Agiles Manufacturing im Aufwind
Dank Industrie 4.0 verbessern sich die Bedingungen für Lean Production laufend. Mehr noch: Die Produktion wird nicht nur schlanker, sondern auch agiler.
Über Jahrzehnte war Lean Production bezie-hungsweise Lean Manufacturing die bestim-mende Produktionsorganisation der industri-ellen Fertigung – vom Fahrzeugbau bis zur Elektronik. Mit Industrie 4.0 haben sich die Bedingungen für die schlanke Produktion wei-ter verbessert, denn die Vernetzung von Kun-den, OEM und Tire-1 erlaubt es, die Prozesse in der Fertigung noch enger zu führen und von jeglichem Ballast zu befreien.
Jetzt kommt ein anderes, neueres Pro-duktionsprinzip auf: Agile Manufacturing. Ausgangspunkt sind neue Anforderungen, die auf Basis von Industrie 4.0 entstanden sind: Auftraggeber fordern von der vernetzten Pro-duktion mehr Flexibilität, sie erwarten schnel-le Reaktionen und kurzfristige Antworten auf Änderungen etwa im Produktdesign oder bei Spezifikationen. Und im Raum steht die For-derung, dass auch eine Losgrösse Eins möglich sein muss, was zu Lean Manufacturing nicht so recht passen will.
Losgrösse Eins effizient umsetzen
Es ist eine gewaltige Herausforderung den Produktionsprozess auf diese neue Flexibili-tät auszurichten. Die Fertigung für immer neue Produkt- und Prozessvarianten anzu-passen, selbst kleine und kleinste Losgrössen zu ermöglichen, ohne dass dabei die Produktionskosten explodieren. Schliesslich war Losgrösse Eins ja immer schon möglich, nur soll sie nun effizient umgesetzt werden.
Die umfassende, durchgängige Vernet-zung und Digitalisierung der Prozesse von der Zeichnung im Engineering bis zu den Maschi-nen im Shopfloor bietet die Voraussetzung für die Optimierung der Produktionsprozesse durch Agiles Manufacturing. Dadurch lässt sich die Produktion nicht nur schnell umstellen, die-se Anpassung kann auch weitgehend automati-siert erfolgen. Im Engineering-System können beispielsweise entsprechende Regelwerke hin-terlegt sein, die sofort auf Zeichnungsänderun-gen reagieren. Umgekehrt kennt das Manufac-turing Execution System die Funktionsmerk-male der Maschinen und bereitet die Anpassun-gen gleich vor.
Fahrzeugherstellung als Paradebeispiel
Gerade in Umgebungen, in denen nur schwer vorhergesagt werden kann, was als Nächstes produziert werden muss, wo das Produktions-volumen niedrig ist und die grosse Variabilität gefragt, ist Agiles Manufacturing richtig. Ein gutes Beispiel dafür bietet die Kabelsatzpro-duktion in der Fahrzeugherstellung. Die gros sen Hersteller produzieren mittlerweile nicht nur eine Vielzahl von Typen, sondern eine fast unübersehbare Fülle an Ausstattungsvarian-ten: Von der Motorsteuerung über die diversen Assistenzsysteme bis zu verschiedenen Syste-men der Infotainment-Elektronik. Nahezu je-de Variante benötigt eine eigene Verkabelung; nicht nur das: Veränderungen innerhalb der.
Varianten erfolgen in der Regel sehr kurzfristig, denn Flexibilität ist Trumpf. Dennoch wären Einzelanfertigungen von Leitungen für Kabel-bäume nicht wirtschaftlich, weil die zu verwal-tende Datenmenge exponentiell steigt. Die zu-nehmende Digitalisierung befähigt ein Agiles Manufacturing, indem die Produktion trotz-dem beherrschbar bleibt. Eine Software erstellt die Produktionsdaten automatisiert aus den Kundendaten, sogar in verschiedenen Produk-tionsversionen zur Herstellung der Leitung auf den zur Verfügung stehenden Maschinen. Sie steuert zugleich die Auslastung der Maschinen und verteilt die Produktionsaufträge auf die am besten geeigneten Maschinen. Auf diese Weise können ausserdem Fehler in der Umset-zung sich ständig ändernder Produktionsda-ten vermieden werden. Die zu produzierenden Losgrössen können kleiner werden, wodurch die Vielfalt von Aufträgen zunimmt, die kor-rekt geeigneten Maschinen zuzuordnen sind, ohne dass dabei ein eng gesetzter Liefertermin negativ beeinflusst wird.
Grenzen verschieben sich
Natürlich lässt sich nicht jede Produktion so organisieren. Agiles Manufacturing eignet sich bei hohem Anpassungsbedarf mit Fokus auf hohe Flexibilität. Geht es hingegen in der Mas-senfertigung um eine möglichst effiziente Res-sourcennutzung, so ist Lean Manufacturing die bessere Wahl. Allerdings verschieben sich durch Industrie 4.0 gerade die Grenzen zwi-schen beiden Konzepten: Die Vernetzung er-möglicht effiziente Flexibilität auch da, wo sie vor wenigen Jahren noch undenkbar war.