Wie KMU bei Normen und Standards von Betroffenen zu Beteiligten werden können

Der Wirtschaftsstandort Schweiz profitiert stark von Normen und Standards. Sie leisten einen Beitrag zur Organisationsentwicklung, zu qualitativ hochstehenden Produkten und zu internationalen Marktzugängen. An einem von der SQS organisierten Dialoganlass mit über 25 CEOs und anderen Top-Managern der Schweizer Wirtschaft hat sich aber auch gezeigt: Normen und Standards werden zunehmend (wieder) protektionistisch eingesetzt und fordern gerade kleine und mittlere Unternehmen heraus.

Podium zu Normen und Standards: Jürg Rogenmoser, Christian Späth, Matthias Wandfluh, Peter Roth und Felix Müller (v.l.n.r.). Stehend: Moderator Alex Gertschen. (Bild: SQS)

Die Schweizerische Vereinigung für Qualitäts- und Management-Systeme (SQS), die dieses Jahr ihr 40-jähriges Bestehen feiert, hat am Dienstag, 20. Juni im The Dolder Grand in Zürich einen Dialoganlass mit über 25 CEOs und anderen Top-Managern der Schweizer Wirtschaft durchgeführt. Am Anlass wurden zwei Thesen aus dem Buch «Räderwerke der Normalität. Wie Normen und Standards Vertrauen schaffen» aufgegriffen. Die SQS hat das Sachbuch kürzlich im Verlag NZZ Libro publiziert. Die beiden Thesen lauten: Normen und Standards sind für den Wohlstand in der Schweiz (mit-)entscheidend; und von solchen privaten Regeln profitiert gerade eine offene KMU-Wirtschaft wie die schweizerische.

S-GE stellt protektionistische Tendenzen von Normen und Standards fest

In seiner Einleitung zeigte SQS-CEO Felix Müller auf, wie und warum Normen und Standards es Organisationen erleichtern, hohe Erwartungen zuverlässig zu erfüllen – und so zu unserem Vertrauen in eine Normalität beitragen, die sich durch Qualität, Sicherheit und Komfort auszeichnet; zu einer Normalität, die weder selbstverständlich noch gegeben und damit alles andere als «normal» ist.

Dr. Simone Wyss Fedele, die CEO von Switzerland Global Enterprise, betonte in ihrer Keynote einerseits die Bedeutung von Normen und Standards für die globale Vernetzung der Schweizer Wirtschaft. Hiesige Exporteure profitierten von klaren und allgemein anerkannten Regeln. Wichtig sei ebenso, dass Unternehmen mittels glaubwürdiger Zertifikate wie jenen der SQS aufzeigen könnten, dass sie diese Regeln einhalten. Wyss Fedele drückte aber auch ihre Sorge darüber aus, dass wichtige Handelspartner der Schweiz Normen und Standards zunehmend zu protektionistischen Zwecken einsetzten.

«Wir hätten weder die Ressourcen noch das Know-how für solche Instrumente»

In der folgenden Diskussion kamen die Unternehmen zu Wort. Auf dem Podium sassen neben Felix Müller Jürg Rogenmoser, Teilinhaber, Verwaltungsrat und operativer Geschäftsführer der Aeschbach Chocolatier AG; Dr. Peter Roth, Normenbeauftragter der Hilti Group und Vorstandsmitglied der Schweizerischen Normen-Vereinigung (SNV); Christian Späth, Head der Division Civil Engineering und Qualitätsdelegierter in der Geschäftsleitung der Implenia AG; sowie Dr. Matthias Wandfluh, Verwaltungsratspräsident und CEO der Wandfluh AG.

Zwei Erkenntnisse der Diskussion waren: Normen und Standards sind tatsächlich wichtige Instrumente, damit Unternehmen Komplexität reduzieren, Fehler vermeiden und Qualität garantieren können. «Davon profitiert gerade ein KMU wie das unsrige», sagte Matthias Wandfluh. «Wir hätten weder die Ressourcen noch das Know-how, um selbst solche Instrumente zu entwickeln.» Allerdings: Gerade private Standards, die grosse Unternehmen ihren Zulieferern auferlegen, sind für KMU punkto Anzahl und Umfang immer schwerer zu erfüllen. «Immer mehr Grosskunden stellen eigene Anforderungen auf. Schon allein die entsprechenden Fragebogen auszufüllen, ist für uns fast nicht machbar », ärgerte sich ein Ostschweizer Unternehmer.

Mitwirkung ist möglich und dringlich – gerade für Nachhaltigkeitsregeln

Das war ein Steilpass für Peter Roth, der im Auftrag der Hilti Group bzw. der Schweizerischen Normen- Vereinigung (SNV) an der Entwicklung von Normen mitwirkt. Im Gegensatz zu privaten Standards werden anerkannte Normen, zum Beispiel jene der Internationalen Organisation für Normung (ISO), in einem transparenten, partizipativen und demokratischen Prozess entwickelt. Dadurch ist wahrscheinlicher, dass sie den Interessen der Allgemeinheit, nicht Einzelner dienen. Roth rief die Anwesenden auf, die Möglichkeit zur Mitwirkung zu nutzen. «Natürlich ist es für ein grosses Unternehmen leichter, die nötigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Aber letztlich läuft es darauf hinaus: Norme, oder du wirst genormt!»

Das abschliessende Gespräch mit der Juristin Dr. Elisabeth Bürgi Bonanomi, die am Centre for Development and Environment der Universität Bern den Bereich Nachhaltigkeitsgouvernanz leitet, machte deutlich: Es ist dringlicher denn je, dass sich die Wirtschaft aktiv und konstruktiv in die Entwicklung neuer Normen und Standards einbringt. Längst hat der Staat in der Schweiz und im Ausland – insbesondere in der Europäischen Union – damit begonnen, im Namen einer nachhaltigeren Wirtschaft zahlreiche neue Regeln zu erlassen.

Quelle und weitere Informationen: SQS

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