Damit auf dem Roten Planeten alles rundläuft

Der Mars rückt wieder in den Mittelpunkt irdischen Interesses: Eine neue Mission der NASA soll weitere Geheimnisse des Roten Planeten preisgeben. Mit an Bord dieser Mission, die am 30. Juli 2020 gestartet wurde, ist erneut ein Rover sowie sogar ein Helikopter. Dabei kommt auch Schweizer Maschinenbautechnologie zum Einsatz.

Die Schweizer Maschinenindustrie hat international einen hervorragenden Ruf – nach wie vor. Wenn es um Präzision und Nischenanwendungen geht, kommen immer wieder Erzeugnisse von Schweizer Herstellern zum Einsatz. Einen weltweiten Bekanntheitsgrad erworben hat sich diesbezüglich z.B. die Firma maxon in Sachseln OW. Dieses Unternehmen stellt kleine Elektromotoren her, mit denen immer wieder auch die NASA beliefert werden konnte. DC-Motoren aus dem Hause maxon wurden in nahezu allen Robotermissionen auf dem Mars eingesetzt – nach Angaben des Unternehmens sind es bis heute über 100 Antriebe. Und nun kommen weitere hinzu: Ein neuer Rover mit dem Namen «Perseverance» wird – sobald er im Februar 2021 auf dem Roten Planeten ankommt – Bodenproben sammeln, die später auf der Erde näher untersucht werden. Eine Premiere ist dabei auch eine Helikopterdrohne namens «Ingenuity». Sie wird das erste «richtige» Flugobjekt auf dem Mars sein.

Der weite Weg zu «marstauglichen» Motoren

Für die erfolgreiche Mission auf dem Mars spielen die Motoren von maxon eine Schlüsselrolle. Zum einen sind sie für die Bewegung des Roboterarms des Rovers zuständig. Von bürstenlosen DC-Motoren dieses Herstellers angetrieben sind auch die Versiegelungsmechanismen für die Probenbehälter. Für deren Entwicklung und Modifikation arbeitete ein Team von maxon mit Spezialisten des Jet Propulsion Laboratory (JPL) zusammen. Auch beim Helikopter kommen Motoren von maxon zum Einsatz; diese mussten aber weniger modifiziert werden.

Bei den im Rover verwendeten Motoren handelt es sich um die Typen EC 20 flat und EC 32 flat aus der Produktfamilie der «Flachmotoren », wie sie in vielen industriellen Anwendungen zum Einsatz kommen. Sie verfügen über ein kostengünstiges Gesamtdesign, das ein hohes Drehmoment liefert und – dank aussen liegendem Rotor – unter den Bedingungen auf der Erde eine ausgezeichnete Konvektionskühlung und damit hohe Dauerleistung erlaubt. Die Bedingungen auf dem Mars sind allerdings ganz anders. Welche Anforderungen müssen nun die verwendeten Motoren erfüllen und was wurde unternommen, damit ihre Funktionalität auch dort, in der lebensfeindlichen Umgebung auf dem Roten Planeten mit seinen hohen Temperaturschwankungen und gewaltigen Sandstürmen, gewährleistet bleibt? Dieser Artikel zeigt einen kleinen Einblick in die umfangreiche Entwicklungs- und Testarbeit, bei der auf viele Einzelheiten Rücksicht genommen werden musste.

Modifikationen am Serienmodell

Glücklicherweise konnte maxon auf einige Erfahrungen von früheren Marsmissionen zurückgreifen. Dennoch mussten einmal mehr verschiedene Modifikationen vorgenommen werden, zumal man sich beim Rover in neue Anwendungsbereiche vorwagte. Diese Modifikationen umfassten sowohl konstruktive Anpassungen als auch die Verwendung alternativer Werkstoffe. So wurde als Leiterplattenmaterial im Unterschied zu den Serienmodellen FR4 verwendet, ein Material, das auch bei anderen Weltraummissionen üblicherweise benutzt wird. Es gast weniger aus und ist dabei robust genug, um die für die Steuerung benötigten Hallsensoren in einer stark vibrierenden Umgebung zu tragen. Es erfüllt ferner die Anforderungen der technischen Richtlinie für Leiterplatten nach IPC-A-600 Klasse 3 und die von JPL geforderten Tests. Die gesamte Architektur des Motors wurde so modifiziert, dass sich das ganze System auch bei einem harten Aufschlag nicht verändert, d.h. sich einzelne Teile bei Stössen oder Vibration nicht verschieben. Eine robustere Feder mit Unterlagsscheibenenden sorgt dabei dafür, dass sich die Kräfte besser verteilen.

Pyroschocktests zeigen Grenzen der Belastbarkeit

Die Motoren müssen auch höchsten mechanischen Anforderungen genügen und wurden entsprechend getestet. Ein in der Raumfahrttechnik gebräuchlicher Test ist der sog. Pyroschocktest. Dabei geht es darum, Komponenten zu testen, ob sie den Belastungen, die z.B. bei pyrotechnischen Zündungen (etwa dem Abtrennen einer Raketenstufe; ähnliche pyrotechnische Zündungen erfolgen z.B. auch beim Auslösen von Airbags) auftreten, standhalten. Dabei wird das Testobjekt durch einen kurzen und sehr starken Impuls zum Schwingen angeregt. Diese Impulse werden durch Bolzensetzgeräte oder Fall- bzw. Pendelhämmer erzeugt. Selbstverständlich sind diese Pyroschocktests validiert und umfassen die Normen ECSS-EST-10-03C Space Engineering – Testing, MIL- STD-810 G Environmental Test Methods sowie NASA-STD-7003 Pyroshock Test Criteria.

Nach diesen Kriterien wurde vom JPL also auch der EC 32 flat-Motor von maxon getestet. Er wurde einer Kraft von 3000 g (das 3000-Fache der Erdbeschleunigung) ausgesetzt bei einer Schwingungsfrequenz von 1600 Hz. Nach dem Test wurde der Motor untersucht. Im Betrieb war ein kaffeemühlenähnliches Geräusch hörbar. Rein äusserlich schien der Motor aber unversehrt, auch eine computer-tomografische Untersuchung zeigte keine erkennbaren Schäden in der Konstruktion. Weitere Tests, u.a. eine Frequenzanalyse des Motorgeräuschs und eine Prüfung der rotierenden Welle, ergaben, dass die Motorlager leichte Schäden aufwiesen. Was also tun? Ein erneutes Redesign des Motors hätte zu viel Zeit gekostet. Man entschloss sich deshalb trotzdem für einen Einbau, und zwar an einer Stelle, wo zwar die Belastung durch Pyroschock gegeben war, sich aber der «Kaffeemühleneffekt » nicht als nachteilig erwies.

Die Frage der Temperaturüberwachung

Eine weitere Herausforderung bei Elektromotoren ist die Wärmeentwicklung, ausgelöst durch den elektrischen Widerstand in den Wicklungen. Im Gegensatz zu früher bei Marsmissionen verwendeten Motoren konnte dieses Mal auf den Einbau eines Platinwiderstandsthermometers verzichtet werden, das bei drohender Überhitzung eine Notabschaltung ausgelöst hätte. Dank des Designs mit aussen liegendem Rotor konnte die Gefahr einer Überhitzung des Gehäuses minimiert werden. Für später in Erwägung gezogen werden könnte allenfalls der Einbau eines Thermoelements direkt in die Wicklungen. Gekoppelt an die Steuerungsplatine, wäre damit ebenfalls die Auslösung eines Temperaturalarms und eine Notabschaltung möglich.

Die Sprache der Forschung – und der Industrie

maxon konnte schliesslich 99 EC 32 flat-Motoren und 40 EC 20 flat-Motoren an JPL ausliefern – jeweils mehr, als eigentlich für den Einbau in den Rover benötigt wurden. JPL konnte somit eine Auswahl der leistungsfähigsten Motoren treffen und die überzähligen für spätere Missionen einlagern. Die Entwicklung der Motoren für die neue Marsmission war wiederum ein Beispiel dafür, wie privatwirtschaftliche Industrieunternehmen mit staatlich geförderten, rein wissenschaftlich arbeitenden Organisationen wie JPL zusammenarbeiten können. Denn Fragestellungen zu technischen Feinheiten, die zwar für die Forschung von Interesse sind, weil sie über Erfolg oder Misserfolg einer kostspieligen Weltraummission entscheiden können, sind in einem kommerziellen Umfeld häufig kaum relevant. Wie JPL und maxon gleichermassen konstatieren, hat man auch bei diesem Prestigeprojekt aber wieder viel voneinander lernen und profitieren können. Bleibt nun zu hoffen, dass sich die gemeinsame Arbeit auch im Erfolg der Marsmission ausbezahlen wird.

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