Automobiler Umbruch
Die Automobilindustrie befindet sich in der dritten Revolution. Die erste Revolution wurde durch Henry Ford eingeleitet, der den PKW zu einem Massenprodukt entwickelt hat. Die zweite Revolution erlebte die Automobilindustrie in den 1970erund 1980er-Jahren. Diese bestand in einer umfangreichen Produktdifferenzierung. Und nun die dritte Revolution: Getrieben von gesellschaftlichen Megatrends muss sich die Automobilindustrie neu ausrichten.
Mobilität ist und bleibt ein Megatrend der Zukunft. Doch wie diese Mobilität genutzt wird, wird sich stark verändern. Und diesen Veränderungen muss sich die Automobilindustrie stellen, wenn sie langfristig nicht Opfer der Disruption werden will.
Vom Hersteller zum Mobilitäts- Dienstleister
Es sind vor allem drei Trends, welche die technologische Entwicklung in der Automobilindustrie vorantreiben: Konnektivität, Mobilität und Ökologie. Vernetzte Fahrzeuge, autonomes Fahren, Carsharing-Modelle und nicht zuletzt die Elektrifizierung von Autos sind die Folgen davon. Die Kunden wollen zwar nach wie vor individuelle Mobilität, diese aber nachhaltig und möglichst ökologisch. Die Branche sieht sich also mit der Herausforderung konfrontiert, mit neuen Geschäftsmodellen auf diese Entwicklungen zu reagieren. Das bedeutet aber auch, dass Unternehmen ihre etablierten Denkweisen zum Teil grundlegend überdenken müssen. «Vor dem Hintergrund steigender Wettbewerbsdynamik müssen bestehende Führungsund Managementprozesse an die Anforderungen der Wissensarbeiter und der Wissenskultur angepasst werden», schreibt dazu Felix Pfeil von der Universität Würzburg in seiner 2018 erschienenen Publikation «Megatrends und die dritte Revolution der Automobilindustrie».
Trends in der Automobilindustrie: Fünf Bereiche
Es zeichnet sich ab, dass die Automobil-Konzerne sich von reinen Herstellern immer mehr zu ganzheitlichen Mobilitäts-Dienstleistern wandeln. Das sehen auch die Analysten von PwC so. Sie haben die Automobilindustrie unter die Lupe genommen und dabei fünf Bereiche herausgearbeitet, die als Treiber der Automobilbranche gelten können.
- Das Fahrzeug: Das Auto der Zukunft wird «eascy» sein. Das bedeutet: electrified, autonomous, shared, connected, yearly updated. Mit anderen Worten: Das zukünftige Auto ist besser für die Luftreinhaltung, da es elektrisch angetrieben ist – vorausgesetzt, der Strom stammt ebenfalls aus nicht fossiler Energie. Nicht die Autos an sich werden in Zukunft gekauft, sondern deren Nutzung bezahlt (mobility-as-a-service). Insgesamt dürfte ein Fahrzeug für die Nutzer künftig erschwinglicher werden.
- Die Nutzer: Die technikaffine Generation wird die Entwicklung der Mobilität wei-ter vorantreiben. Es werden aber auch in Zukunft verschiedene «Nutzer-Typen» parallel existieren. Während eine junge, technisch versierte und urbane Bevölkerungsschicht auf Shared Services, autonome Taxis oder Busse sowie den (elektrisch betriebenen) öffentlichen Verkehr setzt, wird bei anderen Bevölkerungsgruppen – etwa Familien oder ältere Personen in eher ländlichen Gebieten – der Fokus aufs eigene Auto erhalten bleiben. Dessen Nutzung wird aber stärker differenziert.
- Die Mobilität: Gemäss der PwC-Analyse werden 2030 in Europa 40 Prozent der gefahrenen Kilometer mit selbstfahrenden Fahrzeugen zurückgelegt. Die Personenkilometer werden um 23 Prozent steigen. Der Trend «Nutzen statt Besitzen» (siehe Punkt 1) wird verstärkt werden durch die Zunahme an digitalen Mobilitätsdienstleistungen, z.B. Online-Mitfahrzentralen, Car-Sharing-Plattformen oder Taxi-Unternehmen, die ihre Services per App anbieten.
- Der Automobil-Markt: Die Zunahme an Shared Mobility Services wird dazu führen, dass die Anzahl der zugelassenen Fahrzeuge tendenziell sinken wird, der Auslastungsgrad aber steigt. Die Analysten von PwC gehen davon aus, dass sich 2030 der Fahrzeugbestand in Europa von 280 Millionen auf 200 Millionen Autos reduzieren wird. 55 Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge werden 2030 in Europa elektrifiziert sein.
- Automobile Wertschöpfung: Die Automobilhersteller sowie ihre Zulieferer sind gezwungen, sich mit kundenorientierten Innovationen zu positionieren. Es wird ein Strategie-Wandel von «technology driven» über «service driven» zu «innovation driven » stattfinden müssen. Bemerkenswert: Unter den 10 innovativsten Unternehmen (Stand 2017) befindet sich mit Tesla Motors nur eine einzige Automobilfirma …
Alternative Antriebe im Kommen
Technologisch gesehen dürfte sich der benzinbetriebene Verbrennungsmotor zu einem Auslaufmodell entwickeln. Gemessen an den aktuellen Autoverkäufen sieht es zwar noch nicht so aus. Doch gemäss auto-schweiz, dem Dachverband des Schweizer Automobil-Handels, wurden 2018 21 591 Fahrzeuge mit alternativen Antrieben in Verkehr gesetzt. Das ist gegenüber 2017 ein Anstieg von 23 Prozent. Der Anteil von Elektro-, Hybrid-, CNG- und Wasserstofffahrzeugen am Gesamtmarkt betrug 7,2 Prozent. Fast die Hälfte der Alternativ-Immatrikulationen entfiel auf Elektroautos und Plug-in-Hybride, ihr Marktanteil lag bei 3,2 Prozent. Es dürfte im Interesse der Automobilhersteller und -händler sein, für eine breitere Angebotspalette zu sorgen. Noch dominiert jene Konsumenten-Generation, für die der Besitz eines eigenen Autos entscheidend zur Lebensqualität beiträgt. Doch dieses Paradigma gerät unter Druck – und damit auch ein Industriesektor, der sprichwörtlich den «Motor» ganzer Volkswirtschaften darstellt.