AussergewöhnlicheSchadenereignisse

Der Sturm Burglind hielt die Schweiz und Infrastrukturen nördlich der Alpen ziemlich in Atem. Kürzlich sind die ersten Schadenausmasse veröffentlicht worden. Wenngleich: Wer haftet eigentlich bei einem Betriebsausfall bei sogenannter höherer Gewalt? Eine Eingliederung von Versicherungsformen.

AussergewöhnlicheSchadenereignisse

 

Um den 3. Januar 2018 verursachten orkanar- tige Winde vielerorts Schäden und Unfälle in der Schweiz. Nicht nur Privatpersonen, auch Betriebe wurden durch heruntergestürzte Elemente geschädigt. Gesperrte Strassen und Beeinträchtigungen der Verkehrswege muss- ten Pendler in Kauf nehmen. Allerdings: Wie sollen Unternehmen mit durch Sturmschäden verursachten Betriebsausfällen umgehen?

 

Kurz oder lang stellt sich die Frage, wer für welche Schäden haftet. Das Haftpflicht- recht kennt denn sowohl das ausservertragli- ches Recht als auch das eigentliche vertragli- che Haftpflichtrecht. Darüber hinaus existie- ren mehr Einzel- als Regelfälle, so bei Re- gressansprüchen. In den Bereich der Sach- schäden fallen schliesslich «kollektive Scha- densabnahmesysteme».

 

Grundsätzlich stehen hinter dem/den Geschädigten die Sozialversicherungen und hinter dem/den Haftpflichtigen die Haft- pflichtversicherungen. Die Ersatzpflicht folgt nicht aus der eigentlichen Schadenszufü- gung, sondern aus der Widerrechtlichkeit oder Sittenwidrigkeit der getätigten Hand- lung. Der Schädiger hat per se für ein ver- schuldetes Unrecht einzustehen.

 

Welche Absicherung könnte jedoch pri- vatwirtschaftlichen Betrieben aus der Patsche helfen, die von Naturkatastrophen, von soge- nannter höherer Gewalt getroffen wurden?

Spezifischer Rechtsgüterschutz
Nach heutiger Auffassung haftet der Schuldner für Nichterfüllung (zum Beispiel Verzug) oder nicht gehörige Erfüllung (siehe auch Schlechterfüllung). Er haftet auch, wenn seine Leistung in anderer Weise nicht vertragskonform erfolgt. Grosse Bedeutung haben hier die Neben-, Verhaltens- und Schutzpflichten.

 

In der Schweiz sind die sogenannten «absoluten Rechte» wie Leben und Sachen ge- schützt. Relative Rechte (reine Vermögens- schäden) sind nur so weit geschützt, wie sie durch bestimmte Regeln und Abmachungen festgelegt werden.

 

Kurze Übersicht der Haftungstatbestände und Haftungsarten Die Haftungstatbestände lassen sich wie folgt einteilen:

a) vertragliche Haftung Verletzung vertraglicher Haupt-, Nebenleistungs- und Neben­- pflichten

b) unerlaubte Handlungen Verschuldens- und Kausalhaftungen des OR, ZGB und Spezialgesetze

c) öffentliches Recht Staats- und Beamtenhaftung – Haftungsgründe aus Privatrecht

 

Ausservertragliche Haftung

a) Verschuldenshaftung

b) milde Kausalhaftung z.B. Art. 54 OR Haftung urteilsunfähiger Personen Art. 55 OR Geschäftsherrenhaftung usw.

c) scharfe Kausalhaftung Art. 58 SVG Haftung des Fahrzeughalters Art. 27 EleG Haftung des Elektrizitäts­ werkes Art. 1 EHG Haftung des Eisenbahnunter- nehmers usw.

 

Art. 420 OR Haftung des Geschäftsführers für Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Kausalhaftungen, Tatbestandselemente:

  • Schaden (eventl. immaterielle Unbill)
  • Widerrechtlichkeit
  • Kausalzusammenhang

Versicherung bei Betriebsunterbrechung
Überschwemmungen, Hagel, Stürme und La- winen richteten jeweils unterschiedlich gros­ se Schäden in der Schweiz an, wobei ein Grossteil dieser Schäden von der Versiche- rungswirtschaft getragen wird.

Reine Vermögens- oder Gebäudeschä- den lassen sich also durch Versicherungsver- träge und durch Schutznormen abwälzen. Was passiert jedoch, wenn ein Naturereignis wie Burglind über ein Land fegt und die Betriebe ganzer Regionen stilllegt? Swiss Re kennt sich mit volkswirtschaftlichen Schäden, die durch Naturereignisse entstanden sind, aus.

 

Ob und in welchem Ausmass in der Schweiz die privaten Versicherungsgesell-schaften oder die kantonalen Gebäudeversi-cherungen für solche aufkommen müssen, hänge davon ab, «wo sich die Katastrophe» ereigne (Stichworte: Seenähe, Waldstrecke, öffentliches Gebäude, gesicherte Baustelle) – ob eventuell schon Massnahmen durch Be-triebe gegen potenzielle Schadenfälle getrof-fen worden seien.

 

So begleichen die Betriebsunterbre-chungsversicherung und die privaten Versi-cherungen schätzungsweise ad hoc gut 65 Prozent der Betriebsschäden, die durch Na- turereignisse entstanden sind. Voraussetzung für eine Ersatzleistung aus der Betriebsunter-brechungsversicherung ist ein Sachschaden auf dem Versicherungsort, der die Unterbre-chung verursacht. Der Sachschaden muss da-bei durch eine versicherte Gefahr entstanden sein und eine «dem Betrieb dienende» Sache beeinträchtigen.

 

Nicht nur eigentliches Eigentum des Ver-sicherungsnehmers ist bei einem solchen Ver-sicherungsvertrag geschützt, sondern auch weitere Elemente. So ist zum Beispiel auch ­eine Betriebsunterbrechung nach einem Sturmscha-den an einem Transformator auf dem Gelände versichert, wenn der Transformator im Eigen-tum eines Energieversorgers steht.

 

So lassen sich beispielsweise Ertragsaus-fallschäden aufgrund der Unterbrechung von Lieferketten (wie zum Beispiel nach dem Vul-kanausbruch auf Island 2010) oder Insolvenz des Zulieferers versichern. Diese Produkte sind aber bislang noch nicht weit verbreitet und werden nur Grosskunden angeboten.

Haftpflichtrecht bei höherer Gewalt
Normalerweise schliessen sich Haftpflichtrecht und vertragliches Schadenersatzrecht nicht aus. Allein die «Vorwerfbarkeit der Schadenszu-fügung» könnte jedoch zu einem Schadenersatz führen und nicht der eigentliche Schaden res-pektive das Schadensausmass. In Einzelfällen wurden jedoch auch schon Verantwortliche be-straft, so zum Beispiel italienische Zivilschutz-chefs und Seismologen wegen fehlenden, un-präzisen Warnhinweisen im Erdbebengebiet um Aquila. Sie wurden in einer ersten Instanz zu sechs Jahren Haft verurteilt.

 

Bei orkanartigen Stürmen sprechen Ex-perten meist von höherer Gewalt. Hierbei haften Versicherungsgesellschaften nur un-ter besonderen vertraglichen Abmachungen. In der Praxis kommt bei Grossschadenereig-nissen die Betriebsunterbrechungsversiche-rung zum Zuge. Ähnlich wie bei einer übli-chen Versicherung muss jedoch der eigentli-che Sachschaden zum völligen Stillstand der Produktion führen.

 

Eine Betriebsunterbrechung per defini-tionem liegt jedoch auch vor, wenn der Be-trieb nicht in der vorherigen Weise aufge-nommen werden kann.

 

Wie in üblichen Versicherungspolicen sollten jedoch auch bei Schadenausmassen bei massiveren Naturereignissen Selbstbetei-ligungen (siehe Box «Komplexe Einschätzung der Versicherungssumme») vereinbart wer-den. Die Höhe der Selbstbeteiligung hat je-doch einen wesentlichen Einfluss auf die Prä-mie. Neben einer Selbstbeteiligung bemessen in finanziellen Werten sind auch zeitliche Beteiligungen am Markt anzutreffen, insbe-sondere in der Betriebsunterbrechungsversi-cherung für Maschinenelemente.

Haftzeit und Bewertungszeitraum
Die Betriebsunterbrechungsversicherung ersetzt den entgangenen Gewinn sowie die nicht erwirtschafteten fortlaufenden (fi-xen) Kosten während der sogenannten Haftzeit. Die Haftzeit beträgt regelmässig 12 Monate ab Eintritt des Sachschadens (und nicht der Betriebsunterbrechung). Über ge-sonderte Vereinbarungen kann die Haftzeit verlängert werden, zum Beispiel wenn eine Betriebswiederaufnahme innerhalb dieser Zeit vorhersehbar nicht erreicht werden kann.

 

So sind beispielsweise überjährige Haft-zeiten von 24 oder auch 36 Monaten durch-aus üblich. Die Betriebsunterbrechung endet, wenn die vollständige kaufmännische und technische Betriebsbereitschaft wiederher-gestellt ist. Dies ist jedoch stets schwierig zu bestimmen, darüber hinaus erhält der Versi-cherungsnehmer meistens für weitere Aus-fallschäden bei klimabedingten Naturereig- nissen keinen Ersatz mehr.

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