Das Beste beider Welten nutzen
Ob sich Mitarbeitende intern oder extern weiterbilden sollen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wichtig ist, Personal-entwicklung als langfristige Entwicklungsstrategie für das Un-ternehmen zu verstehen und mit einer fundierten Analyse zu beginnen, um Ziele und Anforderungen zu klären.
Die Arbeitswelt befindet sich in einer hohen Veränderungsdynamik und die Komplexität vieler Arbeitssituationen steigt. Dies ist hinrei-chend bekannt. Ebenfalls bekannt ist die Tatsache, dass sich dadurch die erforderlichen Kompetenzen der Mitarbeitenden in hohem Tempo ver-ändern und der Anspruch an ein kontinuierliches Lernen stark gestiegen ist. Personalentwicklung – verstanden als die systematische Förderung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Hinblick auf die Ziele des Un-ternehmens – ist dadurch zu einem erfolgskritischen Steuerungsinstru-ment geworden. Es geht darum, kontinuierlich auf die bestmögliche Übereinstimmung zwischen den Kompetenzen der Mitarbeitenden und den aktuellen und zukünftigen Anforderungen der Arbeitsplätze hinzuwirken.
Personalentwicklung ist somit etwas anderes als ein kurzfristiges Beheben von Defiziten und sehr viel mehr als eine «innerbetriebliche Genehmigungsprozedur» für Weiterbildungen, die einzelne Mitarbei-tende gerne machen möchten. Personalentwicklung muss sich viel-mehr mit der Strategie des Unternehmens verschränken und entspre-chend eine umfassende und längerfristige Perspektive einnehmen.
Sich Zeit für eine Analyse nehmen
Wie kann dies gelingen und welche Instrumente eignen sich, um dieses Ziel zu erreichen? Wie kann entschieden werden, wo betriebsinterne Weiterbildungen geeignet sind und wo es besser ist, einzelnen Mitarbei-tenden eine externe Weiterbildung zu finanzieren?
Wichtig ist zunächst einmal, sich in regelmässigen Abständen Zeit für eine Analyse der zukünftig erforderlichen und aktuell vorhan-denen Kompetenzen in einem Arbeitsbereich zu nehmen und dabei zu versuchen, folgende Fragen zu beantworten:
- Welche Herausforderungen bestehen in der jeweiligen Branche oder in einzelnen Arbeitsfeldern, und welche Kompetenzen wer-den dadurch zukünftig für welche Mitarbeitendengruppen beson-ders wichtig?
- Welche Ziele hat unser Unternehmen bzw. unsere Abteilung, und welcher Kompetenzbedarf ergibt sich dadurch?
- Über welche Kompetenzen verfügen wir als Unternehmen oder Ab-teilung im Moment bereits in genügendem Ausmass? Wo bestehen Defizite?
- Wie sieht die Situation von einzelnen Mitarbeitenden aus? Wer hat welche Potenziale, und bei wem besteht ein spezifischer Qualifika-tionsbedarf?
- Wer ist motiviert, sich in neue Bereiche hinein zu entwickeln? Was durch die Antworten auf diese Fragen entsteht, ist eine «Landkar-te» zu unternehmensspezifischen Entwicklungsbedarfen sowie indi-viduellen Entwicklungsvorstellungen und -erfordernissen, auf die mit Personalentwicklung reagiert werden kann.
Den besten Ansatzpunkt wählen
Zunächst einmal: Wesentliche Prozesse der beruflichen Qualifizie-rung finden nicht in Weiterbildungen statt, sondern direkt in der Arbeitstätigkeit. Wenn wir vor (adäquaten) Herausforderungen ste-hen und einen eigenen Handlungsspielraum haben, dann lernen wir, und zwar in der Regel sehr viel mehr als in einer speziellen Wei-terbildungsveranstaltung. Umgekehrt aber auch: Wenn wir über lange Zeit dieselben Dinge tun (müssen), unter- oder überfordert sind und wenig Handlungsspielraum haben, stagniert die eigene Entwicklung, oder es kommt sogar zu Kompetenzverlust. Damit gilt der erste Blick der Personalentwicklung immer der Frage, wie die alltägliche Arbeitssituation eines Mitarbeitenden aussieht. Darüber hinaus ist aber ebenfalls klar: Betriebsinterne und -externe Weiter-bildungen sind wichtig, um mit der Veränderungsdynamik mithal-ten zu können, und sie haben ihren je eigenen Sinn und ihre eigenen Stärken.
Als allgemeine Regel kann dabei gelten: Eine betriebsinterne Weiterbildung ist besonders dann angezeigt, wenn bestimmte Kom-petenzen aktuell oder zukünftig für eine ganze Gruppe von Mitarbei-tenden wichtig sind. Eine externe Weiterbildung ist hingegen sinn-voll, wenn es darum geht, bestimmte Kompetenzen bei einem einzel-nen Mitarbeitenden zu entwickeln, sich ein spezifisches Expertin-nen- und Expertenwissen anzueignen, oder wenn das Ziel im Vorder-grund steht, zur Erhaltung der Arbeitsmarktfähigkeit einen Abschluss mit Zertifikat zu erwerben.
Die Stärken betriebsinterner Weiterbildungen nutzen
Betriebsinterne Weiterbildungen entfalten ihr Potenzial vor allem dann, wenn es um den unmittelbaren Transfer des Gelernten in den Ar-beitsalltag geht. Dadurch, dass alle Teilnehmenden aus dem gleichen Unternehmen oder gar aus der gleichen Abteilung kommen, kann ein Weiterbildungsprogramm entwickelt werden, das massgeschneidert auf die spezifischen Herausforderungen des Unternehmens und die Lernbedürfnisse der Gruppe abgestimmt ist, und bei dem gemeinsam erarbeitet und reflektiert wird, welche Umsetzungsfragen und Verän-derungen sich dadurch in der Arbeit ergeben. Es entsteht eine Ver-schränkung von Personalentwicklung und Organisationsentwicklung.
Wichtig ist, das Programm gemeinsam mit demjenigen zu ent-wickeln, der die interne Weiterbildung durchführt, und sich klar dar-über zu verständigen, über welche Kompetenzen die Teilnehmenden am Schluss verfügen sollen. Für die Qualitätssicherung kann das Auf-setzen einer entsprechenden Vereinbarung sinnvoll sein. Der Auf-traggeber sollte darauf achten, dass ihm nicht eine «Konserve» als be-triebsinterne Weiterbildung verkauft wird, die gerade so gut in einem anderen Unternehmen stattfinden könnte.
Von den Stärken betriebsexterner Weiterbildungen profitieren
Externe Weiterbildungen ermöglichen «einen Blick über den Teller-rand» und geben Impulse von aussen. Da sich der Weiterbildungs-markt breit ausdifferenziert hat, ist es allerdings eine Herausforde-rung, ein passendes Angebot zu finden. Damit eine Weiterbildung zur gewünschten individuellen Kompetenzentwicklung führt, muss sie nicht nur die gewünschten Inhalte auf einem adäquaten Niveau bie-ten. Sie muss auch zum Lernstil und zu den Lebensumständen des Mitarbeitenden passen. Hier geht es um die Frage des didaktischen Modells und der zeitlichen Struktur, in der die Weiterbildung angebo-ten wird. Passt eine Weiterbildung nicht, so ist es schade um Zeit und Geld, und der Nutzen dürfte beschränkt sein.
Externe Weiterbildungen entfalten insbesondere dann ihre Stärke, wenn der Transfer in den Arbeitsalltag gelingt. Dabei ist der Befund aus der Forschung interessant, dass Mitarbeitende, die von ih-rer Führungskraft zur Teilnahme an einer Weiterbildung ermutigt wurden, einen höheren Nutzen darin sehen und bessere Transferleis-tungen erzielen. Wichtig für den Transfer ist zudem, dass Mitarbei-tende die Gelegenheit erhalten, die neu gewonnenen Erkenntnisse und Kompetenzen ins Team einzubringen oder ihre Kolleginnen und Kollegen im neuen Fachgebiet zu unterstützen.
Die Stärken der Weiterbildungsformen kombinieren
Es gibt auch Weiterbildungsformen, in denen sich die Stärken der in-ternen und der externen Form miteinander verbinden lassen. In den letzten Jahren wurden dazu an der Hochschule Luzern – Wirtschaft verschiedene Modelle entwickelt.
Ein Variante ist, einen auf dem Markt etablierten Studiengang, also zum Beispiel ein Certificate of Advanced Studies (CAS), be-triebsintern durchzuführen, d.h. allein mit Mitarbeitenden aus einem Unternehmen. Dabei besteht die Möglichkeit, die darin bearbeiteten Praxisbeispiele direkt auf die lokalen Gegebenheiten abzustimmen oder auch allgemeine wissenschaftliche Modelle mit den Konzepten des Unternehmens zu verbinden.
Eine andere Variante ist die Durchführung eines Studiengangs in einer «dualen» Form. Dabei werden externe Lernsequenzen an der Hoch-schule mit individuellen, begleiteten Lernsequenzen am Arbeitsplatz kombiniert und damit der Transfer des Gelernten optimiert.
Beide Formen kombinieren den individuellen Kompetenzer-werb in formaler Form und mit einem anerkannten Abschluss mit der Ausrichtung auf spezifische Situationen in Unternehmen und einer verstärkten Unterstützung beim Transfer des Gelernten.
Personalentwicklung als langfristige Entwicklungsstrategie zu verstehen und Weiterbildungen dabei «passgenau» einzusetzen, ist anspruchsvoll. Hier genau hinzuschauen dürfte sich aber in jedem Fall
lohnen!