Das war der Tag der Schweizer Qualität 2023

Am 11. Mai 2023 fand im Berner Kursaal der Tag der Schweizer Qualität statt. Das Motto lautete «Der Mensch im Fokus» – im Zeitalter von Automation und künstlicher Intelligenz ein Thema, das zwar nicht neu ist, aber wieder an Aktualität gewinnen muss.

Diskussion am Tag der Schweizer Qualität 2023: Was macht einen guten Arbeitgeber aus? V.l.n.r.: Moderatorin Andrea Vetsch, Heike Henfling, Marianne Reisner-Schmid, Marc Holitscher. (Bild: Thomas Berner)

Der traditionelle Tag der Schweizer Qualität wird gemeinsam von der SAQ und der SQS veranstaltet. Mit von der Partie war dieses Jahr auch SHIFT Switzerland als dritter Veranstaltungspartner*. Deren Präsident Christian Häuselmann hielt in seinem Eröffnungsvotum zusammen mit SAQ-Geschäftsführerin Prisca Zammaretti und Felix Müller, CEO von SQS, fest, dass Nachhaltigkeit und Qualitätsdenken fest in der Schweizer DNA verwurzelt seien. Aber er bedauerte auch, dass Eigenverantwortung bei der Nachhaltigkeit noch zu wenig funktioniere und warnte vor immer mehr Regulierung durch «harte Gesetze».

„New Leadership“ am Tag der Schweizer Qualität 2023

Doch dann ging es zurück zum eigentlichen Tagungsthema «Der Mensch im Fokus». Eine Saalumfrage ergab, dass «Kundenzufriedenheit» der wichtigste Schlüsselbegriff im Zusammenhang mit Qualität ist. Und für diese Kundenzufriedenheit ist immer noch weitgehend der Mensch allein verantwortlich. Doch die Welt ist komplexer geworden, wie Prof. Dr. Lukas Scherer von der Fachhochschule Ostschweiz in seinem Referat zu «New Leadership» festhielt: «Nix ist mehr fix». Anhand von in unzähligen Studien belegbaren Fakten – so sind 77 Prozent der Arbeitskräfte unzufrieden mit ihrer Führung, «Kollegialität und Spass» stehen bei neuen Mitarbeitenden an oberster Stelle und das Gehalt steht nicht mehr im Mittelpunkt – erläuterte er, wie schwierig Führung heute geworden ist. «New Leadership erfordert Kooperation, Inspiration, Charisma, informellen Umgang mit Mitarbeitenden» und vieles mehr, so Scherer. Konkret geht es für Führungspersonen darum, ein Vorbild zu sein, Mitarbeitende ernst zu nehmen, sie wertzuschätzen und psychologische Sicherheit zu geben. Ob KI dabei helfen kann? Lukas Scherer zeigte ein Beispiel einer Mitarbeitenden-Beurteilung durch ChatGPT. Sie las sich schlüssig, doch es fehlte das emotionale, also das menschliche Element darin. Scherers Fazit: «Auch bei New Leadership bleibt der Mensch der alte.» KI kann bestenfalls eine Ergänzung sein, um Prozesse effizienter zu machen.

Was die Wirtschaft vom Sport lernen kann

Anschliessend unterhielt sich Prisca Zammaretti per Video mit André Hoffmann, Vizepräsident des Verwaltungsrats der Roche Holding AG über die Verknüpfung von Qualität mit Nachhaltigkeit. Hoffmann bedauerte, dass man in der Vergangenheit zu viel auf Kurzfristigkeit und schnelle Prosperität gesetzt habe. «Mit den bisherigen Systemen können wir nicht in die Zukunft gehen», so Hoffmann. «Wir brauchen den Mut, um wieder bescheidener zu werden», so sein Fazit.

«Resilienz in Wirtschaft und Sport oder: Der Tanz um die Corner Fahne» lautete der nächste Programmpunkt. Welche Elemente kann die Wirtschaft vom Spitzensport lernen? Und wo kommen beide Branchen an ihre Grenzen? In einem erfrischenden Gespräch unterhielt sich Moderatorin Andrea Vetsch mit der ehemaligen Spitzenfussballerin und Kathrin Lehmann. Heute arbeitet sie einerseits als Expertin für das Schweizer Fernsehen, anderseits ist sie auch CEO einer eigenen Firma, kennt inzwischen also auch die «wirtschaftliche Seite». Sie vermisse dort etwas den «emotionalen Auspuff», wie sie es nannte, also eben jenen Tanz um die Cornerflagge bei einem Torjubel – aber auch Frustäusserungen in der Garderobe. Rituale, um Erfolge zu feiern, sollen deshalb auch im Geschäftsleben ihren Platz haben dürfen. Kritisch sieht sie den Begriff von flachen Hierarchien: «Das sind bloss plattgedrückte Pyramiden» und zeigte sich als Verfechterin der Vorteile, die eine hierarchische Organisation nach wie vor haben kann. Und was die Wirtschaft vom (Mannschafts-)Sport lernen kann: Gegentore – sprich: Fehler – lassen sich nur als Team ausbügeln.

Erfolgsrezepte guter Arbeitgeber

Was machen nun die besten Arbeitgeber anders oder besser? Mit dieser Frage beschäftigten sich Heike Henfling (Schindler Aufzüge), Marianne Reisner-Schmid (Südostbahn) und Marc Holitscher (Microsoft Schweiz) in einer Podiumsdiskussion. Diese drei Persönlichkeiten vertraten Unternehmen, die kürzlich als beste Arbeitgeber der Schweiz ausgezeichnet worden sind. In ihren Voten immer wieder zu hören waren die Begriffe «Fairness» und «Wertschätzung» und Authentizität seitens von Führungskräften, gerade, wenn es um die Einführung von Neuerungen geht. «Wenn etwas nicht authentisch rüberkommt, funktioniert es nicht», sagte etwa Marianne Reisner-Schmid. Und es benötige auch eine «Streitkultur», wie Heike Henfling ausführte. Feedback, auch negatives, ist erwünscht. Marc Holitscher ergänzte, dass man alle Fehler als Learnings sehen soll.

Lernen aus Fehlern war auch das Thema einer der drei angebotenen Open Sessions. Dort zeigte Zehra Sirin (SizeConsens) anhand eines selbst erlebten Scheiterns, wie man dies durch einen «Fuck-up-Event» wieder in positive Energie umwandeln kann. In der Open Session von SHIFT Switzerland wurde gezeigt, wie man mit Diversität die Projekt-Zusammenarbeit nachhaltiger gestalten kann. Und die Förderung von Gesundheit am Arbeitsplatz war Thema des Workshops von Friendly Work Space.

Roman Tschäppeler (an der Tafel) und Mikael Krogerus demonstrierten unterhaltend fünf wichtige Life Skills. (Bild: Thomas Berner)

Life Skills aufs Korn genommen

Den Schlusspunkt bildete das Duo Roman Tschäppeler und Mikael Krogerus. Anschaulich und mit viel Humor und Augenzwinkern stellten sie fünf Life Skills vor: Entscheide fällen (hier: wer sich länger dafür Zeit nimmt, fällt bessere Entscheide), Collaboration Skills, Technological Literacy (gezeigt am sog. «hype cycle»), Knowledge Skills (wer mit wenig Wissen, dafür mit viel Selbstbewusstsein auftritt, landet auf dem «Mount Stupid») sowie Lebenslanges Lernen.

Qualität, Nachhaltigkeit, New Leadership, künstliche Intelligenz: Es war ein bunter Strauss an Themen, die an diesem Tag beleuchtet worden sind. Sie sind ein Abbild der Komplexität, in der wir uns bewegen. Bei all dem gilt es – so SAQ-Präsident Ruedi Lustenberger in seinem Schlusswort zum Tag der Schweizer Qualität 2023 – zu beachten, «dass zuletzt nicht der Mensch auf der Strecke bleibt».

Der nächste Tag der Schweizer Qualität findet am 23. April 2024 statt. Weitere Informationen: www.saq.ch

*Korrigendum: Der Tag der Schweizer Qualität wurde von SAQ und SHIFT organisiert. Die SQS war als Unterstützungs-Partner dabei, aber nicht Mit-Organisatorin.

 

Seghezzi-Preis und neues SAQ-Präsidium

Alle zwei Jahre wird von der Schweizerischen Stiftung für Forschung und Ausbildung Qualität SFAQ der Seghezzi-Preis für herausragende wissenschaftliche Arbeiten im Bereich Integriertes Qualitätsmanagement und Nachhaltigkeit verliehen. Der mit 10’000 Franken dotierte Preis geht auf den im letzten Jahr verstorbenen Stifter Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Dieter Seghezzi zurück. Der diesjährige Gewinner ist Julian Senoner mit seiner Dissertation «Artificial Intelligence in Manufacturing – Augmenting Humans at Work». Die Jury würdigte insbesondere die in dieser Arbeit aufgezeigte praktische Relevanz von maschinellem Lernen in Produktionsprozessen. Der Autor zeigt darin Beispiele, wie maschinelles Lernen das Qualitätsmanagement und die hierfür verantwortlichen Menschen unterstützen kann.

Julian Senoner (Mitte, nach der Würdigung durch Martina Zölch und Xaver Edelmann) wurde mit dem Seghezzi-Preis ausgezeichnet. (Bild: Thomas Berner)

 

An der ebenfalls am 11. Mai 2023 durchgeführten Generalversammlung der SAQ gab Präsident Ruedi Lustenberger seinen Rücktritt bekannt. Nach zehnjähriger Amtsdauer übergibt er den Stab weiter an ein Co-Präsidium bestehend aus Ursula Grunder und Guido Graf. Ebenfalls neu in den Vorstand gewählt worden sind Prof. Dr. Lukas Scherer und Michael Vogt.

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