Bankenkrise geht weiter – Wirtschaft schwächt sich weiter ab
Der aktuelle Country Risk Global Outlook von Dun & Bradstreet sieht das Finanzsystem nach einem weiteren Zusammenbruch einer Regionalbank weiterhin anfällig für Vertrauenskrisen. Zudem seien in fast allen Volkwirtschaften Anzeichen für eine Konjunkturabschwächung zu erkennen. In den USA sei ein Ende des Zinserhöhungszyklus erkennbar.
Die Vertrauenskrise im Finanzsektor hält an. Nach der Silicon Valley Bank und der Signature Bank musste in den USA mit der First Republic Bank Anfang Mai eine weitere Regionalbank vor dem Kollaps gerettet werden – in diesem Fall durch das Eingreifen von JP Morgan. Der Absturz der First Republic Bank kam freilich nicht überraschend. Schon in der April-Ausgabe des Global Outlook der Wirtschaftsauskunftei Dun & Bradstreet wiesen die Autoren auf die Probleme und den massiven Abfluss von Einlagen bei dem kalifornischen Institut hin. Sie halten es für möglich, dass noch weitere regionale US-Institute mit einem ähnlichen Bilanz- und Geschäftsprofil zu Notfällen werden könnten. Zwar sei es beruhigend, dass die ertragsstarken amerikanischen Grossbanken bereit sind, als schützender Hafen für kriselnde kleinere Institute zu fungieren, heisst es weiter. Als Problem könnten sich jedoch die verschlechternden Kreditbedingungen in den USA erweisen, auch weil infolge der sich verlangsamenden US-Wirtschaft erhöhte Kreditausfälle drohen. Das Risiko, dass weitere Dominosteine fallen und der Bankensektor von neuerlichen Panikattacken erschüttert wird, besteht also fort, so die Einschätzung von Dun & Bradstreet.
Wirtschaftsabschwächung und Zinsstopp in den USA
Interessante Hinweise zur globalen Wirtschaftsentwicklung lieferten die Daten zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) für das erste Quartal 2023. Sie deuten in nahezu allen Volkswirtschaften auf eine Konjunkturabschwächung hin. Die Aussichten für Nordamerika stuft der Bericht weiterhin als «verschlechtert» ein. So blieb das BIP-Wachstum in den USA in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres mit annualisierten 1,1 Prozent hinter den Erwartungen zurück. Insbesondere der Immobilienmarkt neigt zu Schwäche. Zudem schwebt über der grössten Volkswirtschaft der Welt das Damoklesschwert der Zahlungsunfähigkeit, sollte der Kongress nicht einer Aussetzung der Schuldenobergrenze zustimmen. Dieser im US-Sprachgebrauch als «X-Date» bezeichnete Tag könnte früher eintreten als erwartet.
In den USA besteht demnach die Gefahr neuerlicher Bankenzusammenbrüche und eines rauer werdenden Kreditumfelds fort. Dieser Aspekt hat die US-Notenbank Fed dazu veranlasst, den Zinserhöhungszyklus früher zu stoppen, als es die Inflationsdynamik wahrscheinlich rechtfertigen würde. Alles in allem haben die Abwärtsrisiken für die US-Wirtschaft zugenommen, auch wenn eine vollumfängliche Rezession noch immer nicht unserem Basisszenario entspricht.
Steigende Kerninflation in Europa
In der Europäischen Union belief sich das Wirtschaftswachstum im ersten Quartal 2023 laut Eurostat auf 0,3 Prozent und in der Eurozone auf 0,1 Prozent. Auch wenn einige Frühindikatoren Anlass zu moderatem Optimismus geben, sehen sich die europäischen Volkswirtschaften weiterhin mit Herausforderungen konfrontiert, folgert der Bericht von Dun & Bradstreet. Zwar befinde sich die Gesamtinflationsrate in vielen Ländern Westeuropas auf dem Rückzug. Ein Grund für eine Entwarnung sei das aber nicht, denn die Kerninflation (also die Teuerung ohne Energie, Nahrungsmittel, Alkohol und Tabak) legte zuletzt weiter zu. Von daher dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen noch weiter erhöhen, bevor sie im Laufe der zweiten Jahreshälfte vermutlich eine Pause einlegen wird. Vom gestiegenen Kreditrisiko in den europäischen Volkswirtschaften zeuge die zunehmende Zahl an Insolvenzen. Sie legten im vierten Quartal 2022 um 27 Prozent gegenüber dem Vorquartal zu.
Asien: China profitiert von Nachholeffekten
Ferner erachtet der jüngste Country Risk Global Outlook die Konjunkturaussichten für den asiatisch-pazifischen Raum als «stabil», wenngleich das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr hinter dem des Vorjahres zurückbleiben dürfte. Ausnahmen seien Festlandchina, die Sonderverwaltungszone Hongkong und Thailand, heisst es dazu. China profitiere von Nachholeffekten nach dem Ende der Null-Covid-Politik des Landes und werde wahrscheinlich sein Wachstumsziel von rund 5 Prozent in diesem Jahr erreichen, so die Einschätzung der Autoren. Davon würden kurzfristig die eng mit der chinesischen Wirtschaft verflochtenen asiatischen Volkswirtschaften profitieren, während diejenigen Länder der Region, die stark in die europäischen und US-amerikanischen Märkte exportieren, einen Rückgang der Auslandsnachfrage verzeichnen würden. „Unterm Strich gehen wir davon aus, dass Chinas ‚Wachstumsdividende‘ nach der Wiedereröffnung nur begrenzte positive Effekte für den Rest der Welt haben wird“, so die Einschätzung im Bericht.
Rohstoffe: Bei Öl droht Angebotsverknappung
Der Ölpreis für die Sorte Brent hat sich zuletzt bei rund 80 US-Dollar pro Barrel eingependelt. Im weiteren Jahresverlauf könnte es infolge von Angebotsverknappungen jedoch zu Preissteigerungen bis auf 100 US-Dollar kommen. Zum einen, weil das EU-Embargo für raffinierte russische Ölprodukte in Kraft getreten ist. Zum anderen, weil die beschlossene Produktionskürzung durch die OPEC von Nicht-OPEC-Ländern aufgrund ihrer begrenzten Kapazitätsreserven vermutlich nicht vollständig kompensiert werden kann.
Quelle und weitere Informationen: Dun & Bradstreet