Herausforderungen für CH-Unternehmen im China-Markt
China ist für die Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM-Industrie) ein zentraler Markt. Sei es für Exporte, aber auch für Aktivitäten vor Ort. Allerdings verändert sich China rasant und der Handels- und Technologiekonflikt zwischen China und den USA führt zu widersprüchlichen Normen sowie Rechtsunsicherheit. Neue Studienresultate zeigen die weiterhin hohen Chancen für CH-Unternehmen auf dem chinesischen Markt sowie dessen Herausforderungen.
Die Schweiz hat seit Jahrzehnten ein spezielles Verhältnis zu China und war oft Pionierin. Dazu gehören die diplomatische Anerkennung der Volksrepublik China im Jahr 1950 und das Freihandelsabkommen mit China im Jahr 2014. Den gleichen Pioniergeist zeigte die Schweizer Industrie. Mit ihren Investitionen und der Schaffung von Arbeitsplätzen leistete sie einen wichtigen Beitrag dazu, dass in China eine Mittelschicht entstanden ist und Millionen von Menschen der Armut entfliehen konnten.
Diese guten Beziehungen der Schweiz zu China dauern seit langem an, unabhängig unterschiedlicher Ansichten über die Freiheit der Gesellschaft und der Wirtschaft. Sie sind wichtig in einer Welt, die zunehmend vom bipolaren Konflikt USA-China geprägt sein wird.
Tektonische Verschiebungen zwischen Grossmächten haben in den letzten Jahrhunderten meist zu Konflikten geführt. Besonders betroffen davon sind kleine offene Volkswirtschaften wie die Schweiz. Ihnen ging es in den letzten 70 Jahren, in denen Multilateralismus, Freihandel und Völkerrecht die internationalen Beziehungen prägten, gut. Sie könnten aber zu den grössten Verlierern einer Ära von Protektionismus und Nationalismus gehören.
Studie zeigt Herausforderungen für CH-Unternehmen im China-Markt auf
Zusammen mit dem deutschen Verband für Maschinen- und Anlagebau (VDMA) hat Swissmem eine neue Studie «Markt China im Wandel – Wie bleibt der Maschinenbau im Wettbewerb erfolgreich?» durch das Beratungsbüro Sinolytics erstellen lassen. Darin werden die aktuelle sowie die zukünftige erwartete Wirtschaftspolitik Chinas dargestellt und daraus die Herausforderungen für Industrieunternehmen abgeleitet.
Die Studie zeigt verschiedene Liberalisierungs- und Öffnungsschritte von China in Bereichen, die für die Schweizer MEM-Firmen wichtig sind. Sie betont das grosse und wachsende Engagement von China in internationalen Normierungsgremien, womit die eigenen Firmen einen Standard-Vorteil erreichen könnten und macht auch auf staatliche Forschungsförderung aufmerksam. Die Studie kommt aber klar zum Schluss, dass für Spitzen- und Nischenprodukte aus der Schweiz China weiterhin ein sehr attraktiver Markt bleibt.
Die Studie macht zudem auf die Gefahr aufmerksam, dass international agierende Schweizer Unternehmen immer mehr in einen rechtlichen Dschungel zwischen den USA, China und weiteren Blöcken geraten können. Dieser ist durch sich widersprechende, extraterritorial wirkende Gesetze gekennzeichnet. Im Extremfall können sich die Unternehmen gar nicht mehr in alle Richtungen gesetzeskonform verhalten. Ein Beispiel dafür ist die Reaktion Chinas auf die Politik der USA, welche chinesische Firmen auf eine US-Sanktionsliste gesetzt haben. Daraufhin hat China seinerseits ein Anti-Sanktionsgesetz erlassen, welches Firmen weltweit der Gefahr von strafrechtlichen Sanktionen aussetzt, wenn diese US-Sanktionen einhalten.
Aus Sicht von Swissmem ist diese Rechtsunsicherheit gefährlich und schädlich, da sie entweder investitionshemmend wirkt oder Investitionen Vorschub leistet, die nach politischen und nicht nach wirtschaftlichen Kriterien gefällt werden.
Die Unverzichtbarkeit in diplomatischer und wirtschaftlicher Hinsicht stärken
Swissmem fordert von der Schweiz deshalb eine aus drei Pfeilern bestehende Strategie:
1) Schweizer Firmen sollten möglichst unverzichtbare Produkte und Dienstleistungen herstellen.
Gerade Covid-19 hat der Bevölkerung vor Augen geführt, was die Kunden der Schweizer Industrie schon lange wussten: Viele der hier tätigen Firmen in Technologiefeldern wie der Automatisierung, der Fertigungstechnologien, der Sensorik und weiteren sind in ihren Bereichen weltweit führend. Sie sind nicht nur essenziell für allgemeine Herausforderungen wie die Covid-Bekämpfung oder den Klimaschutz, sondern auch für viele Kunden unverzichtbar als spezifische Lösungserbringer.
Der beste Schutz für den Standort Schweiz gegen politischen Druck aus dem Ausland ist die Tatsache, möglichst viele dieser Firmen in der Schweiz beheimatet zu wissen. Dies kann durch gute hiesige Rahmenbedingungen sowie moderne Produktion und hochstehende Forschung & Entwicklung erreicht werden. In der Unverzichtbarkeit von Schweizer Firmen liegt die beste sicherheits- und aussenwirtschaftspolitische Trumpfkarte der Schweiz – und nicht im Mantra von Selbstversorgung oder dem Versuch der Politik, Lieferketten auseinanderzureissen und autark neu zu gestalten. Die Politik soll vielmehr die industriellen Perlen mit guten Rahmenbedingungen unterstützen und dafür sorgen, dass neue Perlen entstehen oder in die Schweiz ziehen.
Hiesige Firmen können durch ihre Technologien sowie ihre Arbeitsplätze im Ausland, die bessere Arbeitsbedingungen als lokale Firmen aufweisen, ihren wichtigsten Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels oder die Verringerung von Armut leisten. Gerade durch den Austausch mit ausländischen Mitarbeitern tragen unsere Firmen in Ländern wie China glaubwürdig zur Verbreitung westlicher Werte bei.
2) Unverzichtbarkeit der politischen Schweiz
Dank Guter Dienste und diplomatischer Initiativen – erneut im Interesse der Lösungserbringung – soll unser Land für die grossen Machtblöcke vermehrt unverzichtbar werden. Dabei sind die Vorteile der Schweiz wie beispielsweise das Internationale Genf wiederzubeleben. Mit solchen Initiativen kann in Konflikten die Lage von Bevölkerungen verbessert werden und so ein bedeutender und aktiver Beitrag zur Stabilität geleistet werden. Ein positives Beispiel ist die Mediation zugunsten des Waffenstillstands in Mozambique durch den damaligen Schweizer Botschafter vor Ort. Weitere Bereiche für Schweizer Initiativen stellen Reformen verschiedener internationaler Organisationen wie der WTO dar, um den Multilateralismus sowie die Bedeutung von Völkerrecht und Freihandel erneut zu stärken.
3) Sicherheits- und aussenpolitische Neutralität
Diplomatische Unverzichtbarkeit verlangt Glaubwürdigkeit und dazu ist die sicherheits- und aussenpolitische Neutralität eine Voraussetzung. Die Schweiz soll verhindern, in die Konflikte der Grossmächte hineingezogen zu werden. Als Folge soll die Schweiz einzig Sanktionen des Uno-Sicherheitsrats übernehmen und sicherstellen, nicht als Umgehungsstandort missbraucht zu werden. Generell haben Sanktionen und Boykotte in den vergangenen Jahrzehnten kaum Wirkung gezeigt, sondern vor allem der lokalen Bevölkerung geschadet und zwischenstaatliche Konflikte teilweise sogar angeheizt.
Menschenrechtssituation am richtigen Ort kritisieren und gezielt verbessern
Diese drei Pfeiler schliessen Kritik der Schweiz an Menschenrechtssituationen im Ausland nicht aus. Dies gilt gegenüber China und anderen Staaten. Entsprechende Kritik soll aber einerseits über die dafür vorgesehenen Plattformen der Uno-Organisationen und andererseits auf dem Weg des bilateralen Dialogs vorgebracht werden. Auf öffentliche Belehrungen ist zu verzichten, viel wirksamer sind Diskussionen hinter den Kulissen. Swissmem fordert deshalb die rasche Wiederaufnahme des Menschenrechtsdialogs zwischen China und der Schweiz.
Swissmem ist überzeugt, dass über internationalen Handel und die globale Tätigkeit unserer Firmen mit ihren 550’000 Mitarbeitenden im Ausland nicht nur der Wohlstand verbessert und Armut bekämpft werden, sondern auch ein positiver Beitrag zugunsten der Menschenrechte geleistet wird. Mit der vorgelegten Strategie können unsere Unternehmen und die Schweiz ihre Verantwortung global am besten wahrnehmen.
Pressemeldung Swissmem