Adaption branchenfremder Standards

Die Erwartungen von Kunden an die Produktqualität steigen stetig. Um diesen gerecht zu werden, kann eine Adaption von Qualitätsmanagement-Standards anderer Branchen ein erfolgversprechender neuer Weg sein. Der Anbieter von Messgeräten und -systemen Qundis hat in den vergangenen Jahren einen solchen Weg eingeschlagen.

Adaption branchenfremder Standards

 

 

 

Das Erfurter Unternehmen Qundis GmbH orientiert sich in Sachen Qualitätsmanagement freiwillig an den strengen Normen und Standards der Automobilindustrie. Der Impuls dazu wurde gesetzt, als ein Grosskunde Qundis nach Automotive-Standards auditierte und neue Anforderungen für Freigabeverfahren wie bspw. Erstmusterverfahren/ PPAP aufkamen.

 

Zur Erfüllung der neuen Anforderungen mussten Entwicklungs-, Produktions- und SCM-Prozesse überprüft und teilweise angepasst werden. In Zusammenarbeit mit mehreren Fachbereichen und unter Leitung eines internen QMProzessmanagers wurden die Gesamtabläufe überprüft und angepasst sowie die entsprechenden Vorgabedokumente aktualisiert.

Automobilbranche diente als Vorbild
Aus der Norm ISO/TS 16949 wurden Standards und Methoden adaptiert, die Qundis situationsspezifisch anwendet. In einer Pilotphase wurden typische Automotive-Methoden zunächst bei einer neuen Produktentwicklung und Produktionsüberführung parallel zum traditionellen Vorgehen auf die Eignung für den Einsatz bei Qundis geprüft. Nicht alles konnte 1:1 übernommen werden und einige Methoden wie etwa die FMEA waren deutlich zu komplex – viele grundsätzliche Ansätze waren aber durchaus anwendbar. Die Methode und deren Ergebnisse wurden dem Projektteam vorgestellt und die tieferen Analysen, verbesserte Risikoerkennung und frühzeitigere Fehlereliminierung haben alle Beteiligten überzeugt. Dies war zwar in der Pilotphase ein grosses Stück zusätzliche Arbeit, hat sich aber inzwischen zu einem festen und geschätzten Standard im Qundis-QM entwickelt. Die Methoden und Vorgehensweisen werden situationsspezifisch immer wieder angepasst und weiterentwickelt.

 

Inzwischen haben sich die adaptierten Automotive-Methoden zu einem festen Standard im Qualitätsmanagement entwickelt und schlagen sich in einer betriebsinternen Richtlinie nieder, welche bei Qundis neu entstand und grundlegende Anforderungen an Produkte und ihre Qualität enthält.

Fertigungsbegleitende Prüfungen zur Steigerung der Produktzuverlässigkeit
In der Praxis wird das Qualitätsmanagement in automatisierten Testverfahren während der gesamten Produktion für einzelne Bauteile in den verschiedenen Baugruppen umgesetzt. Insbesondere in der automatisierten Produktion wird nach jedem Schritt geprüft, um Fehler frühzeitig zu erkennen und nicht erst am Ende der Fertigung, wenn das Endprodukt entstanden ist. Über das Qundis Produktionsplanungs- und Steuerungssystem (PPS) werden den Mitarbeitern an den einzelnen Stationen alle benötigten Materialien, Hilfsmittel, Arbeitsanweisungen und Prüfschritte elektronisch auf Monitoren bereitgestellt. Schon vorab wurde mithilfe von Produktionslenkungsplänen festgelegt, welche Messmittel zum Einsatz kommen, welche Prüfschritte jeweils auszuführen sind und welche Toleranz- und Eingriffsgrenzen für die einzelnen Fertigungsstationen gelten. Sobald ein Gerät nicht fehlerfrei funktioniert und das Testergebnis «Fail» angezeigt wird, lässt sich die Baugruppe nicht weiter bearbeiten und wird ausgeschleust. Durch die festgelegten Eingriffsgrenzen kann frühzeitig auf Abweichungen reagiert werden. Die so erhobenen Daten werden über ein Datenbanksystem automatisch gesammelt, ausgewertet und bereitgestellt. Sie sind die Basis für die monatliche Auswertung der Qualitätslage.

 

Mit angepassten Produkt- und Prozess-FMEAs bewertet Qundis bereits in einer frühen Phase mögliche Schwachstellen im Produkt und im Produktionsprozess sowie deren Auftretenswahrscheinlichkeit, Entdeckungswahrscheinlichkeit und Bedeutung für den Kunden. So lassen sich schon im Vorfeld der Massenfertigung eventuelle Verbesserungen ableiten und Probleme ausschliessen. In fertigungsbegleitenden Produktaudits werden durch QM-Mitarbeiter einzelne Geräte in regelmässigen Stichproben komplett auseinandergebaut, um ihre Bauteile, die Software und Fertigungsqualität zu prüfen. Anhand vorgegebener Auditchecklisten können die Mitarbeiter erkennen, ob alle Bauteile korrekt und vollständig verarbeitet wurden und das Produkt einwandfrei funktioniert, ob es korrekt verpackt wurde und alle Begleitdokumente vollständig vorliegen.

Insellösungen sind Vergangenheit
Weitere Tools des Qualitätsmanagements, in der Phase der Produktion und Vermarktung, sind die Reklamationsdatenbank und das QM-Ticketmanagementsystem. Diese hat Qundis neu aufgesetzt und in Datenbanken vereinheitlicht. Dadurch ergibt sich eine höhere Qualität der Fehleranalyse und -bewertung. In den Datenbanken dokumentiert Qundis umfassende Untersuchungen zu Ausfallgründen und legt Abstellmassnahmen bereichsübergreifend fest. Sie bilden neben den Fertigungsauswertungen über das PPS eine weitere Basis für das monatliche Qualitätsreporting und fungieren so als Frühwarnsystem bei gehäuften Fehlern. Somit schliesst sich der Kreis der qualitätsorientierten Gesamtbetrachtung.

 

Ausgangspunkt hierfür war die Unzufriedenheit der Mitarbeiter mit verschiedenen kleinen und zumeist abteilungsweisen Insellösungen und einem fehlenden durchgängigen Prozess, wodurch die Problemlösung manchmal nicht optimal ablief. Unter Leitung des QM-Prozessmanagers wurden die Wünsche der Bereiche aufgenommen und Schwachstellen identifiziert. Über die Anforderungen der Empfänger haben sich die nötigen Vorarbeiten der vorgelagerten Abteilungen ergeben und so konnten erste Soll-Prozesse und Anforderungen definiert werden. Anhand des Prozessentwurfes wurden weitere Verbesserungspotenziale und Lösungsmöglichkeiten diskutiert und stufenweise freigegeben und in der Organisation etabliert. Wichtig war hierbei, von Anfang an Vertreter aller Bereiche an einem Tisch zu haben und an einer gemeinsamen Lösung zu beteiligen. Hilfreich war auch, dass sich die Bereichsleiter mit engagiert haben und die Mitarbeiter aus dem Tagesgeschäft in diesen Workshops praktische Inputs liefern und diskutieren konnten. Durch die Unterstützung externer IT-Dienstleister konnten die neuen Prozesse durch geeignete Datenbanklösungen abgebildet und auch gleich geschult werden. Mithilfe der Datenbanken wurden zudem schnelle und effiziente Berichtsmöglichkeiten geschaffen, auf welche alle Bereiche jederzeit zugreifen können und so alle Mitarbeiter den gleichen und aktuellen Kenntnisstand haben. Die Abarbeitung von Reklamationen konnte so deutlich beschleunigt werden. Ebenso finden inzwischen Reklamationsauswertungen regelmässig Eingang in FMEAs, um bekannte Schwachstellen abstellen zu können.

In der Praxis bewährt – Ausbau der Anlehnung an Automotiv-QM-Standards geplant
Das neu aufgestellte und an die Standards der Automobilindustrie angelehnte Qualitätsmanagement von Qundis zeigt Wirkung. Die Nachhaltigkeit der Produkte wurde gestärkt und die Fehlerfrüherkennung verbessert. Die Reklamationsquote hat sich in zwei Jahren halbiert und die Gewährleistungszeiten konnten ausgedehnt werden. Durch die automatisierte sowie fertigungsbegleitende Prozessüberwachung und Kennzahlenübermittlung ist zwar in der Einführungsphase Zusatzaufwand entstanden, im laufenden Betrieb ergeben sich jedoch eine höhere Effizienz, niedrigere Reklamationskosten und eine verbesserte Umweltfreundlichkeit. Es wurden Qualitätsreportings mit entsprechenden Steuerungskennzahlen im Wareneingangs-, Produktions- und Reklamationsbereich verstärkt. Durch Einbeziehen von Mitarbeitern in die Methoden der Qualitätssicherung stieg die Akzeptanz der Massnahmen in der Belegschaft. Dabei wurde deutlich, dass es zur Umsetzung von Methoden auch immer umfassende Schulungen der Mitarbeiter benötigt.

 

Neben positiven Erkenntnissen zeigen sich ebenso die Herausforderungen für das Qualitätsmanagement, wie etwa die schwankende Qualität von Zulieferteilen. Schwierig sind vor allem die internationale Beschaffung, ein Lieferantenwechsel und die Umsetzung der Lieferantenqualifizierung. Ein Prüfstein ist zudem die Gewährleistung einer hohen Produktzuverlässigkeit bei einem zunehmend komplexeren Produktportfolio. Diese gewährleistet Qundis zum Beispiel durch Wareneingangsprüfungen, bauteilspezifische Prüfpläne, Lieferantenaudits und eine enge Zusammenarbeit mit externen Fachlaboren. Hinzu kommen weitere Herausforderungen für das Qualitätsmanagement durch immer kürzere Produktentwicklungszyklen sowie eine agile Entwicklung, um noch schneller auf Kundenwünsche reagieren zu können. Auch die zunehmende Bedeutung von Software und das komplexer werdende Produktportfolio mit all seinen Schnittstellen muss bewältigt werden.

 

Gerade deshalb soll die Anlehnung an die Automotive-Standards weiter ausgebaut werden. In Zukunft ist eine noch stärkere Prozessausrichtung geplant. Qualitätstests in der Prototypen-Phase sind zwar bereits implementiert, Qundis plant jedoch einen noch stärkeren Einsatz: Schon in einer frühen Prototypen-Phase, also noch deutlich vor der NullSerie, sollen sämtliche Qualifizierungstests wie etwa Dauerlauftests, Dichtigkeitstests, Transportund Lagerungstests, mechanischdynamische-Tests und andere durchgeführt werden, um noch früher qualitative Erkenntnisse zu gewinnen.

(Visited 122 times, 1 visits today)

Weitere Artikel zum Thema