BGM: Weit mehr als «nice to have»

Immer noch schrecken viele Unternehmen vor der Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) zurück, denn sie fürchten viel Aufwand und zu wenig Nutzen. Beispiele wie die IVF Hartmann AG in Neuhausen SH treten einen überzeugenden Gegenbeweis an.

So setzt IVF Hartmann AG das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) um: Mit einem ganzheitlichen Modell. (Grafik: IVF Hartmann)

Unter dem bis heute geltenden Motto «FIT@IVF» startete IVF Hartmann, eines der führenden Schweizer Unternehmen für medizinische Verbrauchsgüter mit 330 Mitarbeitenden, vor 10 Jahren mit kleinen Schritten in das Betriebliche Gesundheitsmanagement. Dazu gehörten etwa die Einrichtung eines Ruheraums und erste Sportan­gebote und -anlässe für Mitarbeitende. Den Anstoss dafür gab HR-Leiterin Nicole Egger, die bereits aus früheren Tätigkeiten positive Erfahrungen mit BGM-Massnahmen mitbrachte. Mit der Nutzenargumentation, dass gesunde Mitarbeitende zu einem gesunden Unternehmen und damit auch zu gesunden Finanzen führen, war die Geschäftsleitung schnell gewonnen. Darüber hinaus ergänzte die Unternehmensvision «We are going further for health» – nicht nur für Kunden, sondern auch für Mitarbeitende – perfekt.

Unternehmenskultur als tragende Säule

Vor diesem Hintergrund war der Rückhalt durch eine mitarbeiterorientierte Führungs- und Unternehmenskultur von Beginn an gegeben. «Die nachhaltige Umsetzung eines systematischen BGM braucht einen starken kulturellen Unterbau, damit es dauerhaft ein fixer Agendapunkt in der Unternehmensstrategie und im kontinuierlichen Entwicklungsprozess ist, zumindest zeigt das unsere Erfahrung», erläutert Ines Marusic, seit 2015 HR Business Partner und BGM-Verantwortliche bei IVF Hartmann. «Deshalb empfehle ich Unternehmen, die ein BGM einführen und langfristig erfolgreich etablieren wollen, als relevanten Entscheidungsträger von vornherein die Geschäftsleitung an Bord zu holen und das HR einzubeziehen, damit eine auf die Personalentwicklung abgestimmte Umsetzung erfolgt. Wir nutzen zudem ergänzend zu unseren internen Kompetenzen kontinuierlich die ex­ternen Impulse der Expertinnen und ­Experten von Gesundheitsförderung Schweiz, die für uns ein wertvoller Sparringpartner sind.»

Mit ganzheitlichem Ansatz zum Label

2015 fiel die Entscheidung, das bisher geschaffene firmeninterne BGM-Massnahmenpaket weiter zu professionali­sieren. Im Sinne einer effizienten und zielführenden Umsetzung wurden die einzelnen Bausteine mit einem Spektrum von Führungskräftetrainings für Mitarbeitergespräche sowie Burnout-Prävention bis hin zu vielfältigen Gesundheits-Angeboten in einem ganzheitlichen BGM-Modell zusammengeführt (s. Grafik) und in einem Konzept festgehalten.

Damit war gleichzeitig der Weg frei für die Auszeichnung als «Friendly Work Space» durch Gesundheitsförderung Schweiz, die 2016 erfolgte. «Das Label ist ein Qualitätssiegel basierend auf wissenschaftlich validierten Kriterien. Daher ist uns dieses Label sehr wichtig, denn es setzt sowohl intern wie extern ein starkes Signal, dass das Thema (Mitarbeitenden)Gesundheit dauerhaft fest im Unternehmen verankert ist und professionell behandelt wird», betont Marusic.

Interne Kompetenzen intelligent genutzt

Einhergehend mit der Professionalisierung des Betrieblichen Gesundheitsmanagements verantwortet zwischenzeitlich ein sechsköpfiges Steuergremium mit Mitgliedern aus unterschiedlichen Abteilungen unter Leitung der BGM-Verantwortlichen die Umsetzung. Für die Gestaltung des BGM-Jahresprogramms werden, falls vorhanden, auch gerne Mitarbeitende einbezogen, die über gesundheitsrelevante Zusatzausbildungen z.B. im Bereich Ernährung, Bewegung/Sport oder Entspannung verfügen und ihr Wissen gerne an die Kolleginnen und Kollegen weitergeben.

BGM bringt messbaren Erfolg

Die Verpflichtung für diesen hohen BGM-Qualitätsstandard bringt messbare Erfolge. Die zeigen sich unter anderem in deutlich rückläufigen Absenzen und geringerer Anzahl schwerwiegender Fälle. Dadurch reduzierten sich die Absenzkosten von 2017 auf 2018 um CHF 400 000 und blieben im Folgejahr fast identisch auf diesem deutlich niedrigeren Niveau. Erfreuliche Einsparungen für IVF Hartmann, die das Unternehmen seinen Mitarbeitenden über den Rückfluss in das BGM-Budget wieder zugutekommen lässt. Auch der hohe Wert der investierten Zeit wird damit deutlich. Bei Ines Marusic sind es gute 25 Prozent ihres Teilzeitpensums von 70 Prozent.

Zu guter Letzt noch ein Blick auf das Ausnahmejahr 2020. Marusic ist von den positiven Auswirkungen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements in diesem Zusammenhang überzeugt: «Dank unserer nun seit Jahren von einem hohen Bewusstsein für die körperliche und mentale Gesundheit der Mitarbeitenden geprägten Unternehmenskultur waren wir für diese Krise gut aufgestellt. Das bestehende Vertrauensverhältnis hat beispielsweise das Führen auf Distanz deutlich erleichtert. Zudem haben unsere Mitarbeitenden dank BGM bereits vieles gelernt rund um Stressabbau, Zeitmanagement, Ernährung usw. und übernehmen entsprechend Verantwortung für ihre Gesundheit. Deshalb hat auch die blitzartige Umstellung auf Home­office problemlos funktioniert und zeigt den Reifegrad der Organisation. Wir hatten keine rein durch die Belastung der Krisensituation bedingten Ausfälle. Ich denke, das spricht für sich.»

Gesundheitsförderung Schweiz

Die privatrechtliche von Kantonen und Versicherern getragene Stiftung initiiert, koordiniert und evaluiert mit gesetzlichem Auftrag Massnahmen zur Förderung der Gesundheit. Dazu gehört auch die Unterstützung von Unternehmen und Organisationen beim Aufbau eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM).
Noch bis 31.3.2021 ermöglicht Gesundheitsförderung Schweiz Unternehmen einen einfachen und kostengünstigen Einstieg ins BGM mittels Anteilsfinanzierung.

www.friendlyworkspace.ch/anteilsfinanzierung

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