
Was eigentlich versteht man unter kri-tischen Leistungen und Prozessen im BCM? Diese Kritikalität kann nicht einheitlich für den ganzen Bund definiert werden. Es gilt viel mehr, die tolerierbare Ausfallzeit für je-den geschäftskritischen Prozess in Bezug auf die Mitarbeiter, IT/Daten, Zulieferer etc. indi-viduell zu beurteilen und festzulegen.
Dabei sind potenzielle Gefahren, die zu Personen- und Umweltschäden führen kön-nen oder erhebliche finanzielle Auswirkun-gen auf Wirtschaft und Bevölkerung haben, sorgfältig zu analysieren. Diese Arbeiten sind teilweise heute schon weit fortgeschritten. Beispiele sind etwa die Aufrechterhaltung der Liquidität durch die Bundestresorerie oder die Sicherstellung der Zollabfertigung an der Landesgrenze. Wichtig ist, dass man sich auf das Wesentliche konzentriert, damit das BCM-System nicht bürokratisch wird.
Das System ist den gegebenen Ressour-cen anzupassen und in vernünftigem Verhält-nis von Aufwand und Ertrag umzusetzen.
Dezentrale Umsetzung
Nachdem die Umsetzung des BCM Bund de-zentral, d. h. in Kompetenz der einzelnen De-partemente erfolgt, besteht ein gewisser Ab-stimmungsbedarf. Dies gilt v. a. für jene Be-reiche, die aus einer Gesamtsicht (d. h. top-down) gesteuert werden müssen. Solche Stabsaufgaben obliegen der Koordinations-stelle BCM Bund. Diese ist namentlich beauf-tragt, den Führungsspitzen der Bundesver-waltung jährlich über Umsetzungsstand und Aktualität des BCM Bericht zu erstatten, auf allfälligen Harmonisierungs- und Hand-lungsbedarf hinzuweisen sowie die Departe-
mente bei allen methodischen Fragen zu un-terstützen.
Damit wird gewährleistet, dass die rele-vanten Themen stufengerecht in der Chefeta-ge ankommen und eine effiziente Steuerung auf strategischer Ebene möglich wird. Dies be-trifft nicht zuletzt auch Szenarien, die aus ei-ner departementsübergreifenden Sicht wirt-schaftlicher und wirksamer bewältigt werden können (z. B. Nutzungsprioritäten bei Strom-mangellage).
Die dezentrale Lösung zur flächen deckenden Implementierung des BCM ent-spricht dem Organisationsprinzip des Risiko-managements Bund. Wie bei allen «föderalis-tischen» Systemen zeitigt dies zum einen den Vorteil, dass besonderen Bedürfnissen und Gegebenheiten der einzelnen Departemente besser Rechnung getragen werden kann.
Umgekehrt sind gewisse Nachteile nicht von der Hand zu weisen. So ist beispielsweise eine vollständige vertikale Integration in der Bundesverwaltung, d. h. über die Stufen Ab-teilung, Bundesamt, Departement und Bund, stark erschwert. Abhängigkeiten und Synergi-en lassen sich nur wenig nutzen und die rich-tige Priorisierung von Bundesmitteln ist nicht sichergestellt. Das kann im schlimmsten Fall zu Investitions- oder Wirtschaftlichkeitsrisi-ken führen.
Herausforderungen
Weitere Herausforderungen stellen sich im Be-reich von Konzeption und Terminologie, die für ein gemeinsames Verständnis essenziell sind. Die gewählte Lösung erfordert daher besondere Achtsamkeit, damit die Nachteile einer dezen tralen Regelung nicht zu Insellösungen führen.
Der Bund wagt trotz engem Ressour-cenkorsett den Schritt, ein BCM über die ge-samte Bundesverwaltung einzuführen. Der heutige Umsetzungsstand des BCM unter-scheidet sich sowohl zwischen Departemen-ten als auch Bundesämtern erheblich. Teils stehen die Arbeiten noch in der Konzeptpha-se, teils in der Umsetzungs- oder bereits in der Nutzungsphase. Es gilt nun, die erhebli-chen Unterschiede im BCM-Reifegrad inner-halb der Bundesverwaltung auszugleichen.
Dabei ist es wichtig, dass aus den ersten Erfahrungen Lehren gezogen und wo immer möglich Synergien genutzt werden. Die Ko-ordinationsstelle BCM wird hier eine zentrale Rolle spielen und die Ämter unterstützen. Allfällige Lücken sollen künftig durch die pe-riodische Berichterstattung aufgezeigt wer-den. Dadurch wird sichergestellt, dass Kor-rekturmassnahmen rasch eingeleitet werden können und die Führung ihre Verantwortung aktiv wahrnehmen kann. Die Voraussetzun-gen müssen letztlich so geschaffen sein, um ein effizientes und effektives System zu be-
dienen.