Agilität

Langsame und bürokratische Organisationen haben heute kaum eine Chance, wenn es gilt, veränderten Marktbedingungen mit Erfolg zu begegnen. Agilität auf allen Stufen ist zum Gebot der Stunde geworden. Akteure rund um das Hotel Seedamm Plaza in Pfäffikon SZ nutzten ein gemeinsames Gespräch, um auszuloten, wie ein agiles Handeln heute möglich wird.

Agilität

 

 

 

 

Agilität bezeichnet die Fähigkeit, flexibel, aktiv, anpassungsfähig und mit Initiative in Zeiten des Wandels und der Unsicherheit zu agieren. Nur Organisationen mit diesen Basisfähigkeiten können sich den Herausforderungen des dynamischen Wettbewerbs stellen. Die Forderung nach Agilität stammt ursprünglich aus dem Bereich der Produktion, gilt aber heute als Schlüssel für die Wettbewerbsfähigkeit auch in Dienstleistungen.

Im stürmischen Gewässer

 

Unter dem Slogan «Gut drauf» hat das Seedamm Plaza in Pfäffikon der schweizerischen Hotelbranche in den letzten Jahren richtungsweisende Impulse gegeben, nicht zuletzt deshalb, weil es ein Qualitätsmanagement nach dem EFQM-Modell erfolgreich auf einen Hotelbetrieb adaptiert hat. Dafür wurde es mit Auszeichnungen überhäuft, wie 2010 mit dem Gewinn des wichtigsten Unternehmerpreises der Schweiz, dem ESPRIX-Award. Heute steht das trendige und moderne Viersternehotel mit Kongress- und Seminarbetrieb im hart umkämpften Markt vor neuen Herausforderungen.

 

«Wie können wir agiler werden?» ist für Direktor Peter H. Ernst zur «Überlebensfrage» geworden. Mit Investitionen in den Ausbau sei das Seedamm Plaza zwar noch attraktiver geworden, doch durch die Grösse und Zahl der Mitarbeiter hätte auch die Schwerfälligkeit der Organisation zugenommen. «Wir müssen flexibler werden, die Wetterlage ist viel ungemütlicher geworden, wir haben viel kürzere Zyklen, der Kunde wird anspruchsvoller, seine Bedürfnisse wandeln sich.» Manchmal fühle er sich wie ein Tanker, sagt Peter H. Ernst. «Wir haben eine klare Ausrichtung, eine klare Strategie und Vision, wir wollen vorwärtskommen, wir haben einen Hafen, den wir anpeilen, wir sind aber in einem sehr stürmischen Gewässer.»

 

Das Seedamm Plaza lebt als Seminarhotel zu 75 Prozent von Grosskunden, vor allem von Firmen, die das Haus als Schulungsort für ihre Belegschaften nutzen. Hier gab es spürbare Einbrüche durch die Wirtschaftskrise. Zwar habe das Haus keine Kunden verloren, doch überall ist Kostensparen angesagt. Auf diese Situation muss das Haus flexibel reagieren. Peter H. Ernst: «Wir müssen Pakete schnüren, die dem Budget unserer Firmenkunden gerecht werden. Und wir müssen alles tun, um im Gespräch zu bleiben.» Die Erfolgsformel «Gut drauf» allein reiche heute nicht mehr, nur mit Innovation und Agilität könne die Wetterlage gemeistert werden, damit es weitergeht.

 

Kundengerecht Pakete schnüren

Investitionen sind unerlässlich

 

Auch Lukrezia Brentel, Inhaberin der «Chesa Rosatsch» in Celerina, bestätigt das selbst für ein Ferienhotel. Saisonal gebe es allerdings Unterschiede, Wintergäste zum Bei-spiel seien treuer und würden auch mehr Geld ausgeben. Mehr als in anderen Regionen gebe es im Engadin noch dazu viele wohlhabende Leute. Um da mithalten zu können, müsse man, so Brentel, «einfach top» sein. Gute Küche und guter Service – das reicht nicht mehr. Das bedeutet, jedes Jahr massiv zu investieren. So 2011 in die Neukonzeption des «Restorant Uondas» und jetzt in die Erneuerung der Zimmer, weil der Gast – wie früher – wieder hohe Betten bevorzugt und auch sonst alles auf dem modernsten Stand haben möchte. «Auf Gästebedürfnisse einzugehen, ist eine anspruchsvolle Herausforderung», meinten Lukrezia Brentel.

 

Vor allem mit Blick auf die wiederkehrenden Gäste, so Peter H. Ernst, sollte am besten jedes Jahr etwas passieren. Der Kunde soll spüren und sehen, was neu ist in seinem Stammhaus. Zum Beispiel sei die Sanierung des Parkhauses für die Geschäftsleitung ein notwendiges Übel gewesen, doch das neue Parkhaus, die Farben, die Beschallung etc. hätten so viele positive Gäste- Feedbacks gebracht, wie das so niemand gedacht hat. Aber es zeigt, wie wichtig es für das Hotel ist, dass der Gast etwas erwartet.

 

Ärgerlich allerdings wird es, wenn grössere Zukunftsprojekte nicht wie geplant realisiert werden können. Um Geschäfts- und Privatkunden noch mehr Erlebnisse zu bieten und das Seedamm Plaza zu einem führenden Haus für Events und Unterhaltung auszubauen, war zum Beispiel der Bau einer multifunktionalen Grosshalle beschlossene Sache. Obwohl bewilligt, scheiterte das Projekt bislang an Einsprachen.

 

Über den Einschnitt in die Zukunftsplanung des Unternehmens macht Peter H. Ernst seinem Ärger massiv Luft: «Wie bringe ich Agilität in die grossen politischen Entscheidungen? Bewilligungen zum Beispiel, um vorwärts zu kommen, ich glaube, das ist ein Schweizer Problem. Wenn wir im Grossen nicht agil werden , werden wir Schweizer in 15 Jahren für die Chinesen und Inder T-Shirts nähen.»

 

Für die Überbrückungszeit sind jetzt mehrere andere Projekte geplant. Dazu erklärt Event- und Mar-

 

Nagelprobe für flexibles Verhalten

 

keting- Managerin Tanja Köppen: «Wir gehen aus dem festen Gefüge des Seedamm Plaza heraus und bringen unsere Dienstleistungen nach draussen.» Zum Beispiel als Catering-Partner für verschiedene externe «living dreams».

Agil sein, um Gäste zu verblüffen

 

In jedem Hotelbetrieb muss das Basispaket stimmen: Service, Essen, Zimmer. Doch die «Notwendigkeit, etwas Zusätzliches und Spezielles zu bieten, wird immer wichtiger», meint der Coach und Trainer Reto Venzl. Der Grund: «Dass überall alles gut ist, gilt heute als normal, und entsprechend pendeln sich die Erwartungen ein. Um einen positiven Eindruck zu hinterlassen, ist es darum wichtig, immer wieder für Neues und Überraschungen zu sorgen.

 

Doch wie können Gäste wirklich überrascht werden? Dazu Lukrezia Brentel: «Wenn es zum Beispiel draussen geschneit hat und der Gast kommt heraus, steht da sein Auto geputzt da. Die Überraschung ist gross, das hat er nicht erwartet.» Was überraschend wirkt, fällt je nach Gästesegment unterschiedlich aus. Für Privatgäste steht den Mitarbeitern im Seedamm Plaza ein Tool zur Verfügung, mit dem sie selbst Überraschendes kreieren können: «Einer unserer Leute schnappt auf, jemand hat Geburtstag, dann geht er in die Küche und sorgt dafür, dass ein Kuchen präsentiert und gesungen wird.» Aber auch im Kerngeschäft, dem Seminarbetrieb, sind verblüffende Aktionen machbar. Zum Beispiel, wenn der Küchenchef mitteilt, dass die Küche streikt, und er mit der ganze Gruppe in die Küche geht, um den Zwischengang selber zu kochen. Allerdings setzt der Seminarbetrieb mit seinen festen Abläufen der Agilität und Spontaneität Grenzen, weil alles abgestimmt sein sollte. Doch wenn es klappt, so Peter H. Ernst, schaffe das sehr viel «Goodwill».

 

Eine echte Nagelprobe für flexibles Verhalten ergibt sich für die Fachkräfte im Service immer dann, wenn Fehler gemacht werden, der Gast das spürt und beim Mitarbeiter reklamiert. Grundsatz im Seedamm Plaza ist: Der Mitarbeiter muss, ohne seine Chefs zu holen, selber eine Lösung finden – und das möglichst so, dass der Kunde am Schluss mit einem Lächeln nach Hause geht. Die Art, wie ohne Aufhebens ein Problem gelöst wird, stärkt die Kundenbindung. Oft kommt es vor, dass Gäste nur noch von der betreffenden Fachkraft bedient werden wollen. Die Chefs bleiben aussen vor, die Fachkräfte nehmen die Sache selbst in die Hand, auch das sorgt für Gästeverblüffung.

Mitarbeiter sind gefordert

 

Die Beispiele zeigen: Damit ein Hotelbetrieb wirklich agil ist, braucht es engagierte und innovative Mitarbeiter. Ein hohes Mass an Autonomie, also Selbstbestimmung statt Reglementierung und Anweisungen von oben, ist die Voraussetzung dafür. Gäste sind ständig in Interaktion mit dem Servicepersonal. Im Vergleich mit anderen Organisationen wird das im Service viel schneller und direkter spürbar, meint Lukrezia Bentel: «Dass der Mitarbeiter da an der Rezeption freundlich und aufmerksam ist, das kommt nicht einfach so. Das kaufen wir nicht ein, das haben wir als Unternehmen zu entwickeln und zu fördern.»

 

Auch Reto Venzl sieht darin eine wesentliche Aufgabe. In vielen Branchen beobachtet er «wachsende Ansprüche der Kunden an Gastgeber, an die Personen vis-à-vis». Sie zu erfüllen, werde immer spürbarer zur zentralen Aufgabe. Letzten Endes sei «jeder einzelne Mitarbeiter ständig eine Visitenkarte des Unternehmens ». Ihn so weit zu bringen, dass er dies von innen heraus lebt, sei die grosse Herausforderung für die interne Führungskultur und für externe Spezialisten.

 

Dazu stellt Tanja Köppen für das Seedamm Plaza fest: «Hier wird sehr stark das Vorleben gefördert. Auch als Kind guckt man bei den Eltern ab. Und wenn die Führungsriege das nicht vorlebt und sich scheut, offen Konflikte auszutragen, vielleicht sogar bewusst herbeizuführen, dann kann man auch kein offenes Miteinander im Unternehmen wecken und erwarten.» Externe Schulungen zur Persönlichkeitsentwicklung seien fehl am Platz: «Es muss aus einem gewissen Irritationsstatus aus dem Unternehmen heraus entstehen.» Nur so werde die Offenheit und Aufmerksamkeit Gästen gegenüber gefördert.

 

Peter H. Ernst ergänzt: «Meine Taktik ist, wenn es einen Konflikt gibt, macht man noch ein bisschen mehr, giesst Öl ins Feuer, damit es richtig lodert. Ich bin nicht für immer ausgleichen und schönreden. Wenn man das Feuer löschen muss, sucht man auch die Ursache.»

Ideen kreieren und managen

 

Zur Agilität gehört das Denken und Handeln in Optionen. Ideen, egal auf welcher Ebene, wecken die Potenziale für positive Veränderungen. Die bestehende Kultur des Hotelbetriebs ist dabei der Dreh- und Angelpunkt, wie proaktiv Veränderungen realisiert werden.

 

Für Ueli Knobel, Food & Beverage Manager im Seedamm Plaza, gehört es zum «Spannendsten» in der Beziehung zwischen Gast, Lieferant und Mitarbeiter, wie «aus einem grossen Ideentank immer wieder Ideen für neue Angebote kreiert werden». Jüngstes Beispiel: Auf Anregung des Weinlieferanten im Rioja- Gebiet wurde vor Ort gemeinsam mit Service und Küche eine gezielte Abstimmung zwischen Essen und Wein für das Angebot im Sommer realisiert. Und da sind andererseits die vielen kleinen Inputs vom Gast in den Restaurants, etwa das Bedürfnis nach mehr Wein im Offenausschank: «Da ist es wichtig, dass dieser Wunsch schnell über die Servicemitarbeiter direkt ins Management kommt, damit er umgesetzt werden kann.»

 

Die interne Feedback-Kultur und das Qualitätsmanagement sorgen dabei für kurze und unbürokratische Wege. Ob über die Eingabe ins Computersystem, mündlich oder schriftlich: Auf rasches Feedback und nach Möglichkeit eine schnelle Umsetzung wird grösster Wert gelegt.

 

Eine andere Frage ist, wie offen das Servicepersonal für die Weitergabe eigener Ideen ist und wie sensibel es auf Gäste-Inputs reagiert. Nicht in jedem Unternehmen ist es eine Selbstverständlichkeit, dass ein Servicemitarbeiter überhaupt zu einer Kaderperson geht oder sich gar getraut, Feedbacks vom Kunden abzugeben. Man muss Plattformen, eine Art «Denkwerkstatt» schaffen, damit Mitarbeiter wissen, dass sie kommen dürfen, und wenn die Idee auch noch so verrückt ist. Sie müssen angehört und verstanden werden und auch eine Antwort darauf bekommen, sonst kommen sie nicht mehr.

 

Im Seedamm Plaza wird daher eigens ein «Kreativraum» geboten. Über alle Hierarchiestufen sind die Mitarbeiter eingeladen, 20 Minuten freiwillig gemeinsam Ideen für ein Problem zu kreieren, absolut informell, also ohne Vorgaben und Protokolle. «Das ist wirklich Neuland», meint Katharina Müllener, die seit Jahren das Qualitätsmanagement im Hotel antreibt, ein «Ort für organisationales Lernen, wo man nicht etwas abarbeitet, sondern den man wirklich nutzt, um gemeinsam Erfahrungen auszutauschen und mit

 

Ort für gemeinsames Lernen

 

einander neue Lösungen zu finden ». Die Attraktivität besteht darin, dass die Mitarbeiter aus dem Arbeitsalltag ausbrechen und sich über Grenzen hinweg mit etwas befassen und nachdenken können, ohne dazu verpflichtet zu sein.

Von und mit Lieferanten lernen

 

Zur Innovationsfähigkeit eines Hotelbetriebs gehört auch die intensive Zusammenarbeit mit seinen Lieferanten. Erfolgreiche Partnerschaft wird vom Grundsatz geprägt: Keiner will den anderen über den Tisch ziehen. Die sachliche Auseinandersetzung und gemeinsame Perspektiven bestimmen die Tonlage.

 

Heinz Brassel: «Wir wollen Geschäftsbeziehungen, in denen wir offen und ehrlich sind. Wir müssen offen miteinander schimpfen, wenn uns etwas nicht passt, umgekehrt soll auch mal der Partner anrufen und sagen, was er sich wünscht. Nur so kommt man zusammen auf einen grünen Zweig.»

 

Küchenchef Brassel trifft sich mit seinen engsten Lieferanten oft zu inoffiziellen Meetings und tauscht sich persönlich mit ihnen aus, was man zusammen machen könnte. «Da kann es einfach sprudeln, da entstehen die einfachsten, aber auch wildesten Sachen, auf beiden Seiten», so Brassel. Da kann es schon mal vorkommen, dass zum Beispiel ein nahestehender Lieferpartner für den Markt eine neue Gewürz- und Kräutersauce herstellt, die ursprünglich in Brassels Küche zubereitet wurde und bei den Gästen auf «sensationelle» Resonanz gestossen war. Heinz Brassel: «Ich profitiere davon, dass ich die Sauce nicht mehr selber mache, kann eine konstante Qualität zukaufen und habe Kapazität für andere Rezepturen. » Kurz: Eine sich gegenseitig inspirierende Zusammenarbeit sorgt für Flexibilität mit Gewinn für beide Seiten.

Offene Veränderungskultur

 

Der «Kreativraum» sowie das Verbesserungstool «Plaza-Kick» setzen auf Eigeninitiative und Empowerment, wichtige Bestandteile einer agilen Kultur zur Veränderung. Im Seedamm Plaza legt die Führung grossen Wert darauf, mögliche Hemmungen auf Seiten der Mitarbeiter abzubauen und jede Haltung zu vermeiden, die als Bevormundung ausgelegt werden könnte.

 

Darauf eingestimmt wird bereits am Infotag für neue Mitarbeiter, den Peter H. Ernst persönlich bestreitet. Zwei Botschaften sind für ihn zentral: Er fordert die Neuen dazu auf, alles, was sie irgendwie stört und wo sie Ideen haben, auch einzubringen. Und er nimmt ihnen die Angst vor Fehlern. Man darf Fehler machen, aber sollte daraus lernen.

 

Agilität drückt sich weniger in dem aus, was man tut, sie gehört zum Wesen einer Organisation. Dazu komme, so Peter H. Ernst, auch die Sensibilität. Gerade die könne man vorleben. Wenn sie klappt, sei man auf gutem Weg, sozusagen «langzeitkundentauglich ». Und: «Wichtig für den Mitarbeiter ist, dass er Entscheidungen treffen kann und dafür die Handlungsspielräume hat. Das zu gewährleisten, ist Führung.»

 

Ueli Knobel betonte wie zentral die Art und Weise der Umsetzung von Ideen ist: «Wenn ein Input von einem Mitarbeiter kommt, leitet das Management vereinfachte Umsetzungsschritte ein und spielt sie an den Betreffenden zurück, so als hätte er alles selber erfunden.» Wenn Mitarbeiter in dieser Form ihre Ideen umsetzen können, tragen sie diese auch und geben das Vertrauen, das in sie gesetzt wird, wieder zurück.

 

Mit Blick auf das Qualitätsmanagement folgert Tanja Köppen: «In dem Augenblick, wo man Menschen die Möglichkeit gibt, Dinge anzustossen, und das auch weiter verfolgt wird, wenn man die Leute befähigt, voll verantwortlich Entscheidungen zu treffen, ihnen dazu das Vertrauen gibt, ihnen die Angst weg- und sie als ‹Mitunternehmer› ernst nimmt, in dem Augenblick hat man das Qualitätsmanagement aus dem Abstrakten herausgenommen und ins Aktive und Lebendige geholt.»

Qualitätsmanagement – kein Selbstzweck

 

Ist ein Qualitätsmanagement mit definierten Standards bei der Umsetzung von Agilität und Flexibilität hinderlich oder förderlich? Ebnen Systeme wie das EFQM-Modell Wege, um agiler zu werden? «Jein», meint dazu QM-Coach Katharina Müllener. Solange das QM starr und statisch über Hierarchien hinweg aufgebaut ist, sei es auch nicht mehr prozessorientiert. Aber wenn es sich auf neue Situationen anpassen lasse, also Mittel zum Zweck sei, umso weniger behindere es die Fähigkeit zu Innovationen und könne der Agilität wichtige Impulse geben: «Im Seedamm Plaza haben wir EFQM so ausgerichtet, dass es als zentrales Instrument für das Lernen und Veränderungen wirkt», so Müllener.

 

Peter H. Ernst ergänzt: «Das Qualitätsmanagement wird gelebt, wir

 

QM-Instrument für den Alltag

 

passen uns nicht dem System an, handeln nicht nach Vorgaben des Systems.» Manche Hotels würden ein fertiges Prozesssystem definieren und dann danach arbeiten wollen, was einfach nicht klappen könne. Das ISO-Zertifikat verkomme zur Alibiübung: «Bei uns ist das anders. Wir schaffen zuerst, wir halten einen Prozess mal in groben Linien fest, und dann passen wir den Prozess an das an, was wir leben.» An der «Frühlings- oder Herbstputzete» wird an einem zweitägigen Audit jede Abteilung unter die Lupe genommen und verglichen, ob wirklich gelebt wird, was auf dem Papier steht. Wenn nicht, werden die notwendigen Korrekturen beschlossen, die wieder neue Pendenzen zur Folge haben. «So ist das ein permanenter Prozess, der nie sterben darf», so Peter H. Ernst.

 

Für Katharina Müllener ist klar: «Wir wollen ein lernendes System. Die Mitarbeiter sollen angeregt werden, kritisch ihre Prozesse zu hinterfragen, sollen selbst Schnitt- und Kontaktstellen definieren und darüber reden, wie man effizienter wird und Doppelspurigkeiten vermeidet. QM muss als Instrument für den Alltag passen und die Mitarbeiter unterstützen, ihnen Orientierung und damit Sicherheit geben. Wir haben einen definierten Standard von einem Serviceablauf, und von daher gewinnen wir auch die Flexibilität, um spezifisch agieren zu können, wenn es die Situation erfordert.»

 

Auch für Lukrezia Brentel sind Richtlinien oder ein System unbedingt notwendig, damit die Mitarbeiter Sicherheit in der Arbeit bekommen. Ein Qualitätsmanagement wie im Seedamm Plaza sei ein Vorbild, aber so kaum wieder in der Schweiz erreichbar. In der Ferienhotellerie müsse es auch mit weniger gehen. Trotz anfänglicher Skepsis hat Brentel auch ein Qualitätsmanagement aufgebaut: «Ich war mir nicht sicher, ob wir das brauchen, aber im Endeffekt hat sich für die Leute vieles vereinfacht. Und die Gäste, die jetzt in mein Hotel kommen, für die ist auch spürbar, dass da etwas mit System aufgegleist wurde.»

Grenzen der Agilität

 

Der Umgang mit der Flut an Online- Bewertungen im Internet machte den Roundtable eher ratlos. Wie weit sollte man auf diese Art von Feedback-Kultur eingehen? Für Peter H. Ernst ist das «eine ganz wichtige Herausforderung». Für Katharina Müllener werden damit «Grenzen einer Organisation in Bezug auf Agilität» gezogen. Aus der Ernsthaftigkeit, im Interesse des Unternehmens ein Feedback zu geben, werde leicht «ein Spiel, bei dem das Unternehmen aussen vorsteht». Und Lukrezia Brentel sieht «ein gesellschaftliches Problem: Daumen rauf und Daumen runter, da sind wir mitten drin.»

 

Für Reto Venzl besteht die zentrale Herausforderung darin, dass man keinen direkten Einfluss darauf hat, wer was über ein Hotel schreibt. «Entscheidend ist deshalb, dass die Kundennähe gross und das Gäste- Feedback-System vielfältig ist, sodass die Stimmung des Kunden schon vor Ort erkannt und auf passende Weise abgeholt wird. So geht ein Gast, wenn er mit etwas nicht zufrieden ist, direkt zur zuständigen Person. Doch wenn ich nicht einmal gefragt werde, ob und wie ich zufrieden war, und ein Problem hatte, dann wird die Kritik halt in einem Portal deponiert.»

 

Tanja Köppen meint dazu: «Es geht bei der Agilität auch um das Gesetz des Handelns. Man darf nicht zum Spielball einer Informationsmasse werden, die man nicht greifen kann. Man kann es letztendlich nur durch den Versuch der Offenheit und Wahrheit schaffen. Wahrheit sticht immer. Das gilt auch für Online- Portale, das Internet und die ganzen Bewertungen.»

 

Diesbezüglich könnte ein Hotel wie das Seedamm Plaza eigentlich gelassener zur Sache gehen. Wie das agile und flexible Handeln des Servicepersonals bei Gäste-Reklamationen zeigt, kann der intensive und unbürokratische Austausch mit den Kunden viel zur Entlastung dieses Problems beitragen.

Fazit

 

Agilität hängt stark von der Unternehmenskultur ab, vom Grundverständnis, welche Spielräume man hat, wie wertschätzend man miteinander intern und mit den Kunden umgeht. Agilität und Flexibilität sind weder Technik noch Programm, sie ergeben sich als Puzzle aus vielen kleinen Handlungen und Verhaltensweisen, die zusammenspielen müssen. Jedes Detail ist wichtig und bringt die Organisation wieder ein paar Schritte voran. Vor allem kommt es darauf an, das Wesentliche, nämlich die hinter der Agilität stehende Kultur der Zusammenarbeit, zu begreifen und aktiv zu fördern.

 

 

 

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