Das Beste aus beiden Welten
Das Jahr 2017 erwies sich für die digitale Transformation als das Jahr des Durchbruchs. Dabei kombinieren hybride PLM-Anwendungen die Vorteile der Cloud mit denen einer lokalen Datenspeicherung.
Unter dem Titel «Die nächste Stufe der digitalen Transformation in Deutschland: Mit Cloud-PLM zu mehr Produktinnovation und Effizi-enz» beschreibt eine neue Studie des führenden Marktforschungs-und Beratungsunternehmens IDC den aktuellen Fortschritt in den produzierenden Unternehmen und gibt Anregungen, wie das digitale Innovationspotenzial weiter entfaltet werden kann. Das von Dassault Systèmes in Auftrag gegebene White Paper basiert auf einer Umfrage unter 100 deutschen IT-und Fachbereichsverantwortlichen und be-schreibt die Ergebnisse in Abhängigkeit von der Unternehmensgrös se, den Tätigkeitsschwerpunkten, den Industrie- und Fachbereichen. Im November 2017 wurde diese Studie auf dem 3DEXPERIENCE Fo-rum in Leipzig erstmalig vorgestellt.
Nach erheblichen Anlaufschwierigkeiten bei ersten Digitalisie-rungsinitiativen erscheint 2017 als das Jahr des Industrie-4.0-Durch-bruchs. Heute hat jedes zweite befragte Unternehmen schon Industrie-4.0-Projekte für den operativen Betrieb aktiv geschaltet, um Prozesse zu optimieren oder Effizienzverbesserungen zu erzielen. «Dabei bestä-tigen die Mitarbeiter in den unterschiedlichen Abteilungen, dass dieser gestiegene Reifegrad vielerorts auch mithilfe einer einheitlichen Da-tenplattform erreicht wurde, die den Informationsaustausch verbesser-te», berichtet Mark Alexander Schulte von IDC. Wenn zum Beispiel eine ungünstige Formgebung eines Werkstücks wiederholt zu Problemen während der Fertigung führt, könne diese Information an die Pro-duktentwicklung viel einfacher «zurückgespielt» werden. Auf diese Weise liessen sich Änderungen wesentlich schneller durchführen.
Verteilte Daten integrieren
Jedoch besteht in fast allen Unternehmen entlang des gesamten Wert-schöpfungsprozesses weiterhin ein grosses Verbesserungspotenzial. So berichten 90 Prozent der Befragten, dass auch heute noch zu viel Zeit für die Abstimmung zwischen Abteilungen und Prozessschritten in ihrem Unternehmen benötigt wird. Ein Grund dafür sind die soge-nannten Datensilos, welche bei der Anwendung ganz unterschiedli-cher Softwaresysteme entstehen. Oft sind es aber auch kleine Dateien, in denen die Mitarbeiter ihre Erfahrungen abteilungsbezogen abge-legt haben. All diese Daten müssen Schritt für Schritt integriert und verlinkt werden.
Darüber hinaus sieht Schulte jedoch auch eine organisatorische Herausforderung: «Denn bei diesen Prozessen müssen die Mitarbeiter wirklich mitgenommen werden. Nur so werden sie auch ermutigt, ihre gesammelten Erfahrungen mit ihren Kollegen zu teilen und sich abzustimmen.» «Eine erfolgreiche digitale Transformation kann eben nur gelingen, wenn der Mensch in den Mittelpunkt gestellt wird», er-gänzt Andreas Barth, Managing Director EuroCentral von Dassault Systèmes. Die Unternehmen müssten daher eine Umgebung schaffen, in der sich bisher verteiltes Wissen effektiv gemeinsam nutzen lässt, wobei eine integrative Plattform die Innovationskultur im Unterneh-men und im gesamten Ecosystem erst ermögliche, «sodass nun eine dezentrale Entscheidungsfindung und die Fähigkeit der Mitarbeiter zur Selbstorganisation und Entwicklungsbereitschaft den Ton ange-ben. Eine Riesenchance für Unternehmen und Mitarbeiter!»
Der Einsatz dieser PLM-Plattformen hat sich auch deutlich aus-geweitet. Die Studie nennt hierzu aktuelle Anwendungszahlen z.B. von 51 % in den Entwicklungsabteilungen, 40 % in Fertigungsvorberei- tung, 35 % Fertigung und 34 % im Bereich von Wartung/Service. Durch diese Verfügbarkeit von Informationen würden ganz neue Dynami-ken erzeugt, so Schulte, vor allem wenn auch Partner und Kunden als Know-how-Lieferanten mit eingebunden werden. Die meisten der befragten Firmen sehen daher einen unkomplizierten Informations-austausch auch mit ihrem Ecosystem bestehend aus Lieferanten, Part-nern und Kunden als nächste wichtige PLM-Funktion an.
IDC ist der Überzeugung, dass sich PLM zu einer Produktinno-vationsplattform entwickeln wird, sodass neue Ideen künftig von al-len internen und externen Beteiligten angestossen werden können und nicht nur von den Entwicklungsabteilungen. Ausserdem werden integrierte Qualitäts- und Service-Informationen über Produktfehler oder Kundenfeedback einfliessen können. Diese Einbindung externer Beteiligter bekommt auch im Hinblick auf Fragen der Nachhaltigkeit mit ihren komplexen Anforderungsprofilen eine immer grössere Be-deutung, wenn z.B. eine eine ressourceneffiziente Nutzung der Mate-rialien betrachtet wird.
State-of-the-Art mit der Cloud
Mit diesen erweiterten Aufgaben steigen jedoch auch die Anforderun-gen an das eingesetzte PLM-System, wodurch permanente Anpas-sungsarbeiten nötig werden. Darum erscheint es vorteilhafter, die PLM-Software statt aus dem eigenen Rechenzentrum (on-premise) nun aus der Cloud zu beziehen, wodurch der Aufwand für die Ein-richtung und die Wartung des Systems signifikant reduziert werden kann. Ausserdem werden neue Funktionalitäten durch regelmässige Updates automatisch hinzugefügt, sodass der State-of-the-Art jeder-zeit gewährleistet ist. Zusätzlich reduzieren sich die Kosten insgesamt – besonders für Mittelständler ein grosser Vorteil.
Laut IDC entsprechen diese Vorzüge auch den Vorstellungen der Entscheider bei der Auswahl einer PLM-Software. Schulte fügt hinzu: «Besonders die schnelleren Vorreiter in Richtung 4.0 verwenden PLM schon aus der Cloud, hier besteht offenkundig ein Zusammenhang.»
Es ist daher wenig überraschend, dass heute 56 Prozent der be-fragten Unternehmen zumindest einen Teil ihrer PLM-Dienste aus der Cloud beziehen. IDC geht deshalb davon aus, dass sich dieses in-novationsbeschleunigende Cloud-Bezugsmodell mittelfristig zum Defacto-IT-Architekturmodell der digitalen Transformation entwi-ckeln werde. Vorteilig auch bei einer ortsunabhängigen Datenspei-cherung. Jedoch müssen etwa bei CAD-Modellen meist sehr grosse Datenvolumen transferiert werden, was die Abläufe unter Umstän-den verlangsamen kann.
Hybride Systeme
Andererseits sind Sicherheitsfragen weiterhin ein Gegenargument. «Man sollte jedoch bedenken, dass jeder Datenabfluss gravierende Auswirkungen auf das Kerngeschäft eines Providers hätte», hält Schul-te dagegen. «Ich wage darum zu behaupten, dass die Daten bei einem Anbieter sicherer sind als in vielen Unternehmen vor Ort; denn hier werden Sicherheitsstandards realisiert, die von vielen Unternehmen selbst nur sehr schwer erreicht werden können.» So erachtet die Mehr-heit der IT- und Fachbereichsverantwortlichen die EU-Datenschutz-Grundverordnung als effektives Regelwerk für eine sichere Nutzung von Cloud Services. Trotzdem sehen 83 Prozent der Befragten eine Datenspeicherung in Deutschland als wichtig an. «Ausserdem ist es für die meisten Unternehmen sowieso nicht möglich, wegen der oft langjährig gewachsenen Strukturen ihrer bestehenden PLM-Anwen-dung den Schalter kurzfristig auf Cloud-Betrieb umzulegen», meint Mark Schulte. Ein abruptes Ende aller bestehenden PLM-Installatio-nen im eigenen Rechenzentrum sei also nicht zu erwarten.
Aus Sicht von IDC wird sich deshalb in den kommenden Jahren in vielen Unternehmen ein hybrider Ansatz aus Cloud- und On-Pre-mise-Diensten durchsetzen, der die Vorteile beider Modelle kombi-niert. Deshalb wird den Verantwortlichen geraten, immer wieder nach dem aktuell möglichen optimalen Verhältnis zu suchen. «Wir erleben, dass das Interesse unserer deutschen Kunden an der Nutzung der 3DEXPERIENCE-Plattform in der Cloud gerade im Mittelstand immer mehr wächst», ergänzt Andreas Barth, «vor allem die direkte Einbindung von Lieferanten ist mit einer Cloud-Lösung schnell mög-lich. Wird dabei ein hybrider Ansatz bevorzugt, so entwickeln wir mit unseren Kunden passgenaue Lösungen, die den jeweiligen individuel-len Anforderungen entsprechen.»
Schliesslich erinnert die Studie daran, dass besonders die nächs-te Zeit für die Industrieunternehmen massgeblich sein wird, ob sie zu den Gewinnern der digitalen Transformation zählen werden. Darum sollten sie ihr Engagement auch weiterhin verstärken.