Mitarbeit erwünscht!

Die Welt wäre wohl noch komplexer, wenn es keine Normen gäbe. Doch wer legt die Vielzahl an Industrienormen fest? Und wie können Unternehmen bei deren Gestaltung Einfluss nehmen? Dass dies sehr wohl erwünscht ist, zeigt dieser Beitrag.

Mitarbeit erwünscht!

Die ISO Norm 9001 ist weit herum bekannt. Es gibt verschiedene Meinungen dazu, und dass es eine internationale Norm mit grosser Ausstrahlung ist, dürfte unbestritten sein. Wahrscheinlich waren alle Qualitätsmanager schon einmal an einem Kurs, bei dem diese Norm erläutert wurde. Das Interesse ist vor allem dann gross, wenn eine Revision ansteht wie zuletzt im Jahr 2015. Insbesondere die Änderungen interessieren die Verantwortlichen: Was muss im Qualitätshandbuch angepasst werden, damit das nächste Audit reibungslos abläuft? Welche neuen Checklisten werden von den Auditoren verwendet? Wie kann ich die Neuerungen in der Organisation bekannt machen? Solche oder ähnliche Fragen werden bei Normenrevisionen diskutiert und resultieren manchmal in grossem Arbeitsaufwand –für die Zertifizierungsgesellschaften, Auditoren, Qualitätsmanager, die zertifizierten Firmen.

 

Da stellt sich natürlich die Frage: Woher kommen solche Revisionen? Wer kommt auf die Idee, z. B. eine «High-Level Structure» einzuführen? Wie entsteht das neue oder überarbeitete Normendokument, welches schlussendlich erworben werden kann?

Wie eine Norm entsteht
Wie beim Qualitätsmanagement üblich, ist die Entwicklung der Normen in einem Dokumentenentstehungsprozess durch die ISO geregelt (Bild). Zu finden ist der Prozess auf der ISO-Homepage: www.iso.org; gestartet werden kann der Prozess von einem Technical Committee (TC) oder einem Sub-Committee (SC). Die ISO hat 249 TCs, die zusammen 22 199 Standards entwickelt haben. 4889 Standards sind aktuell in Überarbeitung. Das TC, welches für die Qualitätsnormen zuständig ist, heisst TC 176 «Quality management and quality assurance» und zeichnet verantwortlich für ca. 20 Standards. Nebst den eigentlichen Q-Normen 9000ff finden sich auch Normen zu Themen wie Kundenzufriedenheit oder Qualität in Projekten. Eine Übersicht über die vom TC 176 verwalteten Standards ist in der Tabelle weiter unten zu finden. Acht davon sind in Überarbeitung.

 

Der Aufgabenbeschrieb des TC 176 ist wie folgt (Quelle: iso.org).

 

Der Geltungsbereich des TC 176 ist die Normung im Bereich des Qualitätsmanagements (generische Qualitätsmanagementsysteme und unter-stützende Technologien) sowie die Normung des Qualitätsmanagements in bestimmten Bereichen auf Wunsch der betroffenen Branche und des ISO Technical Management Board. ISO/TC 176 ist auch mit einer Beratungsfunktion für alle technischen Komitees der ISO und der IEC betraut, um die Integrität der allgemeinen Qualitätssystemnormen und die effektive Umsetzung der ISO/IEC-Sektorpolitik für Qualitätsmanagementsysteme zu gewährleisten.

 

Das TC 176 ist wiederum in drei Sub- Committees organisiert (SC 1 Concepts and terminology; SC 2 Quality systems; SC 3 Supporting technologies) sowie weitere Task Forces, Task Groups, Ad-hoc-Groups und Working Groups. Alle diese Gremien sind auf die Mitarbeit von Experten angewiesen.

 

Oberstes Gremium für die nötigen Entscheide im Freigabeprozess von neuen Dokumenten oder bei der Wahl von Experten in die oben genannten Gremien sind die im TC 176 vertretenen «Member Bodies» der ISO. Für die Schweiz ist das die Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV, www.snv.ch). Für die nötigen Entscheide kommt eine moderne elektronische Abstimmungsplattform zum Einsatz, die vom SNV für die Schweiz verwaltet wird. Wie sieht nun der Entscheidungsprozess beim SNV bei solchen Abstimmungen aus?

Normenarbeit in der Schweiz
Der SNV hat für jedes für die Schweiz relevante TC ein Spiegelgremium definiert. In diesen Spiegelgremien sitzen Experten aus der Schweiz, die einen Beitrag bei der Normenarbeit leisten wollen. Sobald eine Abstimmung ansteht oder eine wichtige Wahl bei einem internationalen Gremium, wird den Mitgliedern in der Schweiz die Abstimmung elektronisch vorgelegt und der SNV bringt dann diesen Entscheid in die ISO-Abstimmung.

 

Für das TC 176 definierte die SNV das Normenkomitee 140 (NK 140). Die Mitglieder des NK 140 sind zum Teil in verschiedenen anderen NKs und auch international in verschiedenen TCs aktiv. So ist sichergestellt, dass die Abstimmungsentscheide auf einer möglichst breiten Basis abgestützt sind. Die Aufgaben eines Normenkomitees lassen sich wie folgt umschreiben:

 

Erarbeitung und periodische Überprüfung des Inhalts des zu ihrem Fachgebiet gehörenden Teils des nationalen Normenwerks. Einbringen von Fachwissen bei der Vernehmlassung europäischer und internationaler Normen. Wahrnehmung der schweizerischen Interessen in den entsprechenden Normengremien der internationalen Normenorganisationen (z. B. ISO, IEC, ISO/IEC), der europäischen Normenorganisationen (z. B. CEN, CENELEC, ETSI) und wenn notwendig in fremden nationalen Normenorganisationen (z. B. DIN, ON, AFNOR).

Mitarbeit erwünscht
Einerseits möchte ich mit diesem Artikel der geneigten Leserschaft die Normenarbeit bei den Qualitätsnormen näherbringen. Andererseits möchte ich auch Leser/Leserinnen dafür gewinnen, sich bei der Normenarbeit einzubringen. Jede/r kann mitmachen, der/die über entsprechendes Fach- oder Expertenwissen verfügt. Normenarbeit ist spannend, sehr international und gewürzt mit einer Prise Politik. Pro Jahr finden zwei physische Sitzungen des NK 140 in der Schweiz statt und bei Bedarf können auch Online-Meetings einberufen werden. Höhepunkt in jedem Jahr sind die «General Assembly»-Meetings des TC 176, bei denen die Weichen für die weiteren Aktivitäten des TC 176 gestellt werden. Die Meetings werden von den Delegierten der jeweiligen Länder besucht. Daher sind jeweils gegen hundert Nationen vertreten. Die Austragungsorte verteilen sich rund um dem Globus. So waren die letzten Meetingsorte Hongkong (2015), Rotterdam (2016), Bali (2017), Ponta Delgada (2018). Für 2019 ist das Meeting in Barbados geplant. An diesem jährlichen Meeting werden die Arbeitsresultate präsentiert, Workshops für neue Revisionen durchgeführt, Kontakte geknüpft und Allianzen geschmiedet. Wer sich für diese sehr spannende Arbeit interessiert, ist herzlich eingeladen, mit dem Autor Kontakt aufzunehmen.

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