Excellence und Pragmatismus
Führungskräfte sollen ein Umfeld für hervorragende Leistungen schaffen. Dazu braucht es ein pragmatisch angewendetes QualitätsManagement, gesunden Menschenverstand und eine Unternehmenskultur, in der «Softfaktoren» wie Emotionen, Werthaltungen und Verantwortung aktiv gepflegt werden.
Seit 2000 hat sich die Schweizer Paraplegiker-Vereinigung – kurz SPV – dem Qualitätsmanagement nach dem EFQMModell verschrieben und modernste Managementideen umgesetzt. Bei der Einführung stand die SPV vor der Herausforderung, eine Dachorganisation mit über 11’000 Mitgliedern aus der Pionierzeit in eine moderne, kundenorientierte Organisation wandeln zu müssen. Gerade für ein NonProfit-Unternehmen ist es wichtig, dass das Management und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter effizient und effektiv arbeiten und keine Ressourcen verschwendet werden. Schliesslich muss man den externen Geldgebern Rechenschaft ablegen über die Verwendung der erhaltenen Mittel.
EFQM-Auszeichnung
So ist es als Glück zu werten, dass Dr. Thomas Troger, SPV-Direktor und Präsident der Stiftung ESPRIX damals neben dem EFQM-Modell auch sein Führungskonzept, das er 2005 in seinem Buch «Wertschätzende Führung – Leadership aus dem Innern wirft Wellen» dargelegt hat, sich in den Veränderungsprozess einbrachte. Dass das Modell und das Konzept aktiv gelebt werden, beweist die VierSterne-Auszeichnung (Recognized for Excellence) der EFQM. Im Dezember 2009 erfolgte ein
Vier-SterneAuszeichnung der EFQM
intensives Assessment vor Ort und man attestierte der SPV insbesondere, dass ihre Strategie, die Prozesse und das Führungsmodell optimal ausgerichtet sind und die Führungskräfte ein starkes Partnermanagement betreiben. Dies, so die Assessoren, zeige sich in der starken Ergebnisorientierung und im positiv verlaufenden Geschäftsgang, zufriedenen Kunden und als wohl wichtigster Punkt in einer motivierten und zufriedenen Belegschaft.
Aber was blieb davon?
Besteht der Sinn eines externen EFQM-Assessments darin, Ruhm und Ehre einzuheimsen? Sicher auch, denn gerade als Non-ProfitOrganisation mit wenig bis keiner Konkurrenz ist es wichtig, Geldgebern, Kunden und Partnern zu beweisen, dass die Qualität der erbrachten Leistungen stimmt, dass keine Gelder verschwendet werden und dass der Kundennutzen im Zentrum der Handlungen steht.
Aber nicht nur das. Der SPV ging es vor allem auch darum, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf diesem Weg der Excellence weiterhin und noch intensiver zu verpflichten. Wir wollten sie den Erfolg ihrer Arbeit und ihres Einsatzes feiern lassen und ihnen aufzeigen, wie wir im Quervergleich zu anderen Unternehmen stehen.
Da wir uns für ein Assessment vor Ort entschieden haben, wussten wir, dass jeder einzelne Mitarbeiter befragt werden konnte – spontan und zu ganz verschiedenen Themen. Das hat in der Belegschaft, die von Anfang an informiert und involviert war, Ängste ausgelöst. In mehreren Kursen haben wir daher alle in den Prozess integriert. Wir haben ihnen nicht nur das Modell der EFQM erneut erklärt, sondern auch strategische Gesichtspunkte vertieft und aufgezeigt, wie und in welchem Um
Die ganze Belegschaft war involviert
fang alle zur Strategieumsetzung beitragen, was unsere Prozesse und wie wichtig unsere Kultur und unsere Werte sind.
Es war, wie wenn man viele Puzzlesteine zu einem grossen Bild zusammenfügt. Die einzelnen Teile waren bekannt, schliesslich lebte die SPV das Modell seit Jahren. Jeder Einzelne trug in seinem Einflussbereich zur Strategieerfüllung bei, hatte seine MbO-Ziele und wusste, welche Tätigkeiten zu welchem Prozess gehörten. Und dennoch, das ganze grosse Bild vor sich zu sehen, ist etwas anderes. Dazu muss man Zeit einplanen. Es war für alle sehr wichtig, wieder einmal das Leitbild zur Hand zu nehmen, die Führungsgrundsätze zu lesen oder sich zu fragen, wie stark jeder Einzelne zur Unternehmensvision beiträgt. Oder für sich selber zu definieren, was Qualität denn wirklich bedeutet. Dieses «Involvement» hat zur Verstärkung der Identität und der Leistungskultur geführt, sodass am Ende die Punktzahl der Erfolg der ganzen Belegschaft war und nicht nur des Projektteams oder der Geschäftsleitung.
Kultur der wertschätzenden Führung
Diese Vorgehensweise bietet sich nicht nur für kleine, überschaubare Organisationen an. Wir sind überzeugt, dass es auch in grösseren Unternehmen richtig und wichtig wäre, nicht nur ein Projektteam, sondern alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Qualitätsmanagement und in ein solches Assessment-Projekt zu involvieren. Es ist zwar eine allseits be
kannte Tatsache, dass jeder unternehmerisch denken soll. Aber wird das auch wirklich gelebt? Oder nur, um finanzielle Ziele zu erreichen und Kosten zu sparen? Es braucht mehr. Insbesondere wenn man seine Kunden als Menschen und Partner wahrnehmen und behandeln will.
Wo immer es um Qualität geht, setzt die SPV daher nicht in erster Linie beim System, den Strukturen oder den Prozessen an, sondern zuerst bei den weichen Faktoren, bei der Unternehmenskultur, der Eigenverantwortung und vor allem beim Führungsverhalten. Erst wenn die stimmen, können Veränderungen an den harten Faktoren wie etwa Prozesse und Abläufe angebracht werden. Denn wir erachten die Vorbildfunktion der Geschäftsleitung und der Vorgesetzten als wichtigsten Treiber der Unternehmenskultur. An der Basis können Werte und Handlungsmaximen im Alltag nur dann umgesetzt werden, wenn vorgelebt wird, wie das geht.
Klima des Vertrauens
Wenn man diesen Weg beschreitet, den wir wertschätzende Führung nennen, muss man die Einzelnen auch nicht laufend belehren und ihnen vorkauen, was sie wie tun sollen. Das bedeutet aber: weg von der Ellenbogenmentalität hin zu einer Kultur des Vertrauens und der Transparenz. Dazu braucht es den Mut, starke Per
Effizienz durch Wertschätzung
sönlichkeiten zuzulassen, die auch mal etwas besser können als ihr Chef. Da darf dieser nicht in seinem Ego gekränkt sein. Seine Funktion ist nämlich nicht primär, alles besser zu können, sondern ideale Rahmenbedingungen zu schaffen, damit alle vorhandenen Potenziale genutzt werden können. Und wenn wir hier von Potenzialen sprechen, so geht es nicht nur um Wissen und Knowhow, sondern auch um menschliche Kompetenzen. Ehrlichkeit, Selbstkritik und Stetigkeit sind Grundvoraussetzungen für eine gute Führungsperson.
Man kann sich daher berechtigterweise fragen, ob viele Personalverantwortliche dies noch nicht verstanden haben. Sie müssten sich in Einstellungsgesprächen intensiver mit den Persönlichkeiten und Charakteren auf der anderen Seite des Tisches beschäftigen und weniger mit Zeugnissen und Diplomen. Wissenslücken kann man schliessen, eine Gesinnung zu verändern ist viel schwieriger.
Zu beachten ist auch, dass in einem guten Arbeitsklima die Qualität der Leistungen automatisch steigt. Da sind die Menschen weniger häufig krank, erleiden seltener ein Burn-out und da gibt es kaum Fälle von Mobbing. Dafür
Führungskräfte brauchen Mut
wirkt sich die bessere Arbeitsleistung positiv auf die Kundenzufriedenheit und die Kundenbindung aus.
Regelmässige Erhebungen bei der SPV beweisen diesen Kausalzusammenhang. Die Mitarbeiterzufriedenheit ist seit der Jahrtausendwende von 75 auf hohe 90 Prozent gestiegen. Bei der Kundenzufriedenheit sprechen wir von einem Schnitt von bis 87 Prozent. Dies ist hoch, insbesondere, wenn man bedenkt, dass unsere Mitglieder Querschnittgelähmte sind, die Leistungen bei uns beziehen müssen, und es für viele unserer Angebote keine Konkurrenz gibt.
Mut zum Pragmatismus
Selbstverständlich hat das Assessment auch Schwachpunkte ausgelotet. Die meisten waren uns vorab bekannt. Die SPV hat von jeher nur die Elemente des EFQMModells umgesetzt, von denen sie überzeugt ist, dass sie der Organisation viel bringen. Auf unnötige
Wenn nötig Nein sagen
Bürokratie wird bewusst verzichtet. Auch in der Vorbereitung des Assessments hat die Geschäftsleitung jede Massnahme zur Verbesserung detailliert abgewogen. Nur um die Punktezahl zu maximieren, wurde eine Idee nicht umgesetzt. Der Mehrwert für die Organisation und die Kunden standen im Vordergrund.
Wer ein Unternehmen auf dem Weg der Excellence weiterbringen will, steht immer wieder an Kreuzungen. Er muss bereit sein, neue, unbekannte Richtungen einzuschlagen – möglicherweise auch mal eine falsche. Denn wer Entscheidungen erst trifft, wenn er sich des Erfolges sicher ist, der kommt oft zu spät. Es kann gut sein, dass man einen falschen Entscheid eingestehen muss, um dann Verbesserungen einzuleiten. Hier kommen wieder die Führungskompetenzen zum Tragen. Führungskräfte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen Verantwortung für ihr Tun übernehmen, zu Fehlern stehen und bereit sein, diese via Verbesserungsmassnahmen zu korrigieren. Deshalb wird Kommunikation nach innen wie nach aussen in erfolgreichen Unternehmen gross geschrieben.
Die Menschen im Zentrum
Zusammenfassend empfiehlt es sich, auf eine ganzheitliche Führungskultur zu setzen, die Menschen und nicht Systeme und Prozesse allein in den Mittelpunkt stellt. Diese braucht es auch als klare Leitlinien und Vorgaben, aber nicht zum Selbstzweck. Es ist daher von Vorteil, Eigeninitiative und Eigenverantwortung zu fördern. Am besten beginnt man, wo es am effektivsten ist – bei sich selber. Es gilt somit, zuerst die Führungsvorgaben und das eigene Führungsverhalten zu analysieren. Und erst dann sollte man kontrollieren, ob das dazu passende Managementsystem einge
Am besten bei sich selber ansetzen
setzt ist. Das bringt Führungskräfte rasch weiter – zum Vorteil und Nutzen der Organisation und der Kunden, aber vor allem auch zum Gewinn der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.