Lean-Management vs. Crew Resource Management

Vergleicht man die Ziele des Lean-Management mit denen des Crew Ressource Management (CRM) in der Verkehrsluftfahrt, so finden sich viele Parallelen. Trotzdem, wo liegen nützliche Gemeinsamkeiten? Eine Beobachtung von Thomas Fengler, Coach und Flugkapitän.

In den letzten Jahren wurde die Feedback Kultur im Flugwesen wichtiger. (Bild: depositphotos)

In der Verkehrsluftfahrt versuchte man viele Jahre das Problem der zu hohen Fehlerquote (Unfälle) mit technischen Mitteln und auf Papier gedruckten Verfahren vom Management aus zu lösen, Thomas Fengler, Coach und Pilot.

Lean-Management gilt heute als der Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit.
Das ist insofern sinnvoll, wenn die Mitarbeitenden von Anfang an eingebunden sind. Die Optimierung von Abläufen, die Verlagerung von Verantwortung auf die ausführenden Mitarbeiter, offene Informations- und Feedbackprozesse und „Führen als Service am Mitarbeiter“ sind alles Prinzipien des Lean-Management – die auch Säulen des CRM sind.

Fehlerquellen

In der Verkehrsluftfahrt versuchte man viele Jahre das Problem der zu hohen Fehlerquote (Unfälle) mit technischen Mitteln und auf Papier gedruckten Verfahren vom Management aus zu lösen.
Die eigentlich Betroffenen, nämlich die Crews, wurden selten bis gar nicht gefragt.
Weiter fehlte bis in die 60er Jahre eine genaue Analysemöglichkeit zur Erforschung der wirklichen Fehlerquellen.

Erst mit der verbindlichen, weltweiten Einführung von Flugdatenschreiber und Stimmenrekorder in Verkehrsflugzeugen zu Beginn der 1960er Jahre war eine Unfallanalyse überhaupt zuverlässig möglich. Dann kam der Versuch, das immer noch bestehende Problem der hohen Unfallraten mit noch mehr Einzelqualifikation der Cockpitcrews zu lösen.

Alle diese Versuche schlugen fehl. Die Unfallquote blieb so hoch, wie gehabt, ja sie stieg mit Zunahme des Luftverkehrs in den 80er Jahren sogar weiter an.

Dann, für eine kurze Zeit, wurde die Reduzierung der Cockpit-Besatzung auf nur noch 2 Piloten als eine Quelle des Übels ins Spiel gebracht. „Überlastung der Piloten durch Rationalisierungsdruck“ war die Schlagzeile, die durch die Medien wanderte. Die Analyse der Unfälle förderte aber ein Mysterium zutage:
die Cockpits der Unfallflieger waren meist üppig besetzt, oft mit zwei vollwertigen Crews oder in guter alter Tradition zu dritt.

Erst als allgemeine Ratlosigkeit in die Fluggesellschaften einzog, entschieden sich zwei grosse und auch durch fatale Unfälle betroffene Airlines wie Lufthansa und United einen ganz neuen Weg zu gehen. Sie beschäftigten sich mit dem Zusammenspiel der Menschen. Dazu brauchte man kaum Ingenieure, keine Prozess-Spezialisten oder Unternehmensberater. Gefragt wurden Psychologen, Soziologen und Kommunikationswissenschaftler.

Typische Vorurteile

Sehr selten war technisches Versagen oder der Fehler eines Einzelnen Ursprung eines Schadens.
Es waren Ereignisse, welche ganze Fehlerketten nach sich zogen, Ereignisse, die im Nachhinein oft ungläubiges Kopfschütteln bei den Unfallforschern auslösen. Wie konnten beispielsweise top ausgebildete Piloten und Flugingenieure einen Passagierjet ohne Not fliegen, um dann wenige Meilen vor der Piste wegen Treibstoffmangels in ein Wohngebiet zu schiessen? – Das alles hat weder mit fehlender technischer Zuverlässigkeit, noch mit schlecht definierten Abläufen oder gar mangelhaft ausgebildeten oder ausgewählten Crews zu tun.

Die Macht der Gewohnheit

Eines leuchtet ein: die Neigung des Menschen zu Stressreaktionen, manchmal auch fehlerschwere Risikogelüste und ein Mangel an Kommunikation zwischen den Beteiligten sind ausschlaggebend. Hierdurch entstehen Fehlerketten, die im ungünstigen Fall tödlich enden. Der Weg, diese Gewohnheiten und „Missstände“ des menschlichen Miteinanders zu stoppen, ist weniger komplex als man annimmt.

CRM, die Lösung?

Zuerst wurde CRM von führenden Kapitänen als psychologischer Budenzauber abgetan. Der Gedanke, die glänzende Aura des Helden, des Machers und Mächtigen abzulegen und in die Rolle eines echten Teamführers in offener, positiver Fehlerkultur zu schlüpfen, musst sich zuerst noch wandeln.

Dass auch die Crew und die Techniker mehr als nur hübsche Saftschubsen und beschmierte Schraubendreher sein sollten, war für die Kapitäne jenseits ihrer Vorstellungswelt.

Hier finden Sie einige Antworten, warum die Einführung des Lean-Managements, respektive des CRM oft nicht den gewünschten Erfolg hat:

  • Modelle sind oft nur Papiertiger.
  • Mitarbeiter und Managementebenen werden nicht einbezogen.
  • Zielvorgaben bleiben nur Vorgaben.
  • Meinungen und Bedürfnissen werden selten berücksichtigt.

Denken Sie jetzt wieder an die Besatzung, die ihren Flieger sehenden Auges leer geflogen hat und ohne Sprit im Vorgarten eines Flughafens landete. Hier war der erfahrene Kapitän alten Schlages der Chef, umgeben von sehr gut ausgebildeten Spezialisten.
Keiner von ihnen hat das verhindert. Nicht weil sie nicht gesehen haben, was dort passiert, sondern weil sie sich nicht trauten, deutliche Worte an ihren Kapitän zu richten und weil sie glaubten, er wisse schon was er tue, er ist ja der Kapitän. Verstehen muss man ja nicht alles …

Schlussfolgerung

Bevor das CRM wirklich funktioniert, müsste ein genuines Umdenken stattfinden. Die Kapitäne müssten auch die Management Systeme leben, zumindest akzeptieren. Erst dann finden die anderen Crewmitglieder Vertrauen in das System. Wendet man das gleiche Regelwerk für die Einführung des Lean-Managements in Unternehmen an, wird man auch den gleichen Erfolg haben.

Dann arbeiten Firmen erheblich fehlerärmer, effizienter und wettbewerbsfähiger.

www.thomasfengler.de/imc/index.htm

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