Auswege aus dem Europa-Dilemma
Die künftige Rolle der Schweiz in Europa stand im Brennpunkt der diesjährigen Jahresversammlung von economiesuisse. Auch 30 Monate nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative liege noch immer keine tragfähige Lösung zu deren Umsetzung vor, konstatierte economiesuisse-Präsident Heinz Karrer in seiner Ansprache zum "Tag der Wirtschaft".
«Fortschritt ist nur in einem offenen System möglich und Exzellenz benötigt den ungehinderten Austausch von Ideen und Menschen», sagt Prof. Dr. Lino Guzzella, Präsident der ETH Zürich.
Bei der Umsetzung der Masseneinwanderungs-initiative stecke unser Land in einem Dilemma, sagte Präsident Heinz Karrer in seiner Ansprache vor rund 500 Gästen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Politik. Wir hätten es aber selbst in der Hand, die wirtschaftspolitischen Weichen so zu stellen, dass die Schweiz auch morgen zu den attraktivsten Wirtschaftsstandorten der Welt gehöre.
Staatssekretär Jacques de Watteville sprach über die aktuellen Herausforderungen in den Verhandlungen mit der Europäischen Union. ETH-Präsident Lino Guzzella skizzierte die Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Bildungs- und Forschungsstandort. Die Grüsse des Bundesrats überbrachte Bundespräsident Johann Schneider-Ammann.
Die Masseneinwanderungsinitiative präge die aktuelle Debatte über die künftigen Beziehungen unseres Landes zu Europa – vor allem aber über den Erhalt der bilateralen Abkommen, von denen die Schweiz wirtschaftlich in substanziellem Ausmass profitiere. Es sei offensichtlich, die Schweiz stecke hier in einem Dilemma.
Zusätzlich erschwert werde die ohnehin schon schwierige Suche nach einer einvernehmlichen Lösung mit der EU durch den EU-Austritt Grossbritanniens.
Die Politik mitgestalten
Viele wirtschaftliche und politische Veränderungen auf der Welt könne die Schweiz kaum beeinflussen, sagte Karrer. Aber sie könne die damit verbundenen Herausforderungen annehmen. Und sie könne insbesondere die Rahmenbedingungen im eigenen Land so beeinflussen, dass dieses auch morgen zu den attraktivsten Wirtschaftsstandorten der Welt gehöre.
Was die Schweiz nun brauche, seien Investitionen in das duale Bildungssystem, den Innovations- und den Steuerstandort (USR III), unterstreicht Heinz Karrer. Eine prosperierende Wirtschaft sei angewiesen auf hohe Rechtssicherheit, politische Stabilität und einen starken gesellschaftlichen Zusammenhalt. Es sei deshalb wichtig, dass sich Unternehmerinnen und Unternehmer auch ausserhalb ihres Kerngeschäfts in irgendeiner Form für die Gesellschaft engagieren – sei das in Vereinen, Stiftungen oder in der Politik.
Schweizer Europapolitik?
Staatssekretär Jacques de Watteville, Chefunterhändler für die Dossiers Schweiz-EU, ging auf die aktuellen Herausforderungen der Schweizer Europapolitik ein. Er erläuterte, dass die Schweiz und die Schweizer Unternehmen den Zugang zum EU-Binnenmarkt und Rechtssicherheit benötigten. Es brauche geregelte Beziehungen mit der EU, um den Wohlstand, die Arbeitsplätze, die Wertschöpfung, das Know-how und die Steuereinnahmen in der Schweiz zu erhalten. «Das ist nur möglich, wenn wir den bilateralen Weg konsolidieren», sagte Staatssekretär de Watteville weiter. Also brauche es eine einvernehmliche Lösung mit der EU in der Zuwanderungsfrage sowie eine Einigung bei den institutionellen Fragen.
Zugang zum Talentpool unabdingbar
Lino Guzzella skizzierte in seinem Referat das Profil eines erfolgreichen Bildungs- und Forschungsstandorts und die Rahmenbedingungen, die es dazu braucht. Es sei zentral, dass die Hochschulen weiterhin Zugang hätten auf den nationalen wie internationalen Talentpool. Guzzella: «Wenn wir weiterhin zu den Besten gehören wollen, brauchen wir die klügsten Köpfe aus der Schweiz und aus der Welt.
Fortschritt ist nur in einem offenen System möglich und Exzellenz benötigt den ungehinderten Austausch von Ideen und Menschen.» Guzzella unterstrich in diesem Zusammenhang die Bedeutung, dass die Schweiz ab 2017 wieder voll assoziiertes Mitglied im europäischen Forschungsrahmenprogramm «Horizon 2020» wird. Nebst der Offenheit stellten Autonomie und eine genügende Finanzierung zwei weitere wichtige Bedingungen dar für Hochschulen wie die ETH Zürich, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein.