Pharmaindustrie: Steigende Renditen im Bereich Forschung und Entwicklung
Die globale Pharmaindustrie hat im vergangenen Jahr im Bereich Forschung und Entwicklung (F&E) wieder höhere Renditen erzielt als im Vorjahr. Dies ergab die jährliche Analyse der 20 weltweit grössten Pharmaunternehmen durch das Prüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte.
Die Innovationsrendite im Bereich Forschung und Entwicklung (F&E) der weltweit 20 grössten Pharmaunternehmen ist im Jahr 2023 auf 4,1 Prozent gestiegen. Nach dem Rekordtief von 1,2 Prozent im Jahr 2022 sei dies eine erfreuliche Entwicklung, wie die aktuelle Pharmastudie des Prüfungs- und Beratungsunternehmens Deloitte zeigt. Das deute auf eine Erholung der seit mehr als zehn Jahren weitgehend rückläufigen Renditen hin, heisst es weiter. Der einzige grosse Produktivitätsanstieg (6,8%) wurde im Jahr 2021 infolge der raschen Zulassung und Notfallgenehmigung von Arzneimitteln im Zuge der COVID-19-Pandemie verzeichnet. «Die aktuell positive Entwicklung ist getrieben durch neue Forschungsbereiche wie nachhaltiges Gewichtsmanagement, Alzheimer und mRNA-Impfstoffe zum Schutz vor weiteren Infektionskrankheiten», erklärt Alexander Mirow, Leiter Life Sciences Beratung bei Deloitte Schweiz.
Pharmaindustrie investiert wieder mehr in F&E
Ebenfalls angestiegen sind die absoluten finanziellen Investitionen in die Forschung und Entwicklung. Im Geschäftsjahr 2023 investierten die 20 führenden weltweit tätigen Pharmaunternehmen mit den höchsten Forschungsausgaben – dazu gehören auch die beiden Schweizer Pharmakonzerne Novartis und Roche – 145 Milliarden US-Dollar in ihre Forschung und Entwicklung, was einem Anstieg von 4,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Dabei blieben die durchschnittlichen F&E-Kosten für die Entwicklung eines Medikaments – von der Wirkstoffidentifikation bis zur Markteinführung – mit USD 2,3 Milliarden konstant. Der prognostizierte Spitzenumsatz eines Medikaments sank von USD 389 Millionen im Jahr 2022 auf USD 362 Millionen im Jahr 2023.
Der Gesamtkostenanstieg im F&E Bereich ist gemäss der jüngsten Pharmastudie von Deloitte auf mehrere Faktoren zurückzuführen, unter anderem auf komplexere Studienanforderungen, regulatorische Änderungen wie den Inflation Reduction Act (IRA) in den USA und die Auswirkungen der Inflation. Es sei und bleibe nicht einfach, die Produktivität in der pharmazeutischen Forschung und Entwicklung zu verbessern, so die Einschätzung der Studie: Effizienz (Kosten) und Wertschöpfung (Umsatz) müssen sich die Waage halten, hängen aber jeweils von zahlreichen Faktoren ab.
Produktivität weiterhin unter Druck
Trotz gestiegener Renditen stehe das derzeitige Geschäftsmodell der Pharmaindustrie weiterhin unter erheblichem Druck, teilt Deloitte weiter mit. «Verschiedene derzeit laufende regulatorische Änderungen, der drohende und in diesem Ausmass noch nie da gewesene Verlust der Exklusivität hochwertiger Medikamente und die gestiegenen Zulieferkosten halten den Druck auf die Pharmafirmen hoch. Weitere Herausforderungen sind der rasche wissenschaftliche Fortschritt, die zunehmende Komplexität der klinischen Studien und die steigenden Kosten für Diagnosen», sagt Alexander Mirow. Die letzten zehn Jahre hätten gezeigt, dass der technologiegestützte Wandel in der Pharmaforschung und Therapieentwicklung notwendig sei, wenn führende Pharmaunternehmen den jahrzehntelangen Trend sinkender Renditen umkehren wollen und gleichzeitig in der Lage sein sollen, weiterhin Innovationen für Patientinnen und Patienten zu liefern.
Regulierung hemmt Innovationen
Laut dem Schweizer Verband für forschende Pharmaunternehmen Interpharma, dem auch Roche und Novartis angehören, investiert die Branche rund 15 Prozent ihres Umsatzes direkt wieder in die Forschung und Entwicklung neuer Produkte. Im Durchschnitt dauert es bis zu zwölf Jahre, bis alle für die Zulassung erforderlichen Daten den Behörden vorliegen und diese dann entscheiden können.
Trotz steigender F&E-Kosten sind es die sich immer rascher ändernden Vorschriften sowie neue regulatorische Vorgaben, die den im Rahmen dieser Studie befragten Führungskräften noch grössere Sorge bereiten. Wie die Pharmastudie von Deloitte zeigt, betraf die Hälfte der klinischen Entwicklungsprogramme im Jahr 2023 komplexe Therapien, wie etwa Zell- und Gentherapien. Diese neuartigen Therapien stellen Regulierungsbehörden und Pharmaunternehmen vor neue Herausforderungen, denn sie erhöhen die Komplexität der klinischen Studien, der Arzneimittelherstellung und der Lieferketten.
Unternehmen fehlt eine langfristige KI-Strategie
Die befragten Pharmaführungskräfte sind überzeugt, dass künstliche Intelligenz die Entwicklung dieser Therapien beschleunigen könne. Die breite Einführung von generativer KI zur Verarbeitung grosser strukturierter und unstrukturierter Datenmengen wird von Vielen als potenzieller Wendepunkt im Bereich Forschung und Entwicklung angesehen. Denn die Rekrutierung von Patientinnen und Patienten sowie das Datenmanagement gehören zu den grössten Kostentreibern bei klinischen Studien und sind derzeit die Bereiche, in denen der Einsatz von KI am vielversprechendsten erscheint.
Grosses Potenzial für den Einsatz von KI sehen die Befragten aus der Pharmaindustrie auch in der Rekrutierung und Bindung von Probandinnen und Probanden im Rahmen von klinischen Studien. Technologie könne die Erfahrung der Patientinnen und Patienten verbessern, die Markteinführung von Medikamenten beschleunigen und die Produktionskosten senken, hält die Studie fest. Allerdings würden diese Bemühungen zur Verbesserung der Effizienz noch in den Kinderschuhen stecken: «Trotz hoher Investitionen in künstliche Intelligenz haben viele Pharmaunternehmen das Potenzial dieser Technologie noch nicht vollständig durchdacht und skaliert. Der Grund dafür ist, dass die meisten Unternehmen noch keine kohärente und klare Strategie für ihre Investitionen in KI und Digitalisierung haben und sich oft auf erste Pilotversuche für kurzfristige operative Ziele konzentrieren. Das Umfeld und die Möglichkeiten von KI verändern sich zudem rasend schnell und es ist schwierig, vorne dranzubleiben», fasst Alexander Mirow zusammen.
Quelle: Deloitte