Big Data und Fehlentscheidungen bei der EM
Die Fussball-EM in Frankreich verdeutlich einmal mehr Extreme. Gleichwohl könnte man meinen Spiel, Brot und Peitsche unterliegen inzwischen fixen Skripts, Mustern oder Strukturen. Inzwischen sind sogar Wissenschafter drauf und dran unter den 24 Teams der diesjährigen EURO die Winner durch Big Data zu prognostizieren. Ob es gelingt?
Löws seine Jungs, Busquets seine Routiniers oder doch andere Fleissarbeiter? Welches Team letztlich den Siegerpokal nachhause bringen wird, wissen Zuschauende erst anfangs Juli. Forscher möchten allerdings jetzt schon mittels Big Data Analysen errechnen, welche Taktik erfolgversprechend ist und wer somit die grösste Chance auf die Europameisterschaft hat.
Mit Hilfe von Big Data und Statistik ermitteln Wissenschaftler des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) schon heute, wer der wahrscheinlichste Europameister ist. Ihre Technologie berücksichtigt neue Fussballregeln. Gleichwohl existieren auch höhere Gesetze. Statt wie früher in Systemen wird in taktischen „Spielprinzipien“ festgelegt, welcher Spieler sich in welchen Situationen wie verhalten soll.
Neue Regeln relevant?
„Der Begriff Spielsystem trifft das heutige Geschehen auf dem Platz nicht mehr genau“, findet Sportwissenschaftler Dr. Dietmar Blicker vom KIT. Seine Arbeitsgruppe erstellt Spielanalysen unter anderem für den Karlsruher SC und untersucht die taktische Entwicklung im Fussball. „Während früher 90 Minuten „4-4-2“ oder „5-3-2“ gespielt wurde, ist das moderne Spiel viel flexibler geworden.“
Die taktische Schulung der Spieler steht also immer mehr im Mittelpunkt. „Auf dem Platz müssen Spieler selbstständig erkennen können, ob sie nun in der Rolle eines Innen- oder Aussenverteidigers gebraucht werden.“ Zu den neuen Fussballregeln, die ab dem 1. Juni und somit auch schon zur EM gelten, sagt Blicker: „Die Änderungen sind grossenteils nicht dramatisch, können aber im Einzelfall vielleicht zu spannenden taktischen Weiterentwicklungen des Spiels führen.“
So darf der Anstoss nun auch direkt nach hinten gespielt werden, und eine „Angriffsmauer“ zur Sichtbehinderung des Torwarts wird verboten.
Germany – kein Europameister
„Die gute Nachricht aus der Studie: Mit 94,3-prozentiger Wahrscheinlichkeit übersteht die deutsche Fussballnationalmannschaft die Gruppenphase und erreicht das Achtelfinale“, sagt Professor Michael Feindt vom KIT. „Allerdings liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland Europameister wird bei unter zehn Prozent.“ Bessere Chancen haben Frankreich (34,4 Prozent), Spanien (17,5 Prozent) und England (11,3 Prozent).
Feindt ist Experte für die Analyse grosser Datenmengen. Die von ihm gegründete Firma Blue Yonder entwickelt Vorhersage-Software und unterstützt Handelsunternehmen mit datenbasierten Entscheidungen bei der Planung von Lagerbeständen und der dynamischen Preisgestaltung. Die Vorhersage-Software nutzt selbstlernende Neuronale Netze, erkennt in grossen Datenmengen Muster und Zusammenhänge und erstellt daraus Prognosen.
Cern Technologie
Ursprünglich wurde sie für die Anwendung in der Elementarteilchenphysik am Cern entwickelt, wo sie erfolgreich unter tausenden Teilchen die wenigen wissenschaftlich relevanten entdeckt. Für die Prognose der Europameisterschaft wurden die Algorithmen angepasst und mit den Ergebnissen aller rund 36‘000 seit 1873 ausgetragenen offiziellen Länderspiele gefüttert. Natürlich entscheiden viele Unwägbarkeiten den Turnierverlauf, etwa Wetter, Verletzungen und Fehlentscheidungen.
„Dennoch können wir über unsere Algorithmen für jedes Team die Wahrscheinlichkeit vorhersagen, dass es am 10. Juli in Paris als Sieger den Platz verlassen wird“, so Michael Feindt.