Ausbildung «on the job»

Schindler Digital Business bildet mit Melanie Ockenfels eine Studierende im berufsintegrierten Bachelor-Studium aus. Nach einem Jahr ist es Zeit eine Zwischenbilanz zu ziehen.

Ausbildung «on the job»

 

 

Das Praxisintegrierte Bachelorstudium (PiBS) ist ein komplett neues Konzept auf dem schweizerischen Bildungsmarkt. Es kombi-niert und verzahnt ein Hochschulstudium mit der praktischen Lehre im Betrieb. Der Studierende verbringt die Hälfte seiner Ar-beitszeit im Betrieb, die restliche Zeit wird für das Studium verwendet. Das PiBS ersetzt nicht die duale Berufsausbildung, sondern ermöglicht dem Hochschulstudenten rele-vante Berufspraxis zu erlangen.

 

Schindler Digital Business, ein globales Unternehmen mit Sitz in Ebikon, ist seit 2016 Praxispartner im PiBS. Melanie Ockenfels hat im August ihr Studium bei Schindler und an der FFHS aufgenommen. Adrienne Hur-tienne, Senior HR Business Partner, Gabriela Thalmann, Head HR Berufsbildung, und An-tonino Schiliro, Head DTF Development, sprechen im Interview über ihre Gründe für und ihre Erfahrungen mit dem PiBS.

 

Frau Hurtienne, warum ist Schindler Praxispartner im PiBS-Studienausbildungs-modell der FFHS?
A. Hurtienne: Die Digitalisierung der Wirt-schaft und Industrie fordert ein hohes Aus-bildungsniveau. Obwohl die Bildungsland-schaft in der Schweiz viele Möglichkeiten zur Ausbildung erlaubt, gibt es leider zu we-nige Fachkräfte mit höherer Ausbildung. Das PiBS bietet die Chance, Ausbildung und Studium zu kombinieren. Als Partner steu-ert das Unternehmen durch den Praxisein-satz und die entsprechende Förderung des Studierenden das Niveau mit. Ausserdem sind wir mit diesem Modell nicht mehr nur auf die Rekrutierung von geeigneten Fach-kräften aus anderen Ländern angewiesen, sondern können diese auch in der Schweiz ausbilden.

 

AB: Warum eine PiBS-Studierende statt mehr Informatik-Lehrstellen?
G. Thalmann: Die Schindler-Berufsbildung ist das Ausbildungszenter für Nachwuchs-kräfte der Firma Schindler. So läuft die Koor-dination (wie z.B. die Rekrutierung oder die Ausbildungsplanung) der EFZ-Lernendenso-wie auch der PIBS-Studierenden über die Schindler-Berufsbildung. Mit dem Start des PIBS-Studienganges haben wir unser Ausbil-dungsportfolio erweitert, um noch ein brei-teres Publikum an Nachwuchskräften an-sprechen zu können, denen wir den Einstieg in die Welt der Firma Schindler ermöglichen können. Die beiden Ausbildungsgänge ste-hen also nicht in Konkurrenz, sondern in Er-gänzung zueinander.

A. Hurtienne: Schindler Digital Business hat nicht vor, die klassische Berufsausbildung zu reduzieren, denn dieses Know-how bleibt re-levant. Eine höhere Ausbildung fördert stär-ker die analytischen Fähigkeiten, das konzep-tionelle und vernetzte Denken. Absolventen sind in der Lage, sich in kurzer Zeit neue Skills und Denkweisen anzueignen. Die Dynamik der Digitalisierung und der Globalisierung macht diese Kompetenzen für Schindler Di-gital Business immer wichtiger.

 

Worin sehen Sie die Stärken des PiBS?
G. Thalmann: Der Bildungsgang wurde von der FFHS konzipiert, umgesetzt und stetig re-flektiert. Die Bedürfnisse von Unternehmen, Studierenden und Dozenten werden laufend erfasst, ausgewertet und gemeinsam wird entschieden, was den Lehrgang stärkt. Wir können uns als Unternehmen einbringen. Dadurch erleben wir den Austausch mit der FFHS partnerschaftlich und produktiv.
A. Hurtienne: Es ist die einzigartige Kombi-nation von Praxis und Hochschullehre, die in einem neuen Studiengang mit aktuellen The-men angeboten wird.

 

Wo sehen Sie die Schwächen des praxisintegrierten Studiums?
G. Thalmann: Es ist noch nicht verankert in unserer Bildungslandschaft, was die Suche nach den passenden Kandidaten etwas schwieriger gestaltet. Bisher erhielten wir je-doch qualitativ sehr gute Bewerbungen, so dass wir unsere Stellen trotzdem besetzen konnten. Ich bin mir sicher, dass bei zuneh-mendem Bekanntheitsgrad diese Hürde ent-fällt.

 

Herr Schiliro, Sie sind für die Betreuung der PiBS-Studierenden verantwortlich. Empfinden Sie diese als aufwendig?
A. Schiliro: Am Anfang war der Aufwand grösser,­ dies ist aber nicht nur auf das PiBS-Studium zurückzuführen. Das Einarbeiten in die Firma sowie das Kennenlernen der Werk-zeuge und Prozesse sind für alle neuen Mitar-beiter mit einem gewissen Betreuungsauf-wand verbunden. Im ersten Monat schätze ich diesen auf vier Stunden pro Woche. Danach ist es «normales» Arbeiten. Der Aufwand redu-ziert sich auf ein bis zwei Stunden pro Woche.

AB: Wie schnell kann eine PiBS-Studierende produktiv eingesetzt werden und mitarbeiten?
A. Schiliro: Nach der Einführung habe ich ver-sucht möglichst schnell produktive Aufgaben zu vergeben. Diese Arbeiten waren nicht ext-rem zeitkritisch und verlangten keine hohe Management Attention. So konnte sich Mela-nie Ockenfels auf die Aufgabe konzentrieren und sie aus verschiedenen Blickwinkeln durchleuchten.

 

Mit dem PiBS bilden Sie Ihre «hausge­ machten» FH-Absolventen aus. In welchen Bereichen sollen die Studierenden später eingesetzt werden?
A. Hurtienne: Schindler Digital Business bie-tet Stellen in den verschiedensten Bereichen. Studierende sollen das Thema wählen, das ihnen am meisten Freude bereitet. Als globa-les Unternehmen begrüssen und unterstüt-zen wir Einsätze in einer unserer Niederlas-sungen im Ausland.

 

Wie unterscheidet sich eine PiBS-Studierende von einer «normalen» Mitarbeitenden?
A. Schiliro: Eigentlich gibt es keinen Unter-schied zu den anderen Mitarbeitern, ausser dass sie eben zwei Tage nicht am Arbeitsplatz ist. Aus ihren Rückmeldungen habe ich er-fahren, dass sie den Sprung ins «kalte» Wasser schätzte.

 

Und was sagen die Arbeitskolleginnen und -kollegen zur PiBS-Studierenden?
A. Schiliro: Die Mitarbeiter haben die Stu-dentin wohlwollend aufgenommen. Sie ist fester Bestandteil des Teams. In der Vergan-genheit hatten wir bereits mit ähnlichen Aus-bildungsformen sehr gute Erfahrungen ge-sammelt, sodass der Lehrgang nichts «Neues» ist und deshalb auch anerkannt und akzep-tiert wird.

 

Wie schätzen Sie die Kooperation mit der FFHS ein?
G. Thalmann: Es ist eine sehr bereichernde Zusammenarbeit. Das PiBS wächst unter dem Lead der FFHS zu einer wertvollen Commu-nity für den Fachkräfteaufbau im Bereich In-formatik. Alle sind daran interessiert, neue Fachkräfte über einen bedürfnisorientierten und somit attraktiven Bildungsgang aufzu-bauen.

 

Wie lautet Ihr Zwischenfazit nach dem ersten Jahr?
G. Thalmann: Unsere erste Studentin ist er-folgreich gestartet und ist begeistert vom Stu-diengang. Bis auf ein, zwei kleine Kinder-krankheiten, die von der FFHS bereits erfasst und korrigiert wurden, lief alles wunderbar.

 

Gibt es Punkte, die in der Zusammenarbeit mit der Hochschule noch nicht geklärt sind?
G. Thalmann: Offen ist im Moment noch die Evaluation des Studienmodells als Pilotpro-jekt. Aber auch hier ist die FFHS am Ball und hält uns auf dem Laufenden.

 

Was raten Sie interessierten Unternehmen?

A. Hurtienne: Erkundigen Sie sich bei den Praxispartnern der FFHS nach ihren Erfah-rungen mit dem Studienmodell.

 

Was würden Sie am PiBS verbessern?
A. Hurtienne: Ich wünsche mir zusätzliche freiwillige Angebote an der FFHS, wie bei-spielsweise Design Thinking oder Scrum. Die Zusammenarbeit mit der Initiative digital­ switzerland(1) wäre sicherlich positiv, um das Modell bekannter zu machen. Ausserdem wäre es toll, wenn die Idee des PiBS auch auf andere Studiengänge angewandt wird!

 

 

(Visited 280 times, 1 visits today)

Weitere Artikel zum Thema