Das machte Appetit!
Am 9. März fand im KKL in Luzern das ESPRIX Forum für Excellence statt. Für einen ausgewogenen Mix aus Gedankenanstössen und Best Practice sorgten Referenten wie Ludwig Hasler, Christian Methe, Rolf Huber, Gerd Leonhard oder Patrick D. Cowden. Und aus zwei Finalisten um den ESPRIX Swiss Award for Excellence wurde der diesjährige Preisträger gekürt.
Das diesjährige ESPRIX Forum wartete ge-genüber den Vorjahren mit einer gewichtigen Veränderung auf. Erstmals fand es nicht mehr im Konzertsaal statt, sondern im kleineren Luzerner Saal. Doch dies tat der Qualität der Tagung in keiner Weise Abbruch. Im Gegen-teil: Die mit 400 Teilnehmenden ebenfalls gegenüber früheren Jahren geringere Gäste-zahl machte persönliche Kontakte unter den Anwesenden einfacher.
Verlängerung der Gegenwart?
Wiederum ist es der Stiftung ESPRIX als Ver-anstalterin gelungen, ein attraktives Referen-ten-Panel zusammenzustellen. Und auch das Tagungsthema «Appetit auf Zukunft?» hatte es in sich. Der Philosoph und Publizist Lud-wig Hasler machte sich gleich zu Beginn Ge-danken und stellte fest, dass es in der Schweiz schwierig sei, über Zukunft zu reden, «weil die Gegenwart so glänzt». Aktuelle Problem-lösungen, um die sich unsere Polit-Verant-wortlichen kümmern, hätten eigentlich nur die «Aufbesserung der Gegenwart» zum Ziel. Dem Publikum auf den Weg gab er drei Ge-dankenanstösse bezüglich mehr Appetit auf Zukunft: Erstens sei Zukunft etwas für «An-gefressene», zweitens wolle Zukunft entdeckt werden und drittens sei für die Zukunft Fan-tasie besser als Wissen.
Für Christian Methe, Experte für digi-tale Transformation, hat die Zukunft bereits begonnen. Er zeigte dies direkt anhand sei ner «virtuellen Gesprächspartnerin» Alexa, einem sprachgesteuerten Interface zum In-ternet. Sprachbefehlen gehöre die Zukunft und Apps würden immer mehr davon abge-löst. Den Zuhörern zeigte Christian Methe danach eine Art Kompass auf, wie über Stra-tegie, Bedarfs- und Anforderungsabklärun-gen, Daten, Organisation und Vorgehen im eigenen Unternehmen die Digitalisierung in Angriff genommen werden kann. «Fangen Sie jetzt an», so sein abschliessender Zuruf.
Eine Frage von Mensch und Energie
Wenn man von Digitalisierung spricht, dann fällt irgendwann auch der Begriff «Industrie 4.0». Diesbezüglich lieferte Rupert Hoellba-cher, Werksleiter im Bosch-Werk von Blaichach (Süddeutschland), konkreten Anschauungs-unterricht. Er zeigte, wie in seiner Firma Industrie 4.0 funktioniert, und zwar auf der Basis von Vernetzung (Maschinen und Steuerungs-systeme), Information (wird aus gesammelten
«Förderung ist Doping: Sie ist teuer und hat Nebenwirkungen.»
Daten generiert), Wissen (Ableitung von Emp-fehlungen aus Information) bis hin zum höchs-ten Reifegrad mit Vorhersagen und automati-sierten Entscheidungsprozessen. Jedoch: «In-dustrie 4.0 ohne Mensch ist pure Zeitver-schwendung», so Hoellbacher mit Verweis dar-auf, dass auch bei Bosch Maschinen die Mitar-beitenden nicht komplett ersetzen können.
Ein anderes zukunftsträchtiges Projekt stand im Zentrum der Ausführungen von Rolf Huber. Er ist Gründer und Verwaltungsrat von H2 Energy AG. Zusammen mit vier Mitstrei-tern hat er sich aufgemacht, seine Vision von Autofahren im geschlossenen Wasserkreis-lauf, komplett CO2-neutral, zu verwirklichen. Während Tankstellenbetreiber und Automo-bilhersteller sich gegenseitig Steine in den Weg legen – wobei die Wasserstoff-Technologie als Energiequelle vorhanden ist – nahmen sie die Dinge selbst in die Hand: Sie suchen und fin-den selbst die richtigen Partner und schaffen schliesslich die Einrichtung der ersten öffent-lichen Wasserstoff-Tankstelle der Schweiz und den Bau eines wasserstoff-betriebenen Lkws. Und dies alles fast ohne Fördermittel, denn «Förderung ist Doping: Sie ist teuer und hat Nebenwirkungen», wie Rolf Huber bilanzierte. Erst ohne Förderung werde man richtig krea-tiv und innovativ. Und der Erfolg? Eine Pio-nierleistung, ausgeführt durch ein kleines Team, die nun erst beginnt, bei den grossen Playern für Aufsehen zu sorgen.
Kreativität nicht ersetzbar
Die zweite Hälfte der Tagung stellte dann mehr den «Faktor Mensch» in den Mittel-punkt. Andreas Herz etwa bezeichnet Resi lienz als den Treibstoff erfolgreicher Men-schen. Nach Schicksalsschlägen wieder auf-stehen: Darüber konnte er aus eigener leid-voller Erfahrung berichten. Nach einer Krebs-diagnose kämpfte er sich wieder ins Leben zurück. Sehr half ihm dabei persönliches Training, um die Widrigkeiten der Krebsbe-handlung besser aushalten zu können. Sich selbst managen zu können, ist eine Fähigkeit, die insbesondere Führungskräfte mehr denn je benötigen. «Achtsamkeit» – verstanden auch als die Eigenschaft, auf sich selbst achten zu können – nannte Andreas Herz in diesem Zusammenhang als Schlüsselbegriff.
Dann war die Reihe an Gerd Leonhard. Als Futurist ist er nicht Zukunftsforscher; «Ich sage nichts voraus, ich beobachte nur», so umschrieb er die hierzulande noch wenig be-kannte Bezeichnung. In seinem Referat stellte Gerd Leonhard den Gegensatz «Technology vs. Humanity», so auch der Titel seines neus-ten Buchs, ins Zentrum. Er sieht die Gegen-wart als «Take-off» für eine exponentielle technologische Veränderung. Und wo bleibt da der Mensch? «Maschinen können beob-achten, aber sie können nicht existieren», sagt dazu Gerd Leonhard. Kreativität und emotio-nale Intelligenz seien jene Fähigkeiten des Menschen, die nicht durch Algorithmen er-setzt werden könnten. Routine soll man durchaus an Maschinen delegieren, aber die Effizienz dürfe dabei nie über die Mensch-lichkeit gestellt werden.
Patrick D. Cowden schliesslich spann den Faden weiter und führte aus, dass es nicht um Systeme und Technologien gehe, sondern immer auch um den Faktor Mensch. Dieser sei es, der schon immer den entschei-denden Unterschied ausgemacht habe. In der Bereitschaft zu Kooperation liege die Basis für Qualität. Schliesslich liege im Streben nach Beziehung das grösste menschliche Bedürf-nis. «Die Zukunft heisst Mensch – und wir sind die Alternative», so Cowdens Fazit.
Excellence ausgezeichnet
Und um Menschen und ihre Excellence ging es schliesslich auch bei der Verleihung des ESPRIX Swiss Award for Excellence. Auch wenn keiner der beiden Finalisten die für den eigentlichen Award notwendige Punktzahl erreichte, gab es mit der Noser Engineering AG dennoch einen würdigen Preisträger (sie-he Kasten). Einmal mehr zeigte sich, dass es hier nicht um einen «Preis um des Preises Wil-len» geht, sondern um eine Auszeichnung, die man sich als Organisation erst durch Leistung erarbeiten muss.
Musikalisch umrahmt wurde das Fo-rum für Excellence durch die Auftritte der Luzerner Chanson-Sängerin Milena. Sie stell-te – begleitet durch ihre Band – einige Stücke aus ihrem Repertoire von Eigen- und Fremd-kompositionen vor. Moderatorin Sandra Stu-der führte souverän und gewandt durch den Anlass, der in der Tat Appetit auf eine Zu-kunft machen konnte, in welcher Qualität und Excellence womöglich mehr denn je eine Rolle spielen dürften. Und apropos Zukunft: Am 20. Juni 2018 findet neu der ESPRIX Sum-mit statt – das bewährte Forum wird also eine «Rundumerneuerung» erfahren.